Mir ist gerade ein bisschen schwindelig. Mein Mandant ist jetzt seit mehr als zehn Jahren in einer forensischen Klinik untergebracht. Es geht um Sexualstraftaten, und bisher waren sich die regelmäßig eingesetzten Gutachter einig. Ich kann jetzt natürlich keine Details sagen, aber es lief im Ergebnis darauf hinaus, dass mein Mandant von seiner sexuellen Orientierung her eine tiefgreifende psychische Störung hat, die seine Unterbringung rechtfertigt.
Nun hat mal ein anderer Sachverständiger die Sache überprüft, um für das Gericht eine Grundlage für die turnusgemäße Entscheidung über den weiteren Unterbringungsbedarf zu liefern. Der Gutachter sagt nun: alles Quatsch, die tiefgreifende Störung liegt nicht vor. Mein Mandant leide nur an einem ausgeprägten Narzissmus. Der sei aber nicht pathologisch und somit keine Rechtfertigung für eine Unterbringung. Die Klinik hat in weiteren Stellungnahmen mittlerweile eingeräumt, dass die bisherige Diagnose so wohl nicht richtig ist.
In Fachkreisen nennt man so was Fehleinweisung.
In Kürze wird mein Mandant angehört. Das Gericht hat auch den neuen Sachverständigen geladen. Ich bin mir sicher, es ist eine lebhafte Diskussion zu erwarten. Das alles hört sich auch erst mal sehr positiv für den Mandanten an. Doch bei näherem Hinsehen fürchte ich, dass sich die Diskussion womöglich sehr schnell auf eine ganz kritische Frage verlagert. Ich rede von der nachträglichen Sicherungsverwahrung (§ 66b StGB), eine der aus Sicht von Betroffenen eher unerfreulichen Regelungen, die im Wege der „Reform“ der Sicherungsverwahrung Gesetz geworden sind.
Man kann da leicht mit Zitronen handeln…