Wenig sagen, viel sparen

Vor einiger Zeit bat mich ein Anwaltskollege um Unterstützung. Er hatte ein Ermittlungsverfahren am Hals, es geht um eine unerfreuliche Geschichte im Straßenverkehr. Als ich ihm den Entwurf der Verteidigungsschrift zuschickte, fragte der Kollege am Telefon, ob es denn vielleicht Sinn machen würde, auch mal seinen Beruf zu erwähnen.

Ich habe ihm abgeraten, weil es Orte gibt, an denen man besser keine unnötigen Dinge über sich erzählt. Dazu gehört die Justiz, dazu gehört insbesondere das Strafbefehlsverfahren. Denn nun passierte genau das, was abzusehen war. Das Amtsgericht hat gegen meinen Mandanten einen Strafbefehl erlassen.

Gegen 80 Tagessätze als Geldstrafe ist nichts zu sagen. Noch weniger aber gegen die vom Gericht festgelegte Höhe der Tagessätze: Auf 30,00 € soll sich ein Tagessatz belaufen. Was nichts anderes bedeutet, als das man auf der anderen Seite offensichtlich das Einkommen meines Mandanten geschätzt hat. Das ist gesetzlich zulässig, und wenn man als Staatsanwalt oder Richter halt keine näheren Informationen hat, kommen am Ende oft Tagessätze in dieser Höhe raus.

Umgekehrt bedeutet das aber, dass die Höhe der Geldstrafe sich nun an einem monatlichen Nettoeinkommen von 900,00 € orientiert. Ich weiß zwar nicht genau, was ein Zivilrechtler mit etablierter Kanzlei in der Großstadt so am Monatsende übrig hat. Allerdings gehe ich stark davon aus, dass es mehr als 900,00 € sind.

Wenn ihr also mal Ärger mit der Polizei oder der Justiz habt, strunzt lieber nicht zu vorschnell mit Hinweisen auf den akademischen Grad, tolle Jobs, Doktortitel oder Facharztbezeichnungen. Wenn so etwas erst gar nicht in die Akte kommt, lässt sich am Ende womöglich ordentlich was sparen.

Der Angeklagte sollte Lotto spielen

Mit so viel Glück, wie es der Angeklagte in einer Strafsache hatte, könnte man durchaus auch mal Lotto spielen. Die Aussichten auf einen Riesengewinn wären sicherlich nicht schlecht.

Dabei hat sich der Angeklagte zunächst nicht sonderlich schlau verhalten. Ich spreche hier ausdrücklich nicht von meinem Mandanten, weil er es nicht ist. Ich habe von dem Fall nur im Rahmen eines anderen Verfahrens erfahren, in dem ich Akteneinsicht hatte.

Doch zurück zum Angeklagten. Der hatte schon mal einen Riesendusel, dass er trotz des Vorwurfs eines stattlichen Verbrechens nicht ins Gefängnis musste. Vielmehr fand sich ein milde gestimmter Ermittlungsrichter, der den Haftbefehl zwar erließ, aber sofort wieder außer Vollzug setzte. Gegen Auflagen. Eine davon: Der Angeklagte musste sich auf der für ihn zuständigen Polizeiwache melden, und zwar drei Mal wöchentlich.

Hat er genau zwei Mal gemacht, dann wurde er nicht mehr gesehen. Das fiel bei der Polizei natürlich auf, die das dem Gericht mitteilte. Der Richter setzte den Haftbefehl wieder in Vollzug, aber passiert ist – nichts. Insbesondere wurde der Angeklagte nicht zur Fahndung ausgeschrieben, dementsprechend hat sich auch kein Polizeibeamter bemüßigt gefühlt, ihn festzusetzen.

Fehler passieren überall. Was mich aber doch wunderte ist der Umstand, dass die (erst mal) „kleine“ Unterlassung in der Folgezeit niemandem auffiel. Der nun zuständige Strafrichter ließ die hereingekommene Anklage zur Hauptverhandlung zu, verschickte Ladungen an Zeugen und Beteiligte. Das heißt, er sah die Akte diverse Male. Seine Geschäftsstelle und mutmaßlich auch die Staatsanwaltschaft auch. Aber niemand merkte, dass der Haftbefehl zwar wieder wirksam war, dieser Beschluss aber nicht umgesetzt wurde.

