Mit so viel Glück, wie es der Angeklagte in einer Strafsache hatte, könnte man durchaus auch mal Lotto spielen. Die Aussichten auf einen Riesengewinn wären sicherlich nicht schlecht.
Dabei hat sich der Angeklagte zunächst nicht sonderlich schlau verhalten. Ich spreche hier ausdrücklich nicht von meinem Mandanten, weil er es nicht ist. Ich habe von dem Fall nur im Rahmen eines anderen Verfahrens erfahren, in dem ich Akteneinsicht hatte.
Doch zurück zum Angeklagten. Der hatte schon mal einen Riesendusel, dass er trotz des Vorwurfs eines stattlichen Verbrechens nicht ins Gefängnis musste. Vielmehr fand sich ein milde gestimmter Ermittlungsrichter, der den Haftbefehl zwar erließ, aber sofort wieder außer Vollzug setzte. Gegen Auflagen. Eine davon: Der Angeklagte musste sich auf der für ihn zuständigen Polizeiwache melden, und zwar drei Mal wöchentlich.
Hat er genau zwei Mal gemacht, dann wurde er nicht mehr gesehen. Das fiel bei der Polizei natürlich auf, die das dem Gericht mitteilte. Der Richter setzte den Haftbefehl wieder in Vollzug, aber passiert ist – nichts. Insbesondere wurde der Angeklagte nicht zur Fahndung ausgeschrieben, dementsprechend hat sich auch kein Polizeibeamter bemüßigt gefühlt, ihn festzusetzen.
Fehler passieren überall. Was mich aber doch wunderte ist der Umstand, dass die (erst mal) „kleine“ Unterlassung in der Folgezeit niemandem auffiel. Der nun zuständige Strafrichter ließ die hereingekommene Anklage zur Hauptverhandlung zu, verschickte Ladungen an Zeugen und Beteiligte. Das heißt, er sah die Akte diverse Male. Seine Geschäftsstelle und mutmaßlich auch die Staatsanwaltschaft auch. Aber niemand merkte, dass der Haftbefehl zwar wieder wirksam war, dieser Beschluss aber nicht umgesetzt wurde.
Erst bei der unmittelbaren Vorbereitung der Hauptverhandlung ging dem Richter dann wohl ein Licht auf. Jedenfalls empfing er den Angeklagten, der immerhin freiwillig erschien, mit der Nachricht, dass der Haftbefehl wieder in Kraft ist und er deshalb die Verhandlungspausen im Gerichtsgefängnis verbringen muss.
Aber selbst da war dem Angeklagten das Glück am Ende hold. Er bekam Bewährung, so dass der Haftbefehl schon mit der Urteilsverkündung wieder Geschichte war. Der Verteidiger des Angeklagten hat übrigens sehr geschickt an der Sache mitgewirkt. Er dürfte bei einer seiner Akteneinsichten sehr wohl gesehen haben, dass sein Mandant eigentlich in Haft sein müsste. Aber da schaute er geflissentlch weg, wie das seiner Rolle als Interessenvertreter des Angeklagten entspricht.
Wie gesagt, der frühere Angeklagte sollte einen Lottoschein ausfüllen…