Viel Vergnügen

Vor einigen Tagen habe ich eine Pflichtverteidigung übernommen. Der Mandant wollte nicht mehr mit seinem bisherigen Anwalt. Der Anwalt wohl auch nicht mit ihm. Jedenfalls sah der Richter den Vertrauensverlust, der für eine Neuausrichtung der Verteidigung erforderlich ist. So kam ich ins Spiel.

Sonderlich viel weiß ich noch nicht über die Sache. Freundlicherweise übersendet mir jedoch der bisherige Anwalt – mit Einverständnis des Gerichts – schon mal ein PDF der Gerichtsakte. Aus seinem Brief:

Für das weitere Verfahren mit dem Mandanten wünsche ich Ihnen viel Erfolg und Vergnügen.

Die Botschaft ist angekommen…

Im Zweifel gegen den Angeklagten

Der Sänger Xavier Naidoo darf nicht als Antisemit bezeichnet werden. Das Landgericht Regensburg untersagte einer Referentin der Amadeu-Antonio-Stiftung entsprechende Behauptungen.

„Er ist Antisemit, das ist strukturell nachweisbar“, soll die Referentin gesagt haben. Die Richterin hielt diesen Vorwurf für nicht ausreichend belegt, wie etwa bei der FAZ nachzulesen ist.

Es geht mir hier gar nicht um die innere Haltung Naidoos, über diese weiß ich zu wenig. Interessant finde ich das Urteil trotzdem, denn es zeigt in schöner Deutlichkeit: Wer Negatives – im Sinne einer Tatsache – über andere behauptet, muss diese Behauptung im Zweifel beweisen. Gelingt dies nicht, ist die Äußerung halt nicht erlaubt.

Gleiches gilt auch im Bereich des Strafrechts, beim sogenannten Ehrenschutz. Man braucht nur § 186 StGB (üble Nachrede) aufmerksam zu lesen:

Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe … Geldstrafe bestraft.

Auch hier hat der Angeklagte das Gericht also im Zweifel zu überzeugen, dass die behauptete Tatsache wahr ist. Wohlgemerkt: Der Angeklagte muss den Beweis erbringen, das Gericht muss den Beweis nicht von Amts wegen suchen. Bleiben Bedenken, gilt hier auch nicht der Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten. Gerade bei Tatsachenbehauptungen („B. ist ein ebay-Betrüger und vorbestraft“, „J. ist ein Pädophiler“) muss man demgemäß stets damit rechnen, nach der Aussage in die Verlegenheit zu kommen, diese auch zu belegen.

Wer das dann nicht kann, kippt hintenüber.

… beendete der Unterzeichner das Telefonat

Aus einer polizeilichen Ermittlungsakte möchte ich heute mal den Vermerk zitieren, den der ermittelnde Polizeibeamte darin hinterlassen hat:

Am 14.04.2018 meldet sich telefonisch eine männliche Person, die vorgibt der Rechtsanwalt Vetter aus Düsseldorf zu sein, beim Unterzeichner. Die Person gibt an, dass er die Mandantschaft von Herrn W. übernommen habe, und man versucht habe, diesen am Vormittag aufzusuchen.

Einschub: In der Tat hatten am Vormittag Polizisten bei meinem Mandanten geklingelt, ihn aber nicht angetroffen. Weiter im Text:

Durch Herstellung eines vertraulichen Gesprächs bittet er darum, ihm den Grund des Erscheinens mitzuteilen. Dieses wird ihm mehrfach mit dem Hinweis auf den üblichen Verfahrensweg, nämlich die Übersendung einer Vollmacht und Beantragung der Akteneinsicht verwehrt. Als der Anrufer nach weiterem rhetorischen Taktieren keine Auskunft über das Verfahren bekommt, verlangt er, dass der Unterzeichner ihm die Telefonnummer seines Vorgesetzten mitteilt.

Dies wird ihm ebenfalls verwehrt und der Unterzeichner beendet daraufhin das Telefonat.

Direkt danach meldet sich die Person erneut und bittet darum, dass man sich wie „erwachsene Menschen“ unterhalten solle. Weitere Versuche, den polizeilichen Erscheinungsgrund zu erfragen, bleiben unbeantwortet und als dieser erneut die Telefonnummer des Vorgesetzten erfragt, wird das Gespräch erneut durch den Unterzeichner beendet.

Ich kann ja durchaus verstehen, dass Polizeibeamte karg mit Auskünften am Telefon sind. Versuchen darf ich es aber trotzdem, und ich kann sagen, dass in den weitaus meisten Fällen durchaus ein konstruktiver, jedenfalls aber freundlicher Ton bei der Polizei herrscht. Das war hier, vorsichtig ausgedrückt, nicht der Fall.