Erst bei der unmittelbaren Vorbereitung der Hauptverhandlung ging dem Richter dann wohl ein Licht auf. Jedenfalls empfing er den Angeklagten, der immerhin freiwillig erschien, mit der Nachricht, dass der Haftbefehl wieder in Kraft ist und er deshalb die Verhandlungspausen im Gerichtsgefängnis verbringen muss.

Aber selbst da war dem Angeklagten das Glück am Ende hold. Er bekam Bewährung, so dass der Haftbefehl schon mit der Urteilsverkündung wieder Geschichte war. Der Verteidiger des Angeklagten hat übrigens sehr geschickt an der Sache mitgewirkt. Er dürfte bei einer seiner Akteneinsichten sehr wohl gesehen haben, dass sein Mandant eigentlich in Haft sein müsste. Aber da schaute er geflissentlch weg, wie das seiner Rolle als Interessenvertreter des Angeklagten entspricht.

Wie gesagt, der frühere Angeklagte sollte einen Lottoschein ausfüllen…

Champagner gehört einfach dazu

Das Problem mit Flugverspätungen kennen wir alle zur Genüge. Mitten in der Nacht aufgestanden, Kind und Kegel 3 Stunden vor Abflug zum Flughafen geschleppt und dann geht es einfach nicht los.

Da fängt der Urlaub ja direkt gut an. Zum Glück hat sich inzwischen der Ausgleichsanspruch nach der Fluggastrechteverordnung herum gesprochen. Je nach Entfernung zwischen Start- und Zielflughafen gibt es ab einer Verspätung von 3 Stunden 250 € bis 600 € Entschädigung.

Wenn der Flug sogar erst am nächsten Tag starten kann, haben die Passagiere einen Anspruch auf Erstattung der Hotel- und Restaurantkosten. Dabei zeigt sich das Amtsgericht Düsseldorf in einer aktuellen Entscheidung besonders großzügig, hatten die Kläger doch zu zweit eine stolze Rechnung von über 200€ produziert, davon knapp 50€ für alkoholische Getränke:

Es ist für das Amtsgericht Düsseldorf allgemein bekannt, dass zu einem gelungenen Essen nicht nur der Verzehr begleitender Biere und/oder Weine gehört, sondern darüber hinaus auch der Genuss von Champagner und Dessertwein, so dass sich auch diese Kosten als angemessen erweisen. Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist insoweit insbesondere zu berücksichtigen, dass gerade im Champagnersegment auch deutlich hochpreisigere Produkte angeboten werden. (AG Düsseldorf, Urteil vom 23. Mai 2019 – Aktenzeichen 27 C 257/18).

Dazu kann man dann nur noch eins sagen: Prost! Und natürlich: auf eine (hoffentlich) verspätete Reise…

RAin Jennifer Leopold

Nicht zu demonstrativ kiffen

Gastbeitrag von Dr. André Bohn, Rechtsanwalt

Auf dem Weg zum Bahnhof kam mir heute Morgen ein Jugendlicher entgegen. Er hatte irgendetwas zum Rauchen in der Hand. Die Art und Weise, wie er gezogen hat, ließ mich vermuten, dass es sich um einen Joint handelte. Als er an mir vorüber gegangen war, nahm ich dann auch tatsächlich eine Marihuana-Wolke wahr. Ansonsten waren keine weiteren Personen in der Nähe.

Als Jurist*in ist man ja darauf trainiert, Sachverhalte (auch unbewusst) sofort juristisch zu würdigen. Dass gegen den Jugendlichen ein Tatverdacht wegen Besitzes von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG vorliegt, ist relativ eindeutig. Auch wenn der Konsum an sich nicht strafbar ist, bestehen in der geschilderten Situation durchaus Anhaltspunkte dafür, dass der Jugendliche auch im Besitz des Joints war, weil keine andere Person zugegen war und er den Eindruck erweckte, als würde ihm der Joint „gehören“ und er ihn auch alleine rauchen wollte.

