Wer zahlt den Hausmeisternotdienst?

Wohnungsmieter müssen meist die Hausmeisterkosten tragen. Wie weit die Verpflichtung allerdings wirklich reicht, musste jetzt der Bundesgerichtshof klären. Die Mieter im entschiedenen Fall sollten nämlich auch eine „Notdienstpauschale“ dafür zahlen, dass der Hausmeister außerhalb der normalen Bürozeiten Schadensmeldungen entgegennimmt und eventuell Fachfirmen beauftragt.

Dafür bekam der Hausmeister insgesamt 1.199,52 € extra pro Jahr. Der betroffene Wohnungsmieter sollte davon 102,84 € tragen. Dazu ist er aber nicht verpflichtet, urteilt der Bundesgerichtshof. Der Notdienst beziehe sich an sich auf normale Verwaltungstätigkeiten. Was sich schon daran zeige, dass während der normalen Öffnungszeiten Schadensmeldungen regelmäßig an die Verwaltung gehen – ohne dass diese den zusätzlichen Aufwand berechnen darf.

Der Notdienst sei damit insgesamt eher der Sphäre des Hauseigentümers zuzuordnen und somit nicht umlagefähig. Diese Klarstellung des Bundesgerichtshofs könnte für viele Mieter bares Geld bedeuten. Sehr viele Gerichte haben in der Vergangenheit nämlich anders entschieden und die Kosten für den Hausmeisternotdienst als umlagefähig angesehen. Das wird nach der Grundsatzentscheidung nicht mehr möglich sein (Aktenzeichen VIII ZR 62/19).

Haftstrafen für Hanfblütentee

Zwischen 10 und 17 Prozent beträgt der THC-Gehalt bei „normalen“ Gras. Auch weniger ist sicher ausreichend für ein gewisses Rauscherlebnis – aber 0,2 Prozent? Das ungefähr war der Wirkstoffanteil bei einem „Hanfblütentee“, den die Hanfbar in Braunschweig wohl rege verkaufte. Das brachte die Betreiber nun auf die Anklagebank.

Der Hanfblütentee wurde aus unverarbeiteten Cannabisblüten und -blättern gewonnen. Diese bezogen die Geschäftsleute aus dem Ausland und gingen wohl davon aus, dass sie sich auf eine Ausnahmevorschrift im Betäubungsmittelgesetz berufen können. Danach fällt Cannabis nicht unter das Betäubungsmittelgesetz, wenn der THC-Gehalt unter 0,2 Prozent liegt. Aber das ist nur die eine Voraussetzung. Zudem dürfen nur „gewerbliche oder wissenschaftliche Zwecke“ verfolgt werden und ein Missbrauch zu Rauschzwecken muss ausgeschlossen sein.

Den Begriff der Gewerblichkeit legt das Landgericht Braunschweig eng aus. Damit sei nur ein Verkauf an andere Gewerbetreibende zulässig, etwa an die Hersteller von Textilien. Nicht jedoch der Verkauf an Endverbraucher. Außerdem stützt sich das Gericht auf zwei Gutachten, die eine gewisse Gefährdung durch den Hanfblütentee nicht ausschließen wollten.

Auch wenn insgesamt nur wenige Gramm THC in den Verkehr gelangten, erhielten die Betreiber der Hanfbar Haftstrafen – neun Monate und sieben Monate. Immerhin auf Bewährung (Aktenzeichen 4 KLs 5/19).

Hundegebell – rund um die Uhr

Auch Hundegebell ist Lärm und kann dazu führen, dass die Ordnungsbehörden einschreiten. Wie im Fall eines Tierhalters, der sechs oder auch mal mehr Hunde auf seinem Grundstück hielt. Die Tiere kläfften praktisch rund um die Uhr so laut, dass die Behörde ein totales Bellverbot verhängte, und zwar für die Zeit von 22 bis 6 und zwischen 13 und 15 Uhr. Außerdem durfte das Bellen auch zu anderen Zeiten nur maximal 60 Minuten dauern. Zu Recht, urteilt das Verwaltungsgericht Trier.

