Black Shirt mit Ethnokette

Die korrekte Kleidung spielt bei Prüfungen eine Rolle, auch heute noch. Dass ausgerechnet das Prüfungsoutfit auf eher skurrile Art und Weise zum Gegenstand eines Rechtsstreits wird, ist einer Dozentin im Bereich „Recht für die Öffentliche Verwaltung“ an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht zu verdanken. Also jemandem, der es eigentlich besser hätte wissen sollen. Aber der Reihe nach…

Im Sommer 2018 sollte eine Master-Studentin im Kurs „E-Government zwischen Verwaltungsmodernisierung und Bürgernähe“ geprüft werden. Weil es bis zu 35 Grad heiß werden sollte, verzichtete die Dozentin auf den üblichen Dresscode im Bewertungsteil „Präsentationsweise (Vortrag)“. Dieser sah einen „strengen formalen, geschäftlichen Dress-Code“ vor. Stattdessen sollten sich die Studenten lediglich „dem Anlass entsprechend ansprechend und gepflegt“ kleiden.

Die Absolventin wählte eine Jeans und ein Oberteil mit Punkten – wofür sie einen Punktabzug kassierte. Das sei dann doch zu „casual“ gewesen, monierte die Prüferin. Sie meinte (ernsthaft), die Kandidatin hätte „auf eine weiße Leinenhose und Black Shirt mit Ethnokette oder einem lieblichen oder auch strengen Blouson zurückgreifen oder auch ein Top mit elegantem Kurzjackett“ ausprobieren können. Immerhin rutschte die Studentin wegen ihrer Kleidung von der Endnote 1,3 auf 1,7. Das wollte sie nicht auf sich sitzen lassen und klagte vor dem Verwaltungsgericht Berlin.

Es ist nicht bekannt, wie die zuständigen Richter am Verhandlungstag unter ihren Roben gekleidet waren. Aber die Begeisterung für den Punktabzug hielt sich in deutlichen Grenzen, was allerdings auch problemlos juristisch zu erklären ist. Grundsätzlich könne auch die Kleidung in einer Prüfung bewertet werden, so das Gericht. Allerdings müsse die Kleidung dann selbst Prüfungsgegenstand sein, etwa im Fach Modedesign. Oder bei Feuerwehrleuten.

Hier habe die Studentin aber lediglich die Vorgabe gehabt, angemessene Kleidung zu tragen. Bei so einer unbestimmten Vorgabe sei ihre Kleiderwahl ein „vertretbarer Lösungsansatz“ gewesen, so dass ein Punktabzug schon deshalb nicht in Betracht kam. Auf die Frage, ob die Dozentin grundsätzlich zu streng in Modedingen ist, ggf. in Tateinheit mit leichter Geschmacksverirrung, kam es deshalb gar nicht mehr an (Aktenzeichen VG 12 K 529.18).

„Egoist“ klagt gegen das Kontaktverbot – und kriegt am Ende womöglich Recht

In Aachen klagt ein Mann gegen die Kontaktverbote wegen des Corona-Virus. Er will sich insbesondere in der Öffentlichkeit mit seinen Freunden treffen. Das Oberverwaltungsgericht Münster will nach Angaben einer Gerichtssprecherin nächste Woche entscheiden.

Auch wenn sich der Rechtsbehelf „egoistisch“ (so eine Boulevardzeitung) anhört, ganz ohne Chancen ist der Antragsteller nicht. Juristische Probleme erwarte ich weniger bei der Regelung an sich, das robuste Vorgehen der Landesregierung wird angesichts der Bedrohung derzeit wohl kaum als grob unverhältnismäßig eingestuft werden können.

Aber beim Wort „Landesregierung“ sind wir schon mitten in der juristischen Grauzone, welche das Verfahren durchaus brisant macht. Es ist nämlich die Art und Weise, wie sich der nordrhein-westfälische Landtag und wohl auch die weitaus meisten anderen Länderparlamente „verzwergen“, wie es der Juristische Korrespondent der FAZ schon vor Tagen in einem Leitartikel ausgedrückt hat.

Statt das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und wichtigste Fragen per Gesetz zu regeln, ducken sich die Parlamente weg. Sie überlassen der Landesregierung, also der Exekutive, genau die Aufgaben, die sie in der Krise eigentlich selbst regeln müssen. Die jetzt erlassenen Rechtsverordnungen und Allgemeinverfügungen schränken massiv so ziemlich jedes Grundrecht ein, das wir Bürger haben. Solche Schritte können möglich sein, aber für diese gilt der sogenannte Gesetzesvorbehalt.