Mir kam aber die Frage in den Sinn, wie das eigentlich mit dem Festnahmerecht nach § 127 Abs. 1 S. 1 StPO aussieht. Nach dieser Vorschrift ist, wenn jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen.

Nicht, dass ich vorhabe, mir auf diesem Wege Mandanten zu akquirieren, aber es soll ja in Deutschland auch Personen geben, die Falschparker aufschreiben und der Polizei melden. Diese Personen wären sicherlich auch geneigt, in der geschilderten Situation vom Jedermann-Festnahmerecht Gebrauch zu machen.

Die Voraussetzungen des § 127 Abs. 1 S. 1 StPO liegen hier jedenfalls vor: Der Konsument wird auch frischer Tat betroffen. Insbesondere nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht im Rahmen des § 127 Abs. 1 StPO ein Tatverdacht; eine tatsächlich begangene Tat muss nicht vorliegen.

Jedermann wäre also in dieser Situation befugt, die betreffende Person festzuhalten und die Polizei zu verständigen. Ich kenne keine solchen Fall; es wäre aber mal interessant zu sehen, wie die Polizei auf eine entsprechende Meldung reagiert. Nach dem Legalitätsprinzip wäre sie ja eigentlich zum Einschreiten verpflichtet. Andererseits werden entsprechende Verfahren von der Staatsanwaltschaft bei geringen Mengen in aller Regel eingestellt.

Wer sich gelegentlich in der Öffentlichkeit gerne mal einen Joint genehmigt, sollte das aber doch besser nicht allzu demonstrativ machen.

Wo ist der Goldschmuck?

Aus einem Durchsuchungsbeschluss.

Die Beschuldigte war Putzfrau im Hause der Geschädigten N. Der o.g. Goldschmuck war bei der Geschädigten am 01.11.2016 noch vorhanden, am 19.11.2016 nicht mehr. Die Beschuldigte war die einzige Person, die einen Hausschlüssel hatte und ist deshalb verdächtig.

Der Durchsuchungsbeschluss in dieser Sache datiert vom 30.03.2019. Gleichwohl soll der Verlust des Schmucks schon am 19.11.2016 bemerkt worden sein. Wieso brauchen mutmaßlich Bestohlene denn rund zweieinhalb Jahre, um so einen doch eher überschaubaren Sachverhalt zur Anzeige zu bringen?

Ganz nebenbei frage ich mich auch, wieso ein Ermittlungsrichter davon ausgeht, dass nach so langer Zeit auch nur der Hauch einer Hoffnung besteht, bei der Beschuldigten mutmaßliche Beute aus einem Diebstahl aufzufinden, der ja offensichtlich bemerkt werden musste.

Näheres erfahren wir, wenn ich Akteneinsicht erhalten habe. Auch wenn es an sich kein weltbewegender Fall ist, bin ich doch ein wenig gespannt.

„Ich verzichte auf einen Schlussvortrag“

Die Frau Staatsanwältin macht den Job schon seit einiger Zeit, ich bin ja mittlerweile auch nicht mehr ein unbedingter Neuling im Strafrechts-Business. Allerdings gibt es doch immer mal wieder Dinge, die einem noch nicht begegnet sind. Da ging es mir und der Staatsanwältin heute gleichermaßen.

Ich hatte heute die Sitzposition im Verhandlungssaal getauscht und vertrat eine Nebenklägerin. Ich will gar keine großen Details über den Fall sagen, sondern nur berichten, was der Verteidiger nach dem Schluss der Beweisaufnahme tat.

Nichts.

Ans sich hätte er ein Plädoyer halten können und wohl auch sollen. Tat er aber nicht. Nachdem die Staatsanwältin und ich als Vertreter der Nebenklage unsere Vorstellungen dargelegt hatten, erklärte der Kollege:

Ich verzichte auf einen Schlussvortrag.

Gut, man kann den (Pflicht-)Verteidiger natürlich nicht zwingen, sich für seinen Mandanten noch mal ins Zeug zu legen. Aber die Kürze und Bestimmtheit, mit der dieser „Verzicht“ erklärt wurde, war schon erstaunlich. Irgendwie habe ich das Gefühl, das Schauspiel bzw. Nicht-Schauspiel wird mir so schnell nicht mehr geboten werden.