Was mich verblüfft ist die lockere Selbstgewissheit, mit welcher der Beamte darlegt, wie er einen Kontakt zu seinem Vorgesetzten abgebügelt hat. Ich habe auch nicht nur nach dem Namen des Vorgesetzten und dessen Telefonnummer gefragt. Sondern ich habe den Polizisten auch zwei Mal gebeten, mich doch bitte mit dem Vorgesetzten zu verbinden, damit ich mit diesem über die Angelegenheit sprechen kann. Aber wenn der Polizist stolz ist auf sein Verhalten, bitteschön.

Möchte nicht wissen, wie er mit Beschuldigten umspringt.

Abschiebung trotz Gerichtsbeschluss

Ein Tunesier ist heute aus Deutschland abgeschoben worden, obwohl das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am Vortag die Abschiebung verboten hatte. Es geht um einen Mann, der im Verdacht steht, als Leibwächter für Osama bin Laden gearbeitet zu haben.

Nach den vorliegenden Informationen hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am Donnerstagabend die Abschiebung untersagt. Gleichwohl wurde der Mann heute morgen um ca. 7 Uhr am Düsseldorfer Flughafen in ein Flugzeug nach Tunesien eskortiert. Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat erklärt, man habe von dem Beschluss nichts gewusst. Dieser sei erst heute morgen um 8.27 Uhr an das BAMF gefaxt worden.

Mittlerweile gibt es auch eine umfassende Stellungnahme des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen zu den zeitlichen Abläufen. Danach hat das Verwaltungsgericht vom Bundesamt ausdrücklich eine Zusage gefordert, dass bis zu einer Entscheidung nicht abgeschoben wird. Dem Gericht sei dann vom Bundesamt geschrieben worden, eine Rückführung für den 12.07., also den Vortag, sei abgesagt. Da eine weitergehende Zusage nicht erfolgte, hat das Verwaltungsgericht dann noch am gleichen Tag bis 19.20 Uhr den 22-seitigen Beschluss ausgearbeitet. Dieser sei allerdings erst heute morgen an das Bundesamt gefaxt worden.

Andererseits ergibt sich aus der Stellungnahme recht deutlich, dass das Bundesamt mit so einem Beschluss zu rechnen hatte. Wieso dann nicht wenigstens noch mal vor einer eventuellen Abschiebung nachgefragt wurde, werden das Land NRW und das BAMF zu erklären haben.

Mich erinnert die Geschichte unangenehm an den Fall des mutmaßlichen Mörders Ali B., den die Bundespolizei ohne Zustimmung des irakischen Staates aus dem Irak nach Deutschland „rückgeführt“ hat. Der über den Einzelfall hinausgehende Kollateralschaden, wenn Behörden anfangen, gerichtliche Entscheidungen zu missachten, kann ganz erheblich sein. Insbesondere sind das alles Sargnägel für die funktionierende Gewaltenteilung und nicht unbedingt Ansporn für den Normalbürger, sich selbst an Recht und Gesetz zu halten.

Nachtrag: Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat angeordnet, dass der Betroffene nach Deutschland zurückgebracht werden muss. Die Abschiebung sei „grob rechtswidrig und verletzt grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien“, teilte das Gericht mit.

Vom Leihrad zum Gratisrad – das kann Ärger geben

Leihfahrräder scheinen ein großer Markt zu sein. Hier in Düsseldorf mischt derzeit mobike das Stadtbild auf. Die Leihräder der Firma stehen praktisch an jeder Ecke, können per App entriegelt und genutzt werden. Das Fahrtende ist an jedem beliebigen Ort im Stadtgebiet möglich.

Damit hat mobike einen großen Vorteil zu anderen Anbietern wie Call-a-Bike. Deren Räder sind nämlich stationsgebunden, und von den Stationen gibt es gar nicht mal so viele. Wenn man seinen Start- noch Zielort nur mit zusätzlichem Fußmarsch erreicht, ist das Angebot für mich eher reizlos. Auch wenn ich ein eigenes Fahrrad habe, habe ich mich mal bei mobike angemeldet und bin auch schon ein paar Mal damit geradelt. Das System ist simpel, die Bikes mit ihren Vollgummireifen und geringer Höhe tierisch unbequem und behäbig. Aber wenn die Alternative eine stickige Straßenbahn ist, reicht es für die Kurzstrecke allemal.