Wichtigste Fragen müssen danach vom demokratisch legitimierten Parlament geregelt werden, nicht von der Landesregierung als Exekutive. Das nennt man Gewaltenteilung, und eigentlich ist so was schon Thema im Sozialkundeunterricht an jeder Schule. Es bedarf keiner großen Fantasie, dass sich die Richter schon Gedanken machen werden, wieso man das Parlament einfach außen vor lassen darf. Mit fehlender Handlungsfähigkeit der Landtage kann es ja kaum zu tun haben. Die Finanzhilfen haben die Parlamente ja auch ohne Probleme auf den Weg gebracht.

Gut möglich also, dass die Praxis, alles mit Verordnungen / Allgemeinverfügungen zu regeln, den Verantwortlichen noch ganz schwer auf die Füße fällt. In seiner Pressemitteilung spricht das Oberverwaltungsgericht Münster selbst davon, es sei zu prüfen, ob es für die Anordnung eine Rechtsgrundlage gibt. Problembewusstsein ist also vorhanden. Kein gutes Zeichen.

NRW lässt Gefangene frei

Auch die Justizvollzugsanstalten bleiben von der Corona-Problematik nicht verschont. Die nordrhein-westfälische Landesregierung versucht nun, die Risiken zu minimieren.

Gefangene, die nur kurze Freiheitsstrafen verbüßen oder nur noch einen geringen Strafrest haben, werden entlassen. Außerdem soll es zunächst keine Inhaftierungen in vergleichbaren Fällen geben. Was die Freigelassenen betrifft, scheint es sich entgegen ersten Angaben nicht um eine Amnestie zu handeln. Der Justizminister hat mittlerweile erklärt, es gebe keinen „Corona-Rabatt“ und die Strafen würden nicht erlassen, sondern erst mal nur ausgesetzt.Es handelt sich um eine Strafaussetzung, die mit Rücksicht auf den Strafvollzug gesetzlich möglich ist ist (§ 455a StPO).

Gleichzeitig soll aber wohl großzügig und wohlwollend über Bewährungen entschieden werden, damit die Gefangenen möglichst nicht zurückkehren müssen. Jedenfalls wurden die Anstalten nach meinen Informationen gebeten, positive Stellungnahmen für die Gerichte zu schreiben.

Einzelheiten berichtet Focus Online.

Besuch – ist der weiter erlaubt?

Seit heute gelten die neuen Schutzvorschriften wegen des Corona-Virus. Die nordrhein-westfälische Regelung kann man zum Beispiel hier nachlesen. Auf eine Ausgangssperre wird verzichtet, im Kern läuft es darauf hinaus, dass sich – Angehörige und Kinder ausgenommen – nicht mehr als zwei Personen in der Öffentlichkeit „versammeln“ dürfen.

Womit wir schon beim Thema wären, das ich ansprechen möchte. Denn offenbar gibt es Missverständnisse in die Richtung, dass sich ab jetzt auch nur noch zwei Personen, die sich nicht näherstehen, gemeinsam in einer Wohnung aufhalten dürfen. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Regelung bezieht sich nur nur auf den „Aufenthalt im öffentlichen Raum“. Für Wohnungen (und auch private Gärten) gibt es derzeit keine Einschränkungen in NRW und den Bundesländern, die vergleichbare Regelungen geschaffen haben.

Mit anderen Worten: Es ist nach wie vor zulässig, dass sich Menschen in NRW gegenseitig besuchen, und zwar auch in größerer Zahl. So lange die „Anreise“ höchstens in Zweiergruppen erfolgt, ist vom Tinder-Date bis zur Geburtstagsfeier also alles weiter erlaubt – so nachteilig das mit Blick auf das Verbreitungsrisiko des Corona-Virus auch sein mag. (Es kann sein, dass eure Kommune „Veranstaltungen“ verboten hat. Darunter sind private Feiern, zumindest im kleineren Umfang, aber nach meinem Verständnis nicht erfasst.)

