Manche Geschichten schreibt das Leben. Und sie sind echt nicht ausgedacht. Aber der Reihe nach:
-> Mann stellt fest, dass ohne sein Wissen von seinem Postbankkonto in den letzten zwei Monaten ca. 21.000,00 Euro abgehoben wurden. Alles an einem bestimmten Geldautomate in seiner Nachbarschaft.
-> Mann geht zur Polizei und erstattet Strafanzeige gegen Unbekannt.
-> Mann wird zur Polizei vorgeladen, um eine Zeugenaussage zu machen. Der Beamte legt Mann Videoprints aller Abhebungen vor. Sie zeigen alle eine Frau, zur großen Überraschung von Mann seine eigene Frau. Frau kennt seit jeher die PIN für die Girokarte von Mann und weiß auch, die Karte liegt immer im Arbeitstisch, oberste Schublade.
-> Mann will vor diesem Hintergrund keinen Strafantrag stellen. Die Staatsanwaltschaft klagt Frau trotzdem an.
-> Vor Gericht geht es darum, wer geschädigt ist. Wenn nur Mann (wegen fahrlässigen Umgangs mit der PIN), dann könnte es ein Haus- und Familiendiebstahl sein (§ 247 StGB). Dieser wäre ohne Strafantrag nicht verfolgbar. Wenn die Postbank aber auch geschädigt ist, bedarf es wohl eher keines Strafantrags.
-> Richter und Anwalt V. diskutieren im Gerichtssaal bis zur Erschöpfung und kleineren Wutanfällen der Anwälte, die in den Fällen danach ihren Auftritt haben. Schließlich kommt der Gedanke auf, dass man das Verfahren wegen geringer Schuld einstellen könnte. Gegen eine Zahlungsauflage in Höhe von 900,00.
-> Frau stimmt zu.Das sie selbst kein Geld hat und die PIN von Mann nicht mehr kennt, fragt sie Mann, ob dieser ihr die Auflage zahlt. Mann stimmt zu und gibt Frau ein paar Tage späer 900,00 €, damit diese das Geld bei der Gerichtskasse einzahlen kann.
-> Frau zahlt aber nur 300,00 € ein. Das Gericht nimmt die Sache also wieder auf. Erneute Verhandlung. Die Debatte zwischen Richter und Anwalt V. wiederholt sich. Schließlich kommt der Gedanke auf, dass man das Verfahren ja ausnahmsweise doch noch mal einstellen könnte, wenn Frau noch 600,00 € einzahlt. Aber sofort, auf eine erneute Ehrenrunde hat der Richter keine Lust.
-> Da Frau immer noch kein Geld hat, fragt Anwalt V Mann, der als Zeuge geladen ist, ob dieser das Geld nicht noch mal auslegen könnte. Mann sagt zu (zur Überraschung von Anwalt V.) Anwalt V. geht mit Mann zur Commerzbank. Dort hebt Mann 600,00 € am Geldautomaten ab und gibt sie Anwalt V, der das Geld sofort wieder auf das Konto der Gerichtskasse einzahlt.
-> Anwalt V. legt dem Richter die Quittung vor, das Verfahren wird eingestellt. Nun aber endgültig.
-> Alle sind zufrieden, Mann allerdings nur mit Abstrichen. Er ist nämlich jetzt noch mal 1.500,00 € ärmer, als er es ohne das Gerichtsverfahren gewesen wäre.
-> Mann fragt Anwalt V. beim Verlassen des Gerichtsaals, ob er auch Scheidungen übernimm. Anwalt V. winkt natürlich dankend ab, aber in dem Augenblick kommt sowieso eine gute Scheidungsanwältin über den Gerichtsflur geschlendert. Anwalt V. übergibt den Fall sozusagen nahtlos, denn auch seine Mandantin möchte jetzt unbedingt geschieden werden, obwohl Anwalt V. scherzhaft anmerkt, dass sie wohl schwerlich wieder jemanden finden wird, der ihr so unermüdlich aus der Patsche hilft.
->Auf dem Heimweg hat Anwalt V. die leise Befürchtung, dass ihm diese Geschichte keiner glauben wird. Aber wie gesagt, das Leben ist anscheinend halt so.