Drogenvortest gone wrong

Ich zitiere aus dem Polizeibericht:

Der Fahrer eines Kleintransporters lieferte heute Morgen bei einer Polizeikontrolle in Lüdenscheid eine Sperma- statt der geforderten Urinprobe ab. Als die Beamten ihn kontrollierten, zeigte er Anzeichen, die auf Drogenkonsum hindeuteten.

Er war mit einem Drogenvortest einverstanden. Für die Urinprobe überreichten die Polizeibeamten einen Becher. Damit verschwand er im Gebüsch. Er brauchte ungewöhnlich lange und kehrte etwas beschämt mit dem genannten Inhalt zurück. Die Beamten erklärten die Probe für unbrauchbar und griffen auf einen Speicheltest zurück. Der fiel negativ aus und der Mann fuhr erleichtert weiter.

Falls ihr es nicht glaubt, hier ist der Link zur offiziellen Pressemeldung. Anscheinend wurde keine Anzeige wegen „Beleidigung auf sexueller Grundlage“ geschrieben. Selbstverständlich ist das nicht, auch wenn die Zahl ähnlich gelagerte Präzedenzfälle sicher überschaubar ist.

Am 3. Tag nach Aufgabe zur Post …

Bei Briefen von Behörden gibt es eine sogenannte Zugangsfiktion. Es wird vermutet, dass so ein Schreiben dem Empfänger am dritten Tag nach Aufgabe zur Post zugegangen ist. Das gilt aber nur, wenn die Postlaufzeiten einigermaßen normal sind. Bei der Einschaltung von Subunternehmern beim Posttransport ist dies aber gerade nicht gewährleistet, stellt das Finanzgericht Münster in einer aktuellen Entscheidung fest.

In dem Fall hatte die Familienkasse Münster einen regionalen Dienstleister mit dem Brieftransport beauftragt. Teilweise erfolgte die Auslieferung aber über die Deutsche Post AG. Durch die Zwischenschaltung eines Dienstleisters könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass der Transportweg deutlich länger war, meint das Finanzgericht. Es bezieht sich auch auf den Vertrag zwischen dem regionalen Anbieter und der Post. Nach diesem Vertrag wäre die Zustellung am vierten Tag nach Aufgabe der Post auch noch in Ordnung gewesen.

Wer also mal Ärger mit der Zugangsfiktion bei Behördenbriefen hat, sollte auch an diese Möglichkeit denken. Im entschiedenen Fall bekam der Kläger nun recht. Dass seine Klage in der Sache berechtigt war, bestritt die Familienkasse am Ende nämlich gar nicht mehr (Aktenzeichen 13 K 3280/18 Kg).

Kriminelle Subjekte

In einem Ermittlungsverfahren verfolgt die Polizei die Spur einer Bitcoin-Zahlung. Dazu gehört natürlich auch eine Anfrage bei einem Dienstleister, über den man Bitcoinkäufe und -zahlungen abwickeln kann und der offenbar für die Zahlung eingeschaltet wurde (wobei die Nutzung solcher Anbieter spätestens mit erfolgreichem Postident natürlich jede Anonymität aufhebt).

Das Schreiben der Polizei enthielt einige kleine Angaben zum Sachverhalt (nichts Weltbewegendes) und die Bitte mitzuteilen, ob die betreffende Zahlung mit einem Kontoinhaber verknüpft werden kann. Konnte sie. Natürlich hat der Dienstleister das Recht und möglicherweise auch die Pflicht, derartige Angaben gegenüber der Polizei zu machen. Wobei Unternehmen, die es mit dem Datenschutz ernst meinen, eigentlich erst mal auf einer richterlichen Anordnung bestehen. Wie auch immer, mit dem Bankgeheimnis ist es bei uns nicht mehr weit her.

Was mich aber dann doch verwunderte, war nicht die Eilfertigkeit der Auskunft, sondern der Schlusssatz des Briefes, mit dem die Firma der Polizei die Informationen übermittelte:

Bitte geben Sie uns schnellstmöglich eine Rückmeldung, ab wann diese kriminellen Subjekte von uns gekündigt werden dürfen, ohne Ihre Ermittlungen zu gefährden.