Im Ergebnis hat die Landesregierung richtig gehandelt, wenn sie keine Regelungen trifft, die letztlich nicht überprüfbar sind. Schwer vorstellbar nämlich, dass Ordnungsämter oder die Polizei sich Zutritt zu Wohnungen verschaffen, um dort Kontrollen vorzunehmen. Überdies sollte man auch keine Möglichkeiten eröffnen, auf welche die Blockwarte unter unseren Mitbürgern nach Jahrzehnten erzwungener Inaktivität nur warten.

Gegen offenkundige Corona-Partys im privaten Raum könnten die Ordnungsämter allerdings auch in NRW einschreiten, wenn sie eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ annehmen, was natürlich unschwer möglich ist.

Die bayerische Regelung ist in diesen Punkten übrigens rigoroser. In Bayern ist das Verlassen der Wohnung für einen Besuch nämlich nur dann erlaubt, wenn dieser näherstehenden Personen dient (Ziff. 3g). Dass aber auch die bayerischen Vorgaben nicht so knallhart sind, wie sie daherkommen, habe ich bereits am Freitag erläutert.

Keimfreie Kommunikation

Es gibt Mandanten, die legen Wert darauf, nur per Briefpost zu kommunizieren. Ist oft auch nachvollziehbar, wenn nicht sogar empfehlenswert. Einer dieser Hartgesottenen meldet sich nun aber mit folgender Bitte:

Im Hinblick auf die aktuelle Situation wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mich ab sofort per Mail informieren. Ich bemühe mich momentan noch, so einen Verschlüsselungskey herzustellen. Aber bis dahin trotzdem erst mal alles per Mail, danke.

Gut, machen wir.

Verhältnismäßig verhältnismäßig

Das Land Bayern hat heute eine landesweite Ausgangssperre oder, milder formuliert, Ausgangsbeschränkung verhängt. Diese tritt um Mitternacht in Kraft. Allerdings zeigt die Anordnung – was ich gut finde – sehr deutlich, dass man die Beschränkung der Freiheitsrechte nicht übertreiben will.

So definiert das Regelwerk als zulässigen Grund für den Aufenthalt im Freien nicht nur Einkäufe und den Arbeitsweg, sondern auch (Punkt 5g):

Sport und Bewegung an der frischen Luft

Bei einer Kontrolle kann man also sagen, ich will mir die Füße vertreten. Tatsächlich verhindert die Regelung also für den öffentlichen Raum nur die Gruppenbildung im Freien, was aufgrund der Sachlage ja nun auch ein nachvollziehbares Anliegen ist.

Ein mehr oder weniger schlichtes Versammlungsverbot hätte demnach aber auch gereicht.

Corona-Disclaimer

Disclaimer in den Zeiten von Corona:

In der Strafvollstreckungssache
gegen
N.N.

– Aktenzeichen –

bitte ich zu prüfen, ob der Anhörungstermin am 20.03.2020 verlegt werden kann.

Ich habe als Strafverteidiger in den letzten Tagen an diversen Vorführungen, Haftprüfungen etc. teilgenommen. Außerdem habe ich Mandanten in Polizeipräsidien aufgesucht und Besprechungen gehabt, die nun teilweise in den Zellen selbst stattfinden müssen, da Besucherräume für Anwälte gesperrt sind. Es handelt sich hier um unaufschiebbare Dinge, die ich auch im Interesse der Rechtspflege gerne erledige. Vorliegender Fall ist von der Eilbedürftigkeit her nach meiner Einschätzung anders zu bewerten.

Auch wenn ich keinerlei Krankheitssymptome habe und mich bestens fühle, möchte ich mich nicht dem Vorwurf aussetzen, eventuell Krankheitserreger in eine forensische Anstalt eingebracht zu haben. Deshalb weise ich vorsorglich auf die geschilderten Umstände hin. Wenn das Gericht die sicherlich am Klinikeingang stattfindende Fiebermessung für ausreichend erachtet und auch sonst keine Bedenken hat, werde ich den Anhörungstermin auch wahrnehmen.

Mit freundlichen Grüßen
Udo Vetter
Fachanwalt für Strafrecht

Grundrecht außer Kraft

In einem Presse-Briefing hat die Landesregierung NRW am gestrigen Tag die weitergehenden Maßnahmen für eine Eindämmung des Corona-Virus vorgestellt. Ausdrücklich genannt wurde die Untersagung von öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel, wie zum Beispiel Demonstrationen.

Da darf man schon mal stutzen. Immerhin ist die Demonstrationsfreiheit ein Grundrecht. Sie ist, wie das Bundesverfassungsgericht seit Jahrzehnten erklärt, ein Grundpfeiler der Demokratie.