Ob man Sharing-Unternehmen seine persönlichen Daten anvertraut, ist Geschmackssache. Klar sollte sein, dass Ausleihzeiten und Fahrtstrecken penibel dokumentiert werden. Das macht die eigenen Wege nicht nur nachträglich überprüfbar (zum Beispiel durch die Polizei), sondern die generierten Daten sind garantiert ein lukrativer Zweitmarkt für die Firmen. Mobike zum Beispiel nutzt die Daten schon selbst nicht nur für Abrechnungszwecke. Vielmehr wird jeder Nutzer anhand seines Miet-, Fahr- und Rückgabeverhaltens gescored. Pflegeleichte und emsige Nutzer erhält Rabatte, andere, deren Räder verschwinden oder beschädigt werden, müssen am Ende bis zu 100 Euro für eine 20-minütige Nutzung zahlen. Das Ganze erinnert stark an das Sozialkredit-System, das gerade in China flächendeckend eingeführt wird.

Was mich eigentlich auf das Thema bringt: Ein anderer Anbieter, der an mehreren Orten jeweils hunderte Fahrräder ins Stadtbild gekippt hat, ist mutmaßlich pleite. Die Firma Obike (Sitz in Singapur) soll Insolvenz angemeldet haben. Für die Berliner Behörden ist das Unternehmen nicht erreichbar (Bericht im Tagesspiegel). Die App scheint nicht mehr zu funktionieren; die Räder sind also nutzlos.

Das wiederum bringt findige Aktivisten auf Ideen, etwa die Initiative LibreBike. Der Name ist an sich selbsterklärend. Nutzer sollen die nun „herrenlosen“ Räder befreien. Sozusagen ein erster Schritt zu einem kostenlosen Bikesharing-System. Für die Befreiung der Räder gibt es auf der Seite von LibreBike eine sehr detaillierte Anleitung.

Man könnte allerdings auch von einem Aufruf zu Straftaten sprechen.

Denn aus gutem Grund verliert die Infoseite kein näheres Wort über die juristischen Aspekte. Herrenlos habe ich im letzten Absatz nicht ohne Grund in Anführungszeichen gesetzt. Denn selbst im Fall einer Insolvenz des Anbieters ist es natürlich keinesfalls so, dass man sich die Bikes jetzt unter den Nagel reißen kann. Sie haben nach wie vor einen Eigentümer, im Zweifel wird es nach wie vor der bisherige sein. Ein Insolvenzverfahren ändert insoweit nichts.

Die Manipulation am Radschloss inklusive Entfernung des Solarpanels ist eine strafbare Sachbeschädigung (§ 303 StGB). Und selbst wenn man ein von anderen befreites LibreBike nur für eine kleine Fahrt nutzen will, sollte man vorsichtig sein. Nicht nur der unbefugte Gebrauch eines Kraftfahrzeuges ist strafbar. Sondern auch der unbefugte Gebrauch eines Fahrrades (§ 248b StGB). Wer also auf einem bereits geknackten Leihfahrrad angetroffen wird, riskiert ganz eindeutig ein Strafverfahren. Da hilft dann auch die Ausrede nichts, dass man das Rad gar nicht behalten wollte. Denn auf diesen Willen kommt es gar nicht an.

Wenn man sich ein Leihfahrrad dann auch noch dauerhaft in den Keller stellt, wäre es ohnehin ein Diebstahl (§ 242 StGB). Aber das sagt einem ja fast schon der gesunde Menschenverstand.

„Spontan-Urlaub“ kann Arbeitsplatz kosten

Ein spontaner Urlaub kann den Arbeitsplatz kosten. Klingt für mich jetzt wenig überraschend, aber genau zu diesem Thema musste das Landesarbeitsgericht Düsseldorf ein Urteil fällen.

Eine Controllerin hatte an einem Mittwoch ihr berufsbegleitendes Studium erfolgreich beendet, dafür gönnte sie sich für den Rest der Woche noch zwei Urlaubstage, die der Arbeitgeber genehmigte. Am Montag kam die Frau aber nicht pünktlich zur Arbeit. Vielmehr sandte sie um 12.04 Uhr, zwei Stunden nach ihrem Arbeitsbeginn, eine E-Mail aus Mallorca. Unter dem Betreff „Spontan-Urlaub“ teilte sie mit, ihr Vater habe ihr zur bestanden Prüfung einige sonnige Tage geschenkt. Sie in der folgenden Woche wieder ins Büro.

Der Arbeitgeber fand das weniger lustig und sprach eine Kündigung aus. Die Richter am Landesarbeitsgericht wiesen darauf hin, die eigenmächtige Inanspruchnahme von Urlaub sei ein Kündigungsgrund, der an sich nicht nur eine fristgerechte, sondern sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Spätestens ab Dienstag, als sie eine Rückreise endgültig ablehnte, habe die Klägerin ernsthaft zu erkennen gegeben, dass sie an dem eigenmächtig genommenen Urlaub festhalte und nicht zur Arbeit kommen werde. Damit habe sie falsche Prioritäten gesetzt und ihre vertragliche Pflicht zur Arbeit beharrlich verletzt.

