Keine Steinigung

Manche Mandanten machen es einem nicht leicht. Nicht mal sich selbst. Die Tage habe ich mal wieder so jemanden verteidigt. Ein Mandant, der zum bestmöglichen Ergebnis getragen werden musste.

Eine Anwältin und ich hatten in einem sehr langen Rechtsgespräch einen Deal ausgehandelt. Die Anwältin hatte der Mandant erst kurz vor der Verhandlung zusätzlich ins Boot genommen, weil dieser mit dem Ergebnis der 1. Instanz nicht glücklich war. Die Anwältin konnte ihm zum Glück aber auch nur sagen, dass der im Raum stehende Deal deutlich besser ist als alles, was bei einem Urteil herauskommen würde. In der Tat hatte das Berufungsgericht dann einen sehr freundlichen Tag. Auch der Staatsanwalt ließ sich einfangen.

Der Deal stand also, das Gericht gab dessen Inhalt in der Verhandlung bekannt, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist. Nun wurde es interessant. Der Richter wollte den Angeklagten erst mal ausführlich zu seinem Lebenslauf befragen. Das für den Deal notwendige (Teil-)Geständnis wollte er dann offensichtlich später entgegennehmen.

Es war so was wie Gedankenübertragung, jedenfalls grätschten meine Kollegin und ich gleichzeitig in die Verhandlung rein. Mit dem Vorschlag, doch lieber erst das Geständnis zu hören. Den Lebenslauf später. Der Richter war erst leicht irritiert, aber nach einigen Sekunden wurde ihm wohl klar, warum wir diesen Vorschlag machten. Der Mandant sitzt seit rund einem Jahr in Untersuchungshaft, was natürlich an seinen Nerven nagt.

Zu groß war demgemäß das Risiko, dass er die ganze Sache am Ende doch noch platzen lässt, weil ihm irgendwas quer kommt. Leider konnte das halt auch eine Kleinigkeit sein, so angespannt war sein Nervenkostüm. Das Geständnis kam also zuerst, damit war der Deal dann in trockenen Tüchern. Der Mandant hat uns im weiteren Verlauf der Verhandlung auch nicht gesteinigt. Am Ende siegt halt mitunter doch die Vernunft.

Öffnungszeiten deluxe

Der Anrufbeantworter in der Zentrale der Staatsanwaltschaft Duisburg (0203 9938-5) hat mir gerade freundlicherweise die Zeiten durchgedudelt, zu denen – jedenfalls theoretisch – die Mitarbeiter telefonisch erreichbar sind:

montags bis freitags 8.30 bis 11.30 Uhr
montags und dienstags 14 bis 15 Uhr
mittwochs bis freitags 14 bis 14.30 Uhr

Außerhalb des öffentlichen Dienstes würde sich so was keiner trauen.

Sie haben sechs Monate Zeit – oder auch nicht

Wozu sind Fristen da? Einerseits, damit der Bürger weiß, innerhalb welcher Zeit er eventuelle Ansprüche geltend machen muss. Andererseits, damit sich die Sache nicht endlos verzögert – und halt irgendwann Rechtssicherheit eintritt. Es gibt natürlich tiefgründigere Erklärungen, aber das dürften die wesentlichen Aspekte sein.

In einem Verfahren, dessen Inhalt gar nicht groß was zur Sache tut, habe ich von Gesetzes wegen sechs Monate Zeit, um eventuelle Ansprüche geltend zu machen. Das heißt, die denkbaren Forderungen müssen spätestens am letzten Tag der Frist schriftlich angemeldet sein.

Die Frist läuft ab am 22.10.2018.

Der zuständige Herr bei der Justizbehörde scheint aber auf heißen Kohlen zu sitzen. „Es wird um Bezifferung der Ansprüche gebeten“, schrieb er mir am 08.05.2018. Am 09.06.2018 kriegte ich das Schreiben noch mal. Die Anfrage war gelb markiert, handschriftlich hatte jemand vermerkt: „1. Erinnerung!“ Am 19.06.2018 traf dann die „2. Erinnerung“ ein. Diesmal mit „!!!“

Anfang der Woche fand ich eine Telefonnotiz. Der Beamte teilte mit, es würden noch Unterlagen fehlen. Er habe schon „zwei Fristen“ gesetzt und erwarte die fehlenden Angaben nun spätestens bis Ende Juli. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wieso der Herr meint, er könne hier so einen Druck aufbauen. Die Sechs-Monats-Frist steht, wie gesagt, ausdrücklich im Gesetz.