Sicherlich enthält § 17 Abs. 7 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) den erforderlichen Gesetzesvorbehalt, um das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aus Artikel 8 Grundgesetz einzuschränken. Das bedeutet aber längst keinen Freibrief für die jeweilige Regierung, unter Berufung auf diese Vorschrift juristischen Kahlschlag zu betreiben.

Ohne näher in verfassungsrechtliche Details gehen zu wollen, ist jedenfalls eines klar: An die Einschränkung eines Grundrechts sind höchste Anforderungen zu stellen. Insbesondere muss die Einschränkung verhältnismäßig sein, was vereinfacht die Frage aufwirft, ob eine Maßnahme geeignet und erforderlich ist und ob eine Güterabwägung ergibt, dass die Versammlungsfreiheit tatsächlich zurücktreten muss.

Geeignet ist ein Demo-Verbot unzweifelhaft, um die Ausbreitung des Corona-Virus abzumildern. Aber ist sie auch erforderlich? Derzeit gibt es noch keine Ausgangssperre. Busse und Bahnen fahren, sie sind keineswegs leer und werden bei ausgedünnten Fahrplänen eher keine einsameren Orte werden. Friseurgeschäfte haben geöffnet, Supermärkte sowieso. Es steht Menschen derzeit noch frei, sich etwa bei uns auf den Rheinwiesen niederzulassen oder rund um Parkbänke hinzustellen und ein Bierchen aufzumachen – was ja auch geschieht.

Angesicht dessen stellt sich schon die Frage, wieso Demonstrationen als elementarer Teil der Demokratie einfach mal so auf der Verbotsliste gelandet sind. Dies umso mehr, als Auflagen bei Demonstrationen ja nicht ungewöhnlich sind, man denke nur an die beliebten Lautsprecher- und Transparentverbote. Was spräche dagegen, den Mindestabstand zwischen den Personen im Demonstrationszug festzulegen?

Demonstrationen sind nach wie vor die wichtigste Möglichkeit, seine Meinung kundzutun. Siehe auch die Geschichte. Das alles mag man in der jetzigen Situation für überflüssig halten; ich tue es nicht. Wir können auch durchaus noch in die Situation kommen, in der sich die „Begeisterung“ über staatliche Maßnahmen in der aktuellen Krise in Unverständnis oder Ablehnung wandelt (abertausende Neu-Arbeitslose lassen schon jetzt mal grüßen). Und dann soll man nicht, im wahrsten Sinne des Wortes, dagegen auf die Straße gehen dürfen? Ganz abgesehen natürlich davon, dass sich andere aktuelle gesellschaftliche und politische Probleme mit dem Virus nicht in Luft aufgelöst haben.

Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis Demonstrationen angemeldet werden. Spannend wird es, wie sich die Gerichte zum Verbot positionieren. Meine Prognose: So lange wir uns in der Bahn noch gegenübersitzen und beliebig unsere Häuser verlassen dürfen, ist die Landesregierung mit der faktischen Abschaffung eines Grundrechts deutlich zu weit gegangen.

Nur noch in der Zelle

Das Amtsgericht Düsseldorf schließt, wie so viele Gerichte, weitgehend seine Pforten. Haftsachen werden aber weiter bearbeitet. Was viele meiner (künftigen) Mandanten sicher für verantwortungslos halten.

Aber Scherz beiseite, auch im Hausgefängnis brechen neue Zeiten an. Der Anwalt wird Festgenommenen definitiv noch nicht verweigert. Aber für uns Anwälte heißt es etwas zusammenrücken – mit den eigenen Mandanten. Ich zitiere aus der Anordnung des Gerichts:

Der Besprechungsraum in der Haftabteilung wird geschlossen. Ggf. notwendige Besprechungen müssen daher in der Zelle durchgeführt werden.

Ab sofort also gefahrgeneigte Arbeit, sozusagen.

Sportstudio zu, Beitrag läuft weiter?

Auf Grund der strengen behördlichen Anweisungen in Zeiten der Coronakrise finden momentan so gut wie keine kulturellen oder sonstigen Veranstaltungen mehr statt. Fällt die einmalige Veranstaltung, zum Beispiel ein Konzert oder Theaterstück, aus, kann man vom Veranstalter den Ticketpreis zurückverlangen. Insoweit ist die Rechtslage klar.