Das Gericht sieht in dem fortdauernden Hundelärm eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Ruhemöglichkeiten der Nachbarn würden beeinträchtigt, das könne auch zu gesundheitlichen Problemen führen. Gelegentliches Bellen einzelner Hunde sei zwar sozial üblich, nicht aber eine Lärmbeeinträchtigung durch etliche Hunde praktisch rund um die Uhr.

Der Hundehalter könne selbst entscheiden, wie er den Lärm durch seine Tiere abstellt. Im entschiedenen Fall war es ihm wohl möglich, die Tiere woanders unterzubringen (Aktenzeichen 8 L 111/20.TR).

Harte Strafe, milde Strafe

Zwei Juristen, drei Meinungen. An diese tiefere Erkenntnis musste ich gleich denken, als das Urteil eines Landgerichts auf den Tisch bekam.

Der Mandant hatte sich angeblich zahlreiche Kredite erschwindelt, darunter von engen Freunden. Bei der Strafzumessung wertete es das Gericht ausdrücklich als strafschärfend, „dass der Angeklagte … freundschaftliche Beziehungen ausgenutzt hat“. Ich dagegen hatte die Sache schon in meinem Plädoyer ganz anders gesehen. Denn das Näheverhältnis machte es meinem Mandanten doch eher leichter, an das Geld zu kommen. Von daher war ich der Meinung, deswegen müsse die Strafe gemildert werden.

Also schon mal zwei Meinungen. Wobei es mich überraschte, dass das Landgericht in seinem Urteil tatsächlich nur den zitierten Satz fand, um die strafschärfende Wirkung auch zu „begründen“. Den Richtern hätte ja klar sein müssen, dass ich diese dürftige Ausführung in der Revision hinterfrage. So kam es auch, und nun liefert das Oberlandesgericht Hamm in seinem Beschluss folgende Gebrauchsanweisung:

Bei Straftaten, bei denen der Täter das ihm von dem Opfer entgegengebrachte Vertrauen missbraucht, kann die Tat einerseits als besonders verwerflich und eine Strafschärfung angezeigt erscheinen lassen. Andererseits kann der Umstand, dass eine Vertrauensseligkeit des Opfers die Tat erleichtert hat, Anlass dafür sein, die Tat milder zu beurteilen, namentlich, wenn den Täter eine günstige Gelegenheit, die nicht auf ihn zurückgeht, zur Tat verleitet hat.

Nahe Beziehungen zum Opfer sind für den Täter daher nicht stets belastend, sondern können sich ebenso strafmildernd auswirken. In jedem Fall ist es … notwendig, nicht nur Feststellungen zu der jeweiligen Beziehung zu treffen, sondern insbesondere auch dazu, dass diese konkrete Beziehung von dem Angeklagten bei der Tatbegehung ausgenutzt wurde.

Genau zu diesen Punkten sagt das Urteil aber kein Wort. Das wäre sozusagen schon ein Selbstläufer für die Revision gewesen. Allerdings sind die Anmerkungen des Gerichts wohl eher als eine Leitlinie für die Neuverhandlung gedacht. Aufgehoben wurde das Urteil schon aus anderen, ebenfalls reichlich bizarren Gründen. Aber dazu vielleicht ein anderes Mal.

Absperrkette muss auch nachts erkennbar sein

In sicherlich jeder Stadt gibt es Absperrketten am Straßenrand, meist in dezenter, auch durch Abgase und Dreck geförderter Grautönung. Seit jeher sind diese Ketten eine beliebte Falle für Radfahrer und Fußgänger. Jetzt beschäftigte sich das Landgericht Nürnberg-Fürth mit einem Unfall an einer solchen Kette. Ergebnis: Graue Ketten gehen gar nicht, diese müssen vielmehr andersfarbig sein und sich dadurch deutlich vom Straßenbelag abheben.

Geklagt hatte ein Achtjähriger, der bei Dunkelheit über die Straße laufen wollte, weil sein Vater auf der gegenüberliegenden Seite einen Parkplatz suchte. Der Junge schaute noch, dass kein Auto kommt. Dann rannte er aber mit voller Wucht in die Kette, stürzte und verletzte sich schwer. Von der Stadt verlangte er Schmerzensgeld.

