Zeuge/Zeugin in einem Strafverfahren wird man oft schneller, als es einem lieb ist. Was die PolizeibeamtInnen dann mit als Erstes interessiert, sind Name und Adresse des Zeugen. Gern auch Telefonnummer und E-Mail-Adresse. Jetzt gibt es aber auch sehr gute Gründe, als Zeug/in oder Geschädigte/r in einem Strafverfahren die eigene Adresse und andere persönliche Daten nicht durch irgendwelche Akten schwirren zu lassen. Gerade dann, wenn man selbst Opfer einer Straftat geworden ist.
Im Rahmen der Akteneinsicht, die jedem Beschuldigten (über seinen Anwalt) zusteht, ist es nämlich durchaus möglich, dass der/die Beschuldigte Kenntnis von der Anschrift und anderen persönlichen Daten erlangt und einem dann eventuell einen ungebetenen Besuch abstattet, telefonisch oder online nervt oder gar Schlimmeres.
Aber ganz so einfach muss ein Opfer bzw. Zeuge nicht die Hoheit über seine persönlichen Daten aufgeben. Es hilft eine Vorschrift in der Strafprozessordnung. Es handelt sich um § 68 StPO, der leider eher ein Schattendasein fristet. Das Wichtige steht in diesem Absatz des Paragrafen:
Einem Zeugen soll zudem gestattet werden, statt des Wohnortes seinen Geschäfts- oder Dienstort oder eine andere ladungsfähige Anschrift anzugeben, wenn ein begründeter Anlass zu der Besorgnis besteht, dass durch die Angabe des Wohnortes Rechtsgüter des Zeugen oder einer anderen Person gefährdet werden oder dass auf Zeugen oder eine andere Person in unlauterer Weise eingewirkt werden wird.
Eine ladungsfähige Adresse kann zum Beispiel auch die des/der Anwalts/Anwältin des Vertrauens sein. Die Unterlagen mit der Adresse des/der Zeugen/Zeugin werden dann bei der Staatsanwaltschaft verwahrt und erst zu den Akten genommen, wenn die Besorgnis einer Gefährdung entfällt.
Ist die Adresse aber durch die Polizei erst einmal in der Zeugenvernehmung protokolliert, wird es schwierig, sie wieder aus der Akte zu entfernen. Daher sollte man die BeamtInnnen direkt zu Beginn der Zeugenvernehmung auf die Vorschrift hinweisen (glücklicherweise ist der Inhalt meist auf den Vorblättern zur Zeugenvernehmung abgedruckt). Wenn einem da – wie leider zu erwarten – Skepsis entgegenschlägt, sollte man so ausführlich wie möglich schildern, warum man nicht möchte, dass die eigene Adresse in die Ermittlungsakte gelangt. Dabei immer freundlich bleiben, denn die Entscheidung, ob ein Fall des § 68 Abs. 2 StPO vorliegt, obliegt in einer polizeilichen Vernehmung zunächst einmal den BeamtInnen.
Jennifer Leopold, Assessorin