Eine Mordanklage ist jetzt ja keine so harmlose Sache. Vor allem, wenn es um ein komplexes Geschehen geht, eine mögliche Notwehrlage für den Angeklagten eingeschlossen. Über so einen Fall reden wir. Die Staatsanwaltschaft hat das nicht gehindert, den sogenannten Anklagesatz ihrer Mordanklage auf ein Maß einzudampfen, das ich in einem Rechtsstaat ehrlich gesagt bis heute nicht für möglich gehalten hätte.
In der Kürze liegt zwar bekanntlich die Würze. Aber einen Mordvorwurf in 32 Zeilen Text (entspricht ungefähr 2/3 einer DIN-A-Seite) abzuhandeln – das muss einem wirklich erst mal gelingen. Eine Anklage wegen eines kleinen ebay-Betrugs ist regelmäßig detaillierter.
Die Darstellung der Mordmerkmale im Anklagesatz, bei denen es ja bloß um die Höchststrafe lebenslänglich geht, erschöpft sich in neun (!) Zeilen Text. Immerhin will ich mich darüber gar nicht beschweren, denn angesichts dieser dürftigen Schilderung hat die Strafkammer hinsichtlich des Mordvorwurfs schon direkt abgewinkt – und die Anklage nur wegen Totschlags zugelassen.
Nun reden wir vor Gericht also über einen Totschlagsvorwurf, der in 23 Zeilen Text dargelegt wird. Die komplette Anklageschrift umfasst übrigens genau fünf Seiten, wobei eine für die Liste der Zeugen und Beweismittel draufgeht. Die mitlesenden Anwälte, Richter und Staatsanwälte können ja mal in die Kommentare schreiben, ob sie das unterbieten können.