Bei einem Ortstermin stellten die Richter fest, dass sich die graue Kette bei Dunkelheit nur schwer vom ebenfalls grauen Straßenbelag abhebt. Damit verletze die Stadt ihre Verkehrssicherungspflicht, denn sie müsse dafür sorgen, dass die Sperrung des Überwegs deutlich erkennbar ist. Allerdings erkennen die Richter ein Mitverschulden des Kindes von 50 %, weil es schlicht zu schnell gerannt sei. Der Vater habe den Jungen aber nicht an die Hand nehmen müssen. Achtjährige müssten nämlich in Richtung Selbständigkeit erzogen werden (Aktenzeichen 4 O 662/19).

Zu Unrecht abgebügelt

Die noch recht neuen Radarfallen in kleinen Anhängern (Enforcement Trailer) sind überall ein Thema – sogar für Verfassungsgerichte. Nun musste sich das Landesverfassungsgericht Rheinland-Pfalz mit der Frage auseinandersetzen, ob der Betroffene einer Tempomessung mit seinem Akteneinsichtsgesuch einfach so abgebügelt werden darf.

Sowohl das Amts- als auch das Oberlandesgericht hatten den Wunsch des Betroffenen abgelehnt, Einsicht in die Messdaten, die Auf- und Einbauvorschriften des Trailers und weitere Unterlagen zu erhalten. Das Oberlandesgericht Koblenz lehnte es ab, sich mit den Fragen überhaupt zu beschäftigen. Sämtliche Fragen zu dem Thema seien geklärt.

So geht es nicht, meint der Verfassungsgerichtshof. Der Betroffene habe zutreffend darauf hingewiesen, dass Oberlandesgerichte in anderen Bundesländern und auch zum Beispiel das Landesverfassungsgericht in Saarbrücken mehr Rechte einräumen. Wegen dieser anderslautenden Rechtsprechung hätte sich das Oberlandesgericht mit der Sache befassen und gegebenenfalls auch eine Prüfung durch den Bundesgerichtshof veranlassen müssen.

Ob mit der nun anstehenden Neuentscheidung viel für Betroffene herauskommt, steht auf einem anderen Blatt. Die Richter in Rheinland-Pfalz betonen nämlich, im Bußgeldverfahren seien weitgehende Akteneinsichts- und Auskunftsrechte keinesfalls zwingend. Vielmehr müsse auch das Interesse an einer „funktionierenden Rechtspflege“ beachtet werden. Den Geichten darf deshalb offenbar nicht zu viel Arbeit zugemutet werden (Aktenzeichen VGH B 19/19).

Alles Ziffer 1

Ein Urteil mit der Revision erfolgreich anfechten. Häufig hat das was von einem Glücksspiel – auch wenn du dir als Anwalt noch so viel Mühe gibst.

Aber es gibt auch Revisionen, bei denen es schon eine Überraschung wäre, wenn ihnen der Erfolg versagt bleibt. Wie bei unserer Argumentation gegen das Berufungsurteil einer Strafkammer, welches sich folgendermaßen präsentierte:

Wie unschwer zu erkennen, unterlief dem Gericht bei der Nummerierung der verhängten Einzelstrafen ein Fauxpas. Dieser ist allerdings schon deswegen nicht lässlich, weil hier der sogenannte Tenor des Urteils betroffen ist. Das ist der Teil des Urteils, welcher die konkreten Rechtsfolgen anordnet und der später formale Grundlage der Strafvollstreckung ist.

Auch wenn man natürlich mutmaßen kann, dass die Richterin die Strafen in der von der Anklage vorgegebenen Reihenfolge aburteilen wollte, bleibt doch Unsicherheit. Zum Beispiel dadurch, dass sie sich ja doppelt vertan haben könnte und die Einzelstrafen auch noch miteinander vermengt hat. So sah sich das Oberlandesgericht – völlig zu Recht – außerstande, die verhängten Einzelstrafen mit der nötigen Sicherheit zu überpüfen.