Wie sieht es aber bei Mitgliedschaften mit Laufzeit aus, zum Beispiel im Fitnessstudio oder beim Kochkurs? Diese sind ja auch vom Shutdown betroffen, der sich wohl heute noch einmal verschärfen wird.

Juristisch gilt Folgendes: Pausiert die Mitgliedschaft notgedrungen, handelt sich auch ohne Verschulden des Anbieters um einen Fall der sogenannten „Unmöglichkeit“ (§ 275 BGB). Da KundInnen nicht für diese Unmöglichkeit verantwortlich sind, entfällt der Anspruch der Betreiber auf Zahlung (§ 326 BGB).

Das sehen Anbieter natürlich eher ungerne und kommen auf kreative Ideen. Die bundesweit größte Fitnesskette RSG Group (McFit, John Reed) hat bereits ein Statement veröffentlicht. Danach soll die gesamte Dauer der jetzigen Schließung am Ende der Mitgliedschaft beitragsfrei ersetzt werden. Mit anderen Worten: Der Kunde soll den jetzigen Ausfall erst einmal selbst tragen und kriegt am Ende den zeitlich entsprechenden Beitrag erlassen. McFit will sich die Krisenkosten also vom Kunden stunden lassen. Darauf kann man sich einlassen, muss es aber nicht, denn auch für Fitnessclubs gelten die klaren gesetzlichen Regeln, die da lauten: „Kein Geld ohne Leistung.“

Für den Kunden bedeutet so ein Vorschlag nun zusätzlichen Aufwand. Er muss sich beim Studio beschweren und auf anteilige Erstattung pochen. Wer weniger Lust auf nervige Diskussionen hat und die Sache nicht aus den Augen verlieren will, kann jeweils am Monatsende zu viel abgebuchte Beiträge bei der Bank zurückbelasten lassen. Das geht im Lastschriftverfahren problemlos. Und das Studio dürfte schon ahnen, warum zurückgebucht wird.

Einen kundenfreundlicheren Weg geht beispielsweise der Urban Sports Club, über den man in einer Vielzahl von Studios trainieren kann. Kunden können dort mit sofortiger Wirkung eine Corona-Pause aktivieren. Der Urban Sports Club sagt zu, dass nichts bezahlt werden muss, so lange in der Region des Kunden die Sportstudios behördlich geschlossen sind.

Vertragspause ist ohnehin ein gutes Stichwort. Genau diese Vertragspause sehen nämlich mittlerweile viele Sportstudios vor, um im Wettbewerb bestehen zu können. Gut möglich also, dass sich im Kleingedruckten ein eleganter Weg versteckt, um ohne großen Begründungsaufwand nicht mit den monatlichen Kosten belastet zu werden.

Auch bei Dauerkarten, etwa für den Fußball, gilt das oben Gesagte. Man kann das gezahlte Geld für die Saison anteilig zurückverlangen, wenn bestimmte Spiele nicht stattfinden. So sieht es auch die Verbraucherzentrale.

Allerdings: Gerade bei Veranstaltungen aus dem Kleinkunstbereich oder beim inhabergeführten Sportstudio um die Ecke kann man sich auch überlegen, ob man das bereits gezahlte nicht lieber als Investition in die hoffentlich rosige Zukunft sieht, indem man etwas finanziellen Druck von den Anbietern nimmt. Dabei sollte man aber auch ins Auge fassen, ob die betreffenden Unternehmen auch ihren oftmals „freien“ und nun beschäftigungslosen Mitarbeitern (z.B. Trainer, Servicekräfte) angemessen unter die Arme greifen. RAin Jennifer Leopold

Ruf! Sofort! An!

Wenn eine dringlich klingende E-Mail bei uns eingeht, kontaktieren wir die (potenziellen) MandantInnen natürlich umgehend, um das weitere Vorgehen abzusprechen. Heute erreichte uns so eine Rückrufbitte. Die juristische Angelegenheit schien – so klang zumindest die Telefonnotiz – mit großen finanziellen sowie gesundheitlichen Folgen verbunden. Kurz gesagt: Weltuntergang.

Also nahm ich sogleich den Hörer in die Hand und wählte die mitgeteilte Rufnummer. Die nun folgende automatische Ansage hatte ich so vorher auch noch nicht gehört:

Der gewünschte Gesprächspartner möchte zur Zeit keine Anrufe entgegennehmen. Bitte haben Sie dafür Verständnis.

