Die Bundesagentur für Arbeit spricht zwar von ihren „Kunden“. Strafanzeigen erstattet sie aber trotzdem sehr gerne gegen ihre Kunden, jeden Tag in unzähligen Fällen mutmaßlichen Leistungsbetrugs. Auch ich bearbeite ab und zu solche Strafsachen. Über die Jahre gesehen, kann ich eigentlich nur eines sagen: Das Chaos, welches sich aus so einer normalen Leistungsakte der Bundesagentur für Arbeit ergibt, sucht meist seinesgleichen.
Demgemäß lassen sich regelmäßig gute Ansatzpunkte für die Verteidigung finden. Und entsprechend schwer ist es für Staatsanwälte und Richter, einen Tatnachweis zu führen. Die Tage war ich mal wieder bei einer reichlich genervten Amtsrichterin, die mit den vorgelegten Unterlagen schlicht nicht klar kam. Der Staatsanwältin ging es genau so.
Nun ja, ich erlaubte mir im Augenblick höchster Verzweiflung die Frage, ob man das Verfahren gegen meine Mandantin nicht als Bagatelle einstellen kann, ohne negative Konsequenzen für die angeklagte Frau. Immerhin habe der Sachbearbeiter bei der Arbeitsagentur doch in einem Vordruck auf Seite 46 seiner Akte angekreuzt: „Der Schaden wurde bereits in voller Höhe erstattet.“ Der Schaden, das sind die knapp 640 Euro, die meine Mandantin durch Nichtmeldung eines Nebenjobs zu viel bekommen haben soll.
Oh, meinte die Richterin, das habe sie ja gar nicht gesehen. „Tätige Reue“ sei immer etwas Gutes. Außerdem sei der Erstattungsanspruch der Behörde ja sowieso fraglich, denn meine Mandantin behaupte ja, sie habe den Job gemeldet. Da, so die Richterin, könne man doch wirklich mal nachsichtig sein. Sie zwinkerte der Staatsanwältin zu. Die verstand den Wink und erklärte sich einverstanden.
Ihr könnt euch meine Verwunderung vorstellen, als mir die Mandantin dann draußen vor dem Gerichtssaal sagte, sie jedenfalls habe keine 640 Euro zurückgezahlt. Was nur den Schluss zulässt, dass der Sachbearbeiter bei der Arbeitsagentur einfach das falsche Feld angekreuzt hat. Manchmal fügt sich halt eines zum anderen.