Die Sache muss nun neu verhandelt werden. Was insbesondere den Mandanten freut, denn die Ehrenrunde wird noch einige Zeit auf sich warten lassen. Und Verzögerungen im Verfahren müssen strafmildernd berücksichtigt werden…

Ab heute frei Parken in Frankfurt – und anderswo

Frei Parken in Frankfurt – seit heute ist das gar nicht weit hergeholt. Das Oberlandesgericht erklärt nämlich die Praxis der Stadt Frankfurt für unrechtmäßig, dass von privaten Firmen überlassene Leiharbeitskräfte (in Uniform) den ruhenden Verkehr überwachen. Es handele sich bei der Ahndung von Parkverstößen um eine hoheitliche Aufgabe, so das Gericht. Diese Aufgabe dürfe nicht von Privatfirmen übernommen werden – auch die Bezeichnung der Mitarbeiter als „Stadtpolizisten“ ändere hieran nichts.

Auslöser für den sicherlich wegweisenden Richterspruch war ein Knöllchen wegen unerlaubten Parkens. 15 Euro sollte ein Autofahrer zahlen, was er verweigerte. Die Richter am Oberlandesgericht suchten nach einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, welche die Übertragung hoheitlicher Aufgaben an private Firmen gestattet. Sie wurden nicht fündig und erklären die Praxis deshalb für rechtswidrig. Auch „Hilfspolizisten“, die das Gesetz vorsehe, müssten aus den Reihen der Stadtverwaltung kommen.

Die Kritik an der städtischen Praxis fällt recht deutlich aus. Frankfurt habe „die Verkehrsüberwachung den privaten Dienstleister im strafbewehrten Gewand einer Polizeiuniform durchführen“ lassen. Damit sei nach außen der „täuschende Schein der Rechtsstaatlichkeit“ aufgebaut worden, „um den Bürgern und Gerichten gegenüber den Eindruck polizeilicher Handlungen zu vermitteln“.

Mit der Entscheidung dürften zumindest alle noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Bußgeldverfahren auf der Kippe stehen (rund 700.000 Knöllchen sind es pro Jahr in Frankfurt). Nicht nur hessische Kommunen wird das Urteil aufscheuchen, auch in anderen Bundesländern sind die aufgeworfenen Fragen noch nicht höchstrichterlich geklärt. Jedenfalls weist das OLG darauf hin, keine einschlägigen Entscheidungen gefunden zu haben (Aktenzeichen 2 Ss-Owi 963/18).

Papier schützt nicht vor Psychiatrie

Eine Patientenverfügung schützt nicht davor, in die Psychiatrie eingewiesen zu werden – jedenfalls nicht sofern Dritte gefährdet sind. Gleiches gilt für eine medizinisch notwendige Zwangsbehandlung mit Medikamenten, so das Landgericht Osnabrück in einem aktuellen Beschluss.

Ein Betroffener war wegen sexuell aggressiven Verhaltens eingewiesen und gegen seinen Willen medikamentös behandelt worden. Er wehrte sich dagegen mit dem Hinweis, eine im Internet erhältliche Patientenverfügung („Für Freiheit, gegen Zwang“) unterzeichnet zu haben. Darin wird jede „jede Zwangsbehandlung egal mit welchen als Medikamenten bezeichneten Stoffen“ strikt abgelehnt.

Nach Auffassung des Gerichts müssen staatliche Stellen zwar den Willen des Einzelnen berücksichtigen. Aber nur so weit, wie Rechte anderer nicht berührt würden. In diesem Fall müsse abgewogen werden, wessen Rechte schwerer wiegen. Nach Auffassung des Gerichts geht von dem Betroffenen eine konkrete Gefahr aus. Dieser Gefahr müsse notfalls auch gegen seinen erklärten Willen begegnet werden. Das von ihm unterzeichnete Papier ändere daran nichts (Aktenzeichen 4 T 8/20; 4 T 9/20; 4 T 10/20).

Dämpfer für Speicherfreunde

Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof hält eine allgemeine Vorratsdatenspeicherung nach wie vor für unzulässig. In Verfahren vor dem EuGH geht es derzeit um weitgehende Regelungen aus Frankreich, Großbritannien und Belgien, die im wesentlichen mit der Terrorismusbekämpfung begründet werden und die eine anlasslose Datenspeicherung gestatten.