Verständnis habe ich sicherlich, aber dann wird die Angelegenheit vielleicht auch nicht ganz so dringend gewesen sein. Mal sehen, ob und wann der Anrufer wieder zu Gesprächen aufgelegt ist. RAin Jennifer Leopold

Widerrufsrecht gilt auch für Bahncard

Falls ihr wegen Corona derzeit keine Verwendung für eure Bahncard habt oder ihr in die beliebte Verlängerungsfalle getappt seid, wird euch dieses Urteil des Europäischen Gerichtshofs interessieren. Alle Kunden, welche die Bahncard online gekauft haben, genießen ein Widerrufsrecht – und müssen hierüber informiert werden.

Bislang ging die Bahn davon aus, dass auch für die Bahncard Sonderregelungen gelten. Diese Vorschriften schließen das gesetzliche Widerrufsrecht bei Zug- und Bustickets aus, aber auch bei Zeitungsabos, Konzertkarten etc. Doch die Bahncard ist kein Zugticket, sondern eine Rabattkarte, befindet der Europäische Gerichtshof. Eine Rabattkarte sei im Ergebnis ein „Dienstleistungsvertrag“. Folge: Das gesetzliche Widerrufsrecht gilt auch für die Bahncard.

Geklagt hatte die Verbraucherzentrale Berlin. Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte den Europäischen Gerichtshof um eine Vorabentscheidung gebeten. Da diese eindeutig ausfällt, wird der Bahn kaum etwas übrig bleiben, als das Widerrufsrecht für die Bahncard anzuerkennen. Da Kunden bislang nicht über ihr Widerrufsrecht belehrt wurden, ist ein Widerruf grundsätzlich noch möglich. Denn die Frist hierfür beginnt erst mit der rechtlich einwandfreien Belehrung (Aktenzeichen C-583/18).

Kölner Polizei muss bei Demo Kameras verhüllen

Fest installierte Überwachungskameras der Polizei müssen bei Demonstrationen verhüllt werden. So sieht es jedenfalls das Verwaltungsgericht Köln in einem Eilbeschluss. Konkret ordnet das Gericht an, dass die fest installierten Überwachungskamera am Wiener Platz in Köln bei der für morgen (14.03.) geplanten „Demonstration gegen Repression“ abgedeckt werden.

Die Kameras haben an sich nichts mit der Demonstration zu tun. Die Kölner Polizei fährt seit Dezember 2019 auf dem Wiener Platz eine durchgehende Überwachung im Rahmen der Kriminalitätsbekämpfung. Die Polizei war bereit, die Kameras für die Dauer der geplanten Zwischenkundgebung auf dem Wiener Platz abzuschalten, weil, so sieht es auch die Polizei, friedliche Demonstranten regelmäßig nicht vorsorglich gefilmt werden dürfen. Auf die Zusage mochten die Veranstalter jedoch nicht vertrauen und verlangten den Abbau der Kameras, hilfsweise deren Verhüllung.

Beim Verwaltungsgericht Köln fanden die Ausrichter Gehör. Schon die Möglichkeit staatlicher Beobachtung wirke abschreckend und einschüchternd auf Versammlungsteilnehmer, heißt es in dem Beschluss. Für Demonstranten sei nicht erkennbar, ob die Kameras ausgeschaltet seien. An der faktischen Wirkung ändere die Zusage der Polizei nichts.

Die Polizei hatte argumentiert, die Verhüllung der Kameras sei eine „kaum zu bewältigende logistische Herausforderung“, immerhin müsse ein Hubwagen angemietet werden. Der Aufwand und die Kosten wiegen aber keinesfalls schwerer als das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, so das Gericht. Dass die Kameras auch nach der Demo noch einige Zeit außer Betrieb bleiben, müsse ebenfalls hingenommen werden. Die Polizei habe ja die Möglichkeit, auch anders für Sicherheit auf dem Wiener Platz zu sorgen, etwa durch verstärkte Streifen.

Eine sehr grundrechtsfreundliche Auffassung, die das Verwaltungsgerichts Köln hier vertritt. Die große Frage ist, ob sie von anderen Gerichten geteilt wird (Aktenzeichen 20 L 453/20).

Wetterinfos gibt’s nicht gratis

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) darf in seiner App „WarnWetter“ zwar vor Unwettern warnen, aber nicht gleichzeitig kostenlos detaillierte Wetterberichte und Hintergrundinformationen zum „normalen“ Wetter anbieten. Auf die Klage eines privaten Wetterdienstes verbot der Bundesgerichtshof das kostenlose Angebot.

