Gastbeitrag von Dr. André Bohn, Rechtsanwalt
Auf dem Weg zum Bahnhof kam mir heute Morgen ein Jugendlicher entgegen. Er hatte irgendetwas zum Rauchen in der Hand. Die Art und Weise, wie er gezogen hat, ließ mich vermuten, dass es sich um einen Joint handelte. Als er an mir vorüber gegangen war, nahm ich dann auch tatsächlich eine Marihuana-Wolke wahr. Ansonsten waren keine weiteren Personen in der Nähe.
Als Jurist*in ist man ja darauf trainiert, Sachverhalte (auch unbewusst) sofort juristisch zu würdigen. Dass gegen den Jugendlichen ein Tatverdacht wegen Besitzes von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG vorliegt, ist relativ eindeutig. Auch wenn der Konsum an sich nicht strafbar ist, bestehen in der geschilderten Situation durchaus Anhaltspunkte dafür, dass der Jugendliche auch im Besitz des Joints war, weil keine andere Person zugegen war und er den Eindruck erweckte, als würde ihm der Joint „gehören“ und er ihn auch alleine rauchen wollte.
Mir kam aber die Frage in den Sinn, wie das eigentlich mit dem Festnahmerecht nach § 127 Abs. 1 S. 1 StPO aussieht. Nach dieser Vorschrift ist, wenn jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen.
Nicht, dass ich vorhabe, mir auf diesem Wege Mandanten zu akquirieren, aber es soll ja in Deutschland auch Personen geben, die Falschparker aufschreiben und der Polizei melden. Diese Personen wären sicherlich auch geneigt, in der geschilderten Situation vom Jedermann-Festnahmerecht Gebrauch zu machen.
Die Voraussetzungen des § 127 Abs. 1 S. 1 StPO liegen hier jedenfalls vor: Der Konsument wird auch frischer Tat betroffen. Insbesondere nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht im Rahmen des § 127 Abs. 1 StPO ein Tatverdacht; eine tatsächlich begangene Tat muss nicht vorliegen.
Jedermann wäre also in dieser Situation befugt, die betreffende Person festzuhalten und die Polizei zu verständigen. Ich kenne keine solchen Fall; es wäre aber mal interessant zu sehen, wie die Polizei auf eine entsprechende Meldung reagiert. Nach dem Legalitätsprinzip wäre sie ja eigentlich zum Einschreiten verpflichtet. Andererseits werden entsprechende Verfahren von der Staatsanwaltschaft bei geringen Mengen in aller Regel eingestellt.
Wer sich gelegentlich in der Öffentlichkeit gerne mal einen Joint genehmigt, sollte das aber doch besser nicht allzu demonstrativ machen.