Gut, vielleicht hat der Beamte belastbare Informationen über einen bevorstehenden Finanzinfarkt der öffentlichen Hand. Oder er hat sonstige gute Gründe, warum er ausgerechnet meinen Antrag – es geht um einen gerade mal dreistelligen Betrag – bearbeiten möchte/muss. Da wäre es dann aber nett, wenn er mir diese Gründe auch von sich aus mitteilt. Und nicht mit Erinnerungen nervt, mit denen ich inhaltlich nichts anfangen kann.

Ich habe dann mal zurückgerufen. Das erschien mir weniger nervig als die Aussicht auf die nächste schriftliche Mahnung. Der betreffende Herr war im Haus, aber nicht zu sprechen. Die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle richtete mir aus, ich solle doch einen Brief schreiben oder ein Fax schicken. Dieses werde schnellstmöglich bearbeitet.

Also, jetzt ist dann aber wirklich mal gut. Weitere „Erinnerungen“ etc. hefte ich einfach ab. Und der Antrag geht genau drei Tage vor Fristablauf raus. Irgendwie bin ich mir aber sicher, dass da eskalationsmäßig noch was von Seiten der Behörde kommt. Ich werde berichten, falls das passiert.

Der Mandant darf umdrehen

Wenn die Ladung zum Strafantritt ins Haus flattert und der Mandant sich im nächstgelegenen Knast melden soll, dann kann man getrost von einem juristischen Notfall sprechen. Traurig finde ich immer die Fälle, in denen Betroffene mit Behördenkram schlicht überfordert sind. Fehlende Sprachkenntnisse sind nur eine von vielen Ursachen für Schicksale, die eigentlich hätten vermieden werden können.

In so einem Fall konnte ich einen Mandanten sehr glücklich machen. An sich hätte er sich spätestens heute (!) bis 15 Uhr in der Justizvollzugsanstalt melden müssen, weil seine Bewährung wegen eines eher überschaubaren Delikts widerrufen wurde. Und das nur, weil er die Zahlung seiner ebenso überschaubaren Bewährungsauflage auf grandios schusselige Art und Weise versemmelt hat.

Ich habe eine umfängliche Beschwerdeschrift eingereicht, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und letztlich Aufschub aus reiner Menschlichkeit erbeten, letzteres vor allem in Telefonaten mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft. Vorhin, als ich telefonisch noch mal nachfragte, kam Entwarnung – Strafaufschub ist erst mal genehmigt. Was ich inhaltlich auch richtig finde, denn die vom Gesetz (§ 67g StGB) geforderte „gröbliche“ oder „beharrliche“ Verweigerungshaltung kann ich in dem – für mich ganz neuen – Fall bislang nicht erkennen. Aber das hilft ja auch nur eingeschränkt, wenn womöglich schon alle Fristen abgelaufen sind.

Ich erreichte den Mandanten in der Straßenbahn 701. Er war schon auf dem Weg in den Knast. Jetzt fährt er erst mal wieder heim und wir können schauen, ob das Gericht meinen Argumenten etwas abgewinnt.

Gefährderansprache via Anwalt

Die Polizeibeamtin N. ermittelt gegen meinen Mandanten und einige seiner Freunde. Es geht um Körperverletzung, nachts vor einem Club. Alltagskriminalität sozusagen.

Heute meldete sich die Polizistin telefonisch. „Könnten Sie nicht mal mit Ihrem Mandanten sprechen?“, wollte sie wissen. „Vor einigen Tagen sollen sich die Herren vor einer Zeugin aufgebaut und sie eingeschüchtert haben.“

Ich erklärte mich bereit, mal ein paar Worte mit meinem Mandanten zu reden. Wobei ich natürlich klarstellte, dass ich deswegen nicht davon ausgehe, an den Vorwürfen könnte was dran sein. Die Beamtin freute sich über meine positive Reaktion. „Ich habe unheimlich viele Sachen auf dem Tisch“, sagte sie. „Solche Gefährderansprachen würden mir jetzt gerade noch fehlen.“

Aber gerne doch. Man hilft, wo man kann. Auch wenn ich jetzt noch nicht so genau weiß, ob und wie ich die zusätzliche Arbeit meinerseits gebührentechnisch erfassen kann.

So allgemein wie spezial

Ein sehr schöner Briefkopf des Amtsgerichts Nürnberg:

Man ist also allgemein zuständig. Aber halt auch spezial – für was auch immer. Nur erläutert wird das nirgends.

Das Ganze hat natürlich seine hergebrachte Richtigkeit, aber was soll das dem formaljuristisch mitunter ja nicht vorgebildeten Empfänger denn nun nahebringen? Am Ende bleibt ein gewisser Abschreckungseffekt. Aber vielleicht ist genau dieser ja gewollt.