Geklagt hatte die WetterOnline GmbH. Die Firma fürchtet um ihr Geschäftsmodell, denn sie bietet ihre Wetterinfos mit Werbefinanzierung oder als Bezahl-App an. Das Angebot des DWD, einer Behörde, sah die Firma als unlautere Konkurrenz. Zu Recht, befindet der Bundesgerichtshof.

Der Wettbewerbssenat verweist auf die klare Rechtslage: Nach dem Deutschen Wetterdienstgesetz (DWDG) muss der Wetterdienst grundsätzlich eine Gebühr für seine Dienstleistungen verlangen. Davon ausgenommen sind, aus gutem Grund, lediglich Unwetterwarnungen. Mit einer kostenlosen Wetter-App, die weit mehr bietet als Warnungen, überschreite der DWD seine gesetzliche Befugnis. Die Einschränkungen hätten gerade auch den Sinn, private Mietbewerber vor staatlicher Konkurrenz zu schützen. Dementsprechend muss sich der DWD auch künftig auf Wetterwarnungen beschränken und für weitere Infos Kosten berechnen (Aktenzeichen I ZR 126/18).

Fehlende Begründungstiefe

Für eine Welle der Empörung sorgte der Tod eines (nicht im Dienst befindlichen) Feuerwehrmannes auf dem Augsburger Weihnachtsmarkt. Eine Zeitlang schien es, als sei er von sieben Personen gemeinsam und grundlos totgeprügelt worden. Doch der Fall hat deutlich mehr Nuancen als gedacht. Das zeigt jetzt auch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Untersuchungshaft eines Mit-, nicht des Hauptverdächtigen.

Nachdem das Amtsgericht Augsburg die jungen Männer in Untersuchungshaft geschickt hatte, wertete das Landgericht die Sache völlig anders: Es konnte wenigstens in Bezug auf die Personen, die definitiv nicht tödlich zugeschlagen haben, keinen dringenden Tatverdacht erkennen – auch nicht auf Beihilfe zum Totschlag. Diese Entscheidung revidierte das Oberlandesgericht München, es ließ wiederum alle Beschuldigten verhaften.

Hiergegen erhob einer der Beschuldigten nun Verfassungsbeschwerde und erzielte einen Teilerfolg. Die Karlsruher Richter sehen in dem Beschluss des OLG München nicht nur krasse Bewertungs-, sondern auch handfeste handwerkliche Fehler; sie ordnen deshalb eine Neuprüfung an.

Das OLG München weigerte sich in seiner Haftentscheidung recht deutlich, die einzelnen Tatbeiträge der Beteiligten zu prüfen. Vielmehr stellten die Richter ein „besonderes gruppendynamisches Gepräge des Taggeschehens in den Vordergrund“. Sie konstatieren anhand der Videoaufnahmen, die sieben Verdächtigen seien „in einer provozierenden und bedrohlich wirkenden Weise als Gruppe aufgetreten“, eine „Zerlegung des Geschehens in zahlreiche Einzalakte individueller Verdächtiger“ werde dem Tatbild nicht gerecht.

Das sieht das Verfassungsgericht deutlich anders. Die Richter weisen darauf hin, der Tatverdacht müsse für jeden Beschuldigten individuell geprüft werden. Voraussetzung sei eine konkrete Tat oder Tatbeteiligung des Beschuldigten. Die physische Präsenz an einem Tatort reiche keinesfalls aus. Hinsichtlich einer Tat des Beschwerdeführers fehle es in dem Beschluss des Oberlandesgerichts aber an jeder tragfähigen Feststellung – obwohl es ja Videaufnahmen gibt. Auf diese nimmt das Oberlandesgericht aber nur pauschal Bezug, aber nur zum Nachteil des Inhaftierten.

Recht deutlich sprechen die Karlsruher Richter hier von einer fehlenden „Begründungstiefe“. Das ist eine mehr als deutliche Kritik, weil sich natürlich die Frage anschließt, ob die Münchner Richter vielleicht an der Begründung deswegen gespart haben, um das gewünschte Ergebnis nicht zu gefährden.

Das Oberlandesgericht München muss nun erneut über die Haftfrage entscheiden – und dabei die Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigen (Aktenzeichen 2 BvR 103/20).