Der Generalanwalt hält lediglich eine „begrenzte und differenzierte Speicherung“ von Daten für zulässig, die im konkreten Fall wirklich benötigt werden. Außerdem fordert er eine weitgehende gerichtliche Kontrolle sowie die Information der Betroffenen. Nur in Fällen eines tatsächlichen Notstandes seien weitergehende, allgemeine Speicherungen denkbar.

Diese Auffassung liegt auf einer Linie mit einer Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs von 2016, die auch in Deutschland dazu geführt hat, dass die Vorratsdatenspeicherung auf Eis liegt. Trotz dieser Rechtsprechung hat die EU-Kommission derzeit aber einen Arbeitsauftrag, eine EU-weite Regelung auszuarbeiten. Konkrete Ergebnisse liegen noch nicht vor (Aktenzeichen C-623/17, C-511/18, C-512/18 und C-520/18).

Ein neues Level der Polizeiarbeit

Die PR-Abteilungen der Polizeibehörden sind in den letzten Jahren ja enorm gewachsen. Anscheinend steigt ihre vermeintliche Bedeutung den Social-Media-Machern und PR-Strategen mancher Dienststellen so zu Kopf, dass sie gar nicht mehr wissen, was eigentlich ihre Aufgabe ist. Hier ein aktuelles Beispiel aus Hessen.

Dort fahndet die Polizei öffentlich nach Männern, die bei Unglücksfällen nicht nur keine Erste Hilfe geleistet haben sollen (Bericht der hessenschau). Sie stehen auch im Verdacht, die Unglücke gefilmt und die Aufnahmen veröffentlicht zu haben. Sicher keine schönen Sachen. Allerdings könnte man sich an dieser Stelle fragen, ob das schon „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ sind, wie sie § 131b StPO für eine Öffentlichkeitsfahndung zur Voraussetzung macht.

Aber wozu fragen – wenn es doch um ganz andere Dinge geht. „Wir drehen den Spieß einfach um“, erzählt ein Polizeisprecher stolz dem Hessischen Rundfunk. Wie zuvor die gefilmten Opfer würden jetzt die Täter den neugierigen Blicken der Öffentlichkeit ausgesetzt. Damit, so der Bericht, werde der Kampf gegen Gaffer „auf ein neues Level“ gehoben.

Die Polizei, dein Freund und Helfer. Seit Neuestem also auch zuständig für eine Bestrafung, lange bevor sich ein Gericht mit der Sache beschäftigt hat. Die Methode: publizistisch unterstützte Existenzvernichtung durch eine Polizeibehörde. Ihr könnt noch so lange in der Strafprozessordnung blättern, eine rechtliche Grundlage für so ein Vorgehen gibt es nicht. Mit anderen Worten: Die Beamten, die sich das – oder zumindest die öffentliche Rechtfertigung ihrer Maßnahmen – ausgedacht haben, sollten erst mal verstärkt an ihrem eigenen Rechtsverständnis arbeiten – und sich weniger im Lichte ihrer sicherlich zahlreichen Facebook-Claqueure sonnen.

Raus aus dem Fitnessvertrag

Ihr gehört vielleicht auch zu jenen, die mit dem Abschluss eines Fitness-Vertrags ins neue Jahr gestartet sind. Von wegen gute Vorsätze und so. So schnell die Mitgliedschaft in einem Fitnessclub zustande kommt, so schwer ist es mitunter wieder rauszukommen – jedenfalls vor Ablauf der regulären Kündigungsfrist.

Zu den beliebtesten Gründen für eine vorzeitige Auflösung gehört sicher der Umzug, sofern er beruflich bedingt ist. Lässt sich ein Umzug aber nicht belegen, bleiben oft nur noch gesundheitliche Gründe; diese können ebenfalls eine Kündigungsfrist aushebeln (§ 314 BGB).