Das ist natürlich schon ein sehr rauer Ton gegenüber dem eigenen Kunden, zumal ja dank der famosen Unschuldsvermutung in unserem Land noch keineswegs feststeht, über was für ein „Subjekt“ wir reden.

‚Nen Kaffee holen ist nicht versichert

Wer als Arbeitnehmer unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht, darf sich ab heute über eine neue Variante freuen, wann dies dann ausnahmsweise doch nicht der Fall ist. Nicht versichert ist es zum Beispiel, wenn sich ein Arbeitnehmer auf dem Weg einen Coffee-to-go“ in einer Bäckerei besorgt.

Die Mitarbeiterin eines Pflegedienstes hatte auf dem Weg zu einer Patientin an einer Bäckerei gestoppt, um sich einen Kaffee zu holen. Auf der Treppe des Ladens stürzte sie allerdings und verletzte sich am Knie. Ein Fall für die Berufsgenossenschaft?

Nein, sagt das Landessozialgericht Erfurt. Während eines Arbeitstages seien nur Aktivitäten versichert, die in einem inneren Zusammenhang mit der Tätigkeit stehen. Einen Kaffee besorgen sei aber eine „Vorbereitung zur Nahrungsaufnahme“ und somit eine „höchstpersönliche Verrichtung“. Lediglich bei völlig unbedeutenden Unterbrechungen der Arbeit bestehe der Versicherungsschutz fort. Das sei hier jedoch nicht der Fall (Aktenzeichen L 1 U 1312/18).

Burkini-Verbot in Koblenz juristisch unhaltbar

Ein Burkini-Verbot in den Koblenzer Schwimmbädern ist zumindest vorerst Geschichte. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz entschied in einem Eilverfahren, die Regelung sei unrechtmäßig. Ein Burkini-Verbot verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot.

Der Koblenzer Stadtrat hatte das Verbot damit begründet, bei Burkini-Trägerinnen sei nicht zu kontrollieren, ob Frauen mit Hautausschlag oder offenen Wunden ins Schwimmbad kämen. Interessanterweise war es aber Leistungsschwimmern, Triatheleten etwa, weiterhin erlaubt, in Neoprenanzügen zu trainieren. Das Burkini-Verbot sollte außerdem nicht für den Schwimmunterricht gelten.

Da fiel es den Richtern naturgemäß leicht, einen Verstoß gegen das Recht auf Gleichbehandlung festzustellen. Wieso Leistungsschwimmer (wie auch immer man die erkennen kann) weniger kontrollbedürftig seien, erschloss sich den Richtern nicht. Ebenso, wieso die gesundheitlichen Bedenken beim Schulunterricht nicht mehr gelten.

Geklagt hatte eine Asylbewerberin aus Syrien, die wegen eine Rückenleidens schwimmen gehen soll. Wegen ihres Glaubens möchte sie aber nur im Burkini ins Schwimmbad. Ob die Anordnung der Stadt auch gegen die Religionsfreiheit verstößt, lassen die Richter offen (10 B 10515/19.OVG).

Augenmaß

Der Papierkrieg bei der Einstellung eines Nicht-EU-Bürgers ist an sich nicht auszuhalten. Bestätigen mir immer mal wieder Mandanten, zum Beispiel aus der Systemgastronomie, die etwa auch Asylbewerber beschäftigen.

Nichts ist den Behörden dabei so heilig wie der gesetzlich normierte Grundsatz, dass die Arbeitserlaubnis vorliegen muss. Und zwar vor Beginn der Tätigkeit. An diesen Grundsatz hat sich eine Mandantin leider nicht gehalten, und zwar wegen eines Kommunikationsfehlers. Jemand aus der zentralen Personalabteilung hatte in einem der Restaurants Bescheid gesagt, dass die Arbeitserlaubnis für Herrn K. vorliegt und dieser nun loslegen können. Nur ging es nicht zum Herrn K., sondern um Herrn K1, dessen Name fast gleich geschrieben wird.

Dem Hauptzollamt war dieses Versäumnis ein Bußgeld in Höhe von 3.000,00 Euro wert. Trotz des Umstandes, dass Herr K nur knappe zwei Tage formal ohne Arbeitserlaubnis im Betrieb war – denn die bereits beantragte Erlaubnis war ja in Arbeit und wurde auch anstandslos ausgestellt.