Die Klägerin hatte dennoch Glück im Unglück. Es gab unter anderem Zweifel, ob der Betriebsrat wirksam angehört worden war. Deshalb einigte man sich vor Gericht auf eine fristgerechte Kündigung; eine Abfindung von einem knappen Monatsgehalt (4.000,00 €) erhält die Klägerin auch (Aktenzeichen 8 Sa 87/18).

Kurz mal über den Tisch?

Die Sitzordnung im Saal bestimmt das Gericht. Das will ich gar nicht bestreiten. In einem größeren Verfahren mit etlichen Angeklagten hatten mein Mandant und ich bislang die Ehre, dass wir in der ersten Reihe Platz nehmen durften. Das Vergnügen war aber anscheinend etwas einseitig, denn die Richter fühlten sich mitunter von meinem Mandanten gestört.

Aus meiner Sicht hielt sich das Belästigungspotenzial allerdings im zulässigen Rahmen. Gut, der Mandant schnaubte schon mal vernehmlich, wenn sich das Gericht – aus seiner Sicht – mal wieder einen Klops erlaubte. Ein paar Mal kam von ihm auch eine deutliche Bemerkung, aber nichts, was einen aus der Fassung bringen müsste. Anders bei diesem Gericht: Es folgte dann irgendwann die „Drohung“, man könne die Sitzordnung ja auch ändern und meinen Mandanten weiter nach hinten verbannen.

Darauf passierte einige Verhandlungstage nichts. Ich ging eigentlich davon aus, die Sache sei vielleicht auch deswegen erledigt, weil mein Mandant sich auf die Rüffel der Vorsitzenden hin schon einsichtig zeigte. Während dieser Zeit fiel er jedenfalls keinesfalls aus der Rolle.

Umso überraschter war ich, als ich einige Zeit später vor Verhandlungsbeginn meinen angestammten Platz von einem anderen Verteidiger eingenommen fand. Die Papierschildchen mit den Namen der Verfahrensbeteiligten, welche die Wachtmeister jeden Morgen aufstellten, sprachen ebenfalls eine klare Sprache. Ab sofort sollten wir hinten sitzen.

Ich rätselte schon ein wenig, wieso es jetzt dazu gekommen war. So richtig musste ich aber nicht. Nach der Mittagspause an dem Verhandlungstag erhielt ich von meinem Sekretariat das PDF eines Faxes, welches das Gericht gerade in mein Büro geschickt hatte. Es war die schriftliche Ablehnung eines Antrags auf Haftentlassung. Diesen hatte ich für den Mandanten gestellt, weil der nun schon geraume Zeit in Untersuchungshaft schmort. Nach meiner Meinung zu Unrecht.

Nun gut, das Gericht hätte mir die Entscheidung natürlich auch persönlich aushändigen können. Ich war ja da – und zwar noch bis in den Nachmittag. Über Stil kann man halt streiten. Allerdings war jetzt natürlich klar, wieso die Verbannung nach hinten genau an diesem Verhandlungstag begann. Dem Gericht war bewusst, dass ich wohl noch im Laufe des Tages von dem Fax erfahre. Da wollte man anscheinend lieber auf Nummer sicher gehen und Abstand schaffen für den Fall, dass mein seeeeehr kräftiger Mandant etwas in Richtung Richterbank unternimmt, bevor die im Saal postierten Wachtmeister eingreifen können.

Dieser Gedanke ist allerdings schon reichlich absurd, für so was ist mein Mandant ein Quentchen zu schlau. Letztlich sagt der Ablauf aus meiner Sicht weniger über den Mandanten, dafür umso mehr über die Befindlichkeiten auf der Richterbank. Ich weiß nicht, ob ich mir als Richter so eine Blöße geben würde.

Neuanfang

Gestern nachmittag bin ich ziemlich übel mit einer Polizistin aneinander gerasselt. Unser Telefonat eskalierte in einer Art und Weise, wie ich es wirklich nicht oft erlebe.

Ich will jetzt gar nicht diskutieren, ob meine Position oder die der Beamtin eine sachliche Rechtfertigung hatte. Sondern eigentlich nur erzählen, dass ich mir so zwei, drei Minuten nach dem Gespräch dachte: Komm‘, ruf die Frau noch mal an, entschuldige dich und schlage einen Neuanfang vor.