Allerdings reicht es letztlich nicht aus, wenn ein Attest „gesundheitliche Gründe“ bescheinigt. So hat es jetzt das Amtsgericht Frankfurt entschieden. Der Betreiber eines Sportstudios wollte rund 1.500,00 Euro rückständiger Beiträge von einem Kunden haben. Das besagte Attest wollte er nicht akzeptieren.

Dabei reicht ein Attest, das „gesundheitliche Gründe“ bescheinigt, nach Auffassung des Gerichts zwar grundsätzlich aus. Was die positive Folge hat, dass der Kunde dem Sportstudio nicht unbedingt seine Krankheitsgeschichte offenbaren muss. Allerdings, so das Gericht, bestehe im späteren Gerichtsprozess eine Pflicht des Kunden, das Gericht zu überzeugen, dass die gesundheitlichen Gründen wirklich vorliegen.

Genau das hatte der Kunde versäumt. Er berief sich darauf, das Gericht möge selbst beim Arzt nachfragen, wenn es an den Angaben zweifelt. Hierfür sah das Gericht aber wiederum keine Notwendigkeit. Wer also abstrakt gesundheitliche Gründe geltend macht, sollte dies nicht nur belegen können, sondern es auch tatsächilich tun (Aktenzeichen 31 C 2619/19).

Promiflash

Verfahren mit mehreren Angeklagten und (vielen) Anwälten bringen Gerichte mitunter an Grenzen. Räumliche. In einem Verfahren hat sich jetzt eine besondere Sitzordnung ergeben.

Mein Mandant, die Mitverteidigerin und ich sitzen den anderen Angeklagten gegenüber, an der Fensterseite. Die Fensterseite teilen wir mit dem Staatsanwalt. Uns hat man sozusagen in zweiter Reihe davor drapiert. Mit der reichlich merkwürdigen Folge, dass ich sozusagen meinen Gegner im Rücken habe.

Das Ganze ist auch deswegen etwas schwierig, weil der Vertreter der Anklage eigentlich ständig beobachten kann, was ich an meinem Rechner mache. Insbesondere was ich zum Prozessverlauf notiere, welche Dokumente ich aufrufe. Und natürlich auch, was ich sonst so online treibe.

Na ja, ich habe zum Test mal 45 Minuten durch Promiflash geklickt. Der Staatsanwalt hat sich nichts anmerken lassen. Mangels Lach-Flash seinerseits beschränke mich somit darauf, in kritischen Fällen, zum Beispiel der Lektüre von E-Mails meiner Mandanten, einen breiten Rücken zu machen.

Nicht wecken

Es ging mal wieder um kleinere Mengen an Betäubungsmitteln, welche den Besitzer gewechselt hatten. Im Zeugenstand saß eine junge Frau, die bei meinem Mandanten im Jahr 2016 was gekauft haben soll.

Sie stellte sich brav vor, nannte als Arbeitgeber den „öffentlichen Dienst“. Und war sich sichtlich unsicher, wie sie auf die Frage der Richterin antworten sollte, ob sie denn heute was sagen möchte. Das müsse sie nämlich nicht, so die Richterin. Stichwort: keine Pflicht zur Selbstbelastung – jedenfalls sofern das Verfahren gegen die Zeugin nicht schon rechtskräftig abgeschlossen ist.

Ob da schon was zu Ende ist, war allerdings die Frage. Denn die Zeugin hatte nach eigenen Angaben noch rein gar nichts davon gehört, dass eventuell gegen sie ermittelt wird bzw. wurde. Also kein Anhörungsbogen von der Kripo, auch ansonsten keine Post. Selbst die Richterin signalisierte der Zeugin, dass sie gerade in dieser Situation heute doch besser einfach mal schweigen sollte. Wenn sich die Zeugin Sorgen mache, könne sie ja mal bei der Staatsanwaltschaft anrufen und sich nach dem Stand Verfahrens erkundigen. Die Richterin schrieb ihr sogar noch das Aktenzeichen unseres Verfahrens auf.

Ich erlaubte mir da doch den Hinweis auf die schlafenden Hunde, die man in der Regel besser nicht wecken sollte. Ich glaube, die Botschaft kam bei der Zeugin an.