Es wäre ja doch etwas hoch gegriffen, wenn ich behaupten würde, ich könnte jeden Mandanten vor dem Knast bewahren. Ist natürlich nicht der Fall. Von daher war es jetzt auch nichts Ungewöhnliches, dass mich der Hilferuf der Eltern eines früheren Mandanten erreichte.
Ihr Sohn sitzt derzeit seine Haftstrafe ab, gut anderthalb Jahre hat er schon geschafft. Aber irgendwie scheint es jetzt Vollzugsprobleme zu geben, deshalb sollte ich ihren Sohn unbedingt mal aufsuchen. Das habe ich heute auch gemacht. Weit gekommen bin ich allerdings nicht.
Am Besucherschalter erfuhr ich, dass der Mandant nicht mit mir sprechen möchte. Der freundliche Beamte ließ sogar noch mal auf der Abteilung nachhhören. Aber dort hieß es klipp und klar: Herr M. möchte nicht mit dem Anwalt reden. An freier Zeit dürfte es ja kaum liegen. Aber gut, ich kann mich einem erwachsenen Mann nicht aufdrängen. Vielleicht hat Herr M. ja mittlerweile auch einen anderen Anwalt beauftragt und legt deshalb momentan keinen Wert auf meine Unterstützung. Aber davon wussten die Eltern nichts. Auch im Register der JVA ist kein neuer Anwalt eingetragen, wie ich in Erfahrung bringen konnte.
Ich habe Herrn M. einen Brief geschrieben mit einem kleinen Formular, das er, sollte er seine Meinung ändern, nur an mich zurücksenden muss. Freiumschlag liegt auch bei. Vielleicht hatte Herr M. auch nur einen schlechten Tag, dann fahre ich halt noch mal hin. Ansonsten muss ich mich jetzt auch nicht sonderlich grämen. Denn immerhin habe ich die Vorkasse für den Besuch nicht vergessen.