Verschubt

Ein Mandant muss sich zum Strafantritt in Nordrhein-Westfalen stellen. Nun ja, er musste sich zum Strafantritt stellen. Die Frist lief vor geraumer Zeit ab; deshalb dürfte er jetzt gesucht werden.

Da er sich seit geraumer Zeit in Norddeutschland aufhält und dort mehr oder weniger etwas Wurzeln geschlagen hat (Freundin), kam ihm der Gedanke, sich auch dort oben zu stellen, da er keinen Bock auf eine Fortsetzung seiner „Flucht“ hat. Seine Hoffnung: Wenn er im hanseatischen Raum auf eine Polizeiwache geht, darf er dann vielleicht auch gleich seine Strafe dort oben verbüßen.

Gut überlegt, wird aber so nicht klappen. Der Mandant würde zwar sofort festgenommen, wenn er sich in Norddeutschland bei der Polizei offenbart. Aber die dortige Justiz hätte sicher schon aus Kostengründen keine Lust, ihn einfach so vom Land Nordrhein-Westfalen zu „übernehmen“. Vielmehr würde der Mandant auf große Fahrt begeben, und zwar mit dem behördeneigenen Reisedienst. Für die sogenannte „Verschubung“ gibt es in Deutschland ein richtiges Liniennetz, das von Justizbussen bedient wird (siehe auch diesen Bericht in der Süddeutschen Zeitung).

Problem ist: Die Verschubung fühlt sich genau so an, wie sie klingt. Die Reise dauert schon mal 7 – 10 Tage, und jede Nacht ist Station in einer anderen Vollzugsanstalt. Die Gefangenen haben nur ihre persönliche Habe bei sich, die Unterbringung in den einzelnen Knästen für die Durchreisenden liegt durchaus unter dem ohnehin schon oftmals fragwürdigem Standard. Auch der Transport selbst ist keine Reise im herkömmlichen Sinn. Die Einzelkabinen der meisten Busse sind sehr eng, die Möglichkeit zu einem Toilettengang besteht regelmäßig nicht. Was ich von Mandanten so höre, ist das Ganze jedenfalls nichts für Weicheier.

Nicht dass ich den Mandanten als solches betrachte, aber ich habe ihm trotzdem dringend von dieser Form des Abenteuerurlaubs abgeraten. Bin gespannt, ob er auf mich hört.