Heute sollte in Berlin der Prozess im Fall Georgine K. beginnen (Bericht). Die 14-Jährige ist seit September 2006 verschwunden. Nun ist ein heute 44 Jahre alter Mann angeklagt, den die Strafverfolger für den Mörder des Mädchens halten.
Allerdings dauerte der erste Verhandlungstag nur wenige Minuten. Die Verteidiger rügten erfolgreich einen Verfahrensfehler der Art, der für ein Schwurgericht doch etwas peinlich sein sollte. Das Gericht hatte den Angeklagten und seine Anwälte nämlich erst am Vortag darüber informiert, wie das Gericht besetzt ist, insbesondere wer die ehrenamtlichen Richter (Schöffen) sind.
Erfolgt die Information über die Gerichtsbesetzung nicht mindestens eine Woche vor der Verhandlung, können die Verteidiger, aber auch die Staatsanwaltschaft eine Unterbrechung verlangen (§ 222a StPO). Was in diesem Fall auch prompt passierte, und zwar durch die Verteidiger.
Was erst mal nach Verzögerungstaktik klingt, hat einen nachvollziehbaren Hintergrund. Denn für einen Angeklagten ist es „lebensnotwendig“ zu wissen, wer da über ihn zu Gericht sitzt. Zum Beispiel muss der Angeklagte prüfen können, ob einer der Richter möglicherweise befangen ist. Facebook ist in bei dieser Recherche mittlerweile der beste Freund des Anwalts. Und ich kann euch sagen, man erlebt da wirklich mitunter handfeste Überraschungen. Letztes Jahr habe ich etwa einen Schöffen erfolgreich wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, der sich schon jahrelang ausländerfeindlich in sozialen Medien geäußert hat. Er war sicher nicht der berufene Mann, um über meinen Mandanten mit Migrationshintergrund „im Namen des Volkes“ zu urteilen.
Etwas komplizierter ist die Prüfung, ob die betreffenden Richter korrekt ausgewählt worden sind. Das kann für den Anwalt bedeuten, dass er sich durch die gesamten Unterlagen der Schöffenwahlen wühlt und überdies schaut, ob ein möglicherweise wirksam gewählter Schöffe tatsächlich auch derjenige ist, der als „gesetzlicher“ Richter für dieses Verfahren einzuteilen war.
Am häufigsten ist die Konstellation, dass ursprünglich zuständige Schöffen ihren Dienst abgesagt haben. Etwa wegen eines längeren Urlaubs, Krankheit oder zu starker Belastung im Beruf. Die Gründe kann man oft sehr gut hinterfragen und so bezweifeln, dass die an ihre Stelle getretenen Richter korrekt ausgewählt sind.
Sogar bei den hauptamtlichen Richtern finden sich mitunter Ansatzpunkte. Wenn die Strafkammer zum Beispiel aus mehr als drei Richtern besteht, was häufig vorkommt, muss es einen kammerinternen Verteilungsplan geben, welche zwei bzw. drei Richter wann für welchen Fall zuständig sind. Auch da kann man dann mitunter Überraschungen erleben, nämlich wenn sich der Vorsitzende entgegen dem eigenen Plan seine Wunschbesetzung für diesen Fall dann doch zusammengewürfelt hat.
All diese Prüfungen kosten natürlich Zeit, so dass nach der Rechtsprechung die Hauptverhandlung mindestens für eine Woche pausieren muss. Dementsprechend hat das Gericht heute auch reagiert; erst nächste Woche wird weiterverhandelt.