Nun muss das Amtsgericht über den Bußgeldbescheid befinden. Wir haben den Sachverhalt mal etwas aufgedröselt und höflich darauf hingewiesen, dass es in den letzten Jahren trotz zahlreicher Einstellungen a) keine Verfahren gegen unsere Mandantin gab und b) kleine Fehler überall passieren, vermutlich nur nicht im Hauptzollamt. Der Grad des Verschuldens muss sich im Bußgeld widerspiegeln. Das sieht auch der Richter so. Er schlägt vor, das Bußgeld auf 500,00 € zu reduzieren.

Das nenne ich mal Augenmaß. Die Mandantin ist natürlich einverstanden.

Die Vorleserin

Ein Mandant möchte partout, dass meine Kollegin ihm ein frisch reingekommenes Gutachten am Telefon vorliest, weil er im Moment keine Mails lesen kann und nicht auf die Post morgen oder übermorgen warten will.

Sein Konto beim Zeithonorar ist noch nicht deutlich im Plus. Warum also nicht.

Männliche Küken dürfen vorerst weiter nach dem Schlüpfen getötet werden

Die Tötung männlicher Küken direkt nach dem Schlüpfen bleibt erlaubt – vorerst. Das Bundesverwaltungsgericht sieht in der seit Jahrzehnten üblichen Praxis in Mastbetrieben zwar einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Kükenshreddern sei ethisch nicht vertretbar, auch die Gesetzeslage sei seit 2002 eindeutig, als Tierschutz in das Grundgesetz als Staatsziel aufgenommen wurde. Auf der anderen Seite sei den Betrieben ein sofortiger Tötungsstopp nicht zumutbar, weil die Praxis „jahrzehntelang hingenommen“ wurde.

Das Gericht gewährt deshalb eine Übergangsfrist, bis neue technische Methoden es ermöglichen, das künftige Geschlecht des Kükens schon im Ei zu bestimmen. Das Verfahren soll in Kürze zur Verfügung stehen, wobei allein die Bundesregierung fünf Millionen Euro in die Forschung investiert hat. Allerdings wird sich die Diskussion dann wohl zeitlich nach hinten verlagern. Die Geschlechtsbestimmung kann auch erst ab einen bestimmten Zeitpunkt erfolgen. Tierschützer gehen davon aus, dass Embryonen aber schon früher Schmerz empfinden, wie man zum Beispiel in der FAZ nachlesen kann.

Die Geflügelindustrie warnt ohnehin davor, dass Betriebe in Deutschland nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können. Eine Abwanderung ins Ausland liegt dann nahe, wobei der Weg gar nicht lang sein muss. Sogar die meisten EU-Länder hätten keinen Tierschutz auf deutschem Niveau, auch darauf weist das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil hin (Aktenzeichen 3 C 28.16).

Anderweitige Termine

Ich hatte mich heute für den Besuch bei einem Mandanten angekündigt, der in Untersuchungshaft sitzt. Da die Justizvollzugsanstalt von 8.30 bis 17.15 Uhr Anwälte reinlässt, hatte ich dem Mandanten geschrieben, ich käme im Laufe des Tages. So bin ich flexibler, falls was dazwischenkommt.

Viele anderweitige Termine haben Untersuchungsgefangene ja meist ohnehin nicht. Das größte Risiko dürfte sein, dass ich beim Essen störe.

Als ich er dann mittags gegen 13 Uhr in den Besprechungsraum trat, war der Mandant sichtlich erleichtert, dass ich „endlich“ da war. Ich hatte zwar nicht vergessen, dass der Mandant Niederländer ist. Was ich aber nicht auf dem Schirm hatte, war das Auftaktspiel der Niederländerinnen bei der Fußball-WM der Frauen heute nachmittag. Dem Match fieberte der Mandant schon ziemlich stark entgegen.

Was soll ich sagen? Wir haben mit unserer Besprechung eine zeitliche Punktlandung gemacht. Zehn Minuten vor Anpfiff ging der Mandant zurück in seinen Haftraum. Ich hoffe, er hatte Spaß.