Freiheitsstrafe mit Bewährung. Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Die Scheidelinie ist oft sehr schmal, und es ist vor Strafgerichten ja sowieso viel Bewertungssache. Wie man es auch macht, man muss aber in jedem Fall bei der Entscheidung aufpassen, dass wenigstens die richtigen Maßstäbe angelegt werden.
Zu erleben war das sehr praktisch vor dem Jugendschöffengericht. Angeklagt war ein junger Mann. Er soll seine Mutter bestohlen haben. Wir reden nicht über 500 Euro, sondern über mehrere hunderttausend. Unklar ist, ob der Angeklagte noch große Teile des Geldes hat. Oder ob es weg ist. Die Staatsanwältin vertritt wenig überraschend die Auffassung, das Geld sei noch irgendwo – und deshalb müsse der Angeklagte in den Knast. Nicht nur aus diesem Grund, aber eben auch. Wenn der Angeklagte sage, wo das Geld ist, dann könne man ja auch über Bewährung nachdenken. So – stark gerafft – ihre Meinung.
Das Gericht sah es dann glücklicherweise deutlich anders. „Wir können den Angeklagten nicht bloß deshalb einsperren, weil er nichts über den Verbleib der Beute sagt, wenn er diese denn noch hat“, hörten wir richtigerweise im Urteil. So was wie eine Erzwingungshaft zu verhängen, sei nicht ihre Aufgabe. Siehe auch das Gesetz, das so was schlicht nicht vorsieht.
Im übrigen, so die Richterin, stelle sich dann ja auch die Frage, wie lange man jemanden aus so einem Grund einsperren kann. Ein Jahr? Zwei, drei – oder gleich lebenslang. Es sei nun mal so, dass zum Beispiel Bankräuber ihre Haft absitzen – und dann munter die damalige Beute irgendwo ausgraben.
Diese nüchterne Sicht der Dinge war nicht nur angenehm, sondern auch wohltuend für den Mandanten. Während die Staatsanwaltschaft ihn ziemlich lange hinter Gitter sehen wollte, wurde die Verhängung einer Jugendstrafe lediglich vorbehalten. Das ist eine spezielle Form der Bewährung. Für das milde Urteil gab es natürlich viele andere gute Gründe, insbesondere eine extrem verkorkste familiäre Situation.
Falls mein Mandant doch noch was von dem Geld hat – was ich nicht weiß – sollte er aber auf jeden Fall die Finger davon lassen. Die vom Ergebnis der Verhandlung mutmaßlich etwas verschnupfte Staatsanwaltschaft wird sicher dafür sorgen, dass die Kripo ihn in nächster Zukunft fest im Blick behält.