Sie ging auch ans Telefon. Während ich meine Entschuldigung vorbrachte, kam aus meinem Sekretariat eine Telefonnotiz rein. Die Notiz war erst wenige Sekunden alt:

Frau B. von der Kripo bittet um Rückruf, wenn Sie Gelegenheit haben. Es tut ihr leid und sie möchte gerne mit Ihnen sprechen, wie die Meinungsverschiedenheit aufzulösen ist.

Genau das war dann gar nicht so schwer. Also immer dran denken, auch mal über den eigenen Schatten zu springen. Es kann sich lohnen.

Datenträger können auch gelöscht werden

Gerichte kassieren ja sehr gerne ganze Computer, Smartphones und Festplatten ein. Oft genügt es, wenn diese Dinge als „Tatwerkzeug“ in Betracht kommen. Dabei ist die Rechtslage aber längst nicht so simpel, wie es aussieht. Das hat der Bundesgerichtshof aktuell für Festplatten klargestellt.

Bei Speichermedien mit möglicherweise strafbaren Inhalten müsse das Gericht prüfen, ob es technisch möglich ist, die Dateien in einer Art und Weise von der Festplatte zu löschen, dass sie nicht mehr wiederhergestellt werden können. Nur falls das Gericht dies ausdrücklich bejaht (und entsprechend begründen kann), könne die Festplatte einbehalten werden. Das Bundesgerichtshof verweist auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

In der Praxis wird diese Rechtsprechung, die der aktuelle Beschluss bestätigt, gerne ignoriert. Man muss also aktiv darauf hinweisen, dass die Einbehaltung von Datenträgern selbst dann kein Automatismus ist, wenn sich darauf eventuell strafbare Inhalte befinden (Aktenzeichen 5 StR 65/18).

Eine DENIC-Abfrage ist so nutzlos wie nie zuvor

Gastbeitrag von Rechtsanwältin Katia Genkin, Düsseldorf

Dass Datenschutz mitunter den Tatenschutz fördert, ist schon öfter behauptet worden. Aber die DSGVO liefert nun den Beleg für diese These. Während um Redlichkeit bemühte Blogger oder Shop-Betreiber jeden Tag fürchten, wegen einer Banalität abgemahnt zu werden, können sich die professionellen Schmutzfinken des Internets entspannt zurücklehnen: Mit der DSGVO ist es noch schwieriger geworden, etwa gegen Verleumdungen oder Beleidigungen vorzugehen. Der Grund: Auch Domain-Inhaberdaten sind nun gut geschützt.

Was einem Unternehmen oder einer Privatperson passieren kann, zeigt das Beispiel der Stiftung Warentest.

Deutschlands höchste Instanz für den Verbraucherschutz kämpft derzeit ebenso verzweifelt wie erfolglos gegen Internetveröffentlichungen eines “Anleger-Portals”, das den Angaben zufolge “frei erfundene Vorwürfe gegenüber der Stiftung und speziell einer Redakteurin” in Netz gestellt hat. Das deutschsprachige Portal nennt im Impressum eine Adresse in den USA, bei der es sich laut Stiftung Warentest um eine reine Briefkasten-Adresse handelt.

Sinn und Zweck der Impressumspflicht ist es, einfach Information darüber erhalten zu können, wer für den Webauftritt verantwortlich ist und Reklamationen und Klagezustellungen zu ermöglichen. Ohne (zutreffende) Impressumsangaben läuft aber eine juristische Maßnahme etwa gegen Verleumdung ins Leere, denn eine Klage muss zugestellt werden können.

Bis vor kurzem gab es noch eine Chance, einen Impressums-Schummler mit vertretbarem Aufwand zu ermitteln: über die Inhaberdaten der Domain.

Zwar sieht der Bundesgerichtshof die Eintragung einer Person als Inhaberin in der WHOIS-Datenbank nur als ein Indiz an, nicht als einen stichhaltigen Beweis für die Inhaberschaft der Domain (BGH, Urteil vom 18.01.2012, I ZR 187/10) und ein Domain-Inhaber ist nicht zwangsläufig der Verantwortliche einer Onlineveröffentlichung. Aber die Domainabfrage ist immerhin ein erster Ansatz, dem Verantwortlichen auf die Spur zu kommen.

Seit dem 25.05.2018, dem Inkrafttreten der DSGVO ist es damit vorbei. Wer etwa bei ICANN wissen will, wer hinter whitehouse.gov steckt, erfährt nur:

DOTGOV WHOIS Server ready
Domain Name: WHITEHOUSE.GOV
Status: ACTIVE

Bei Fake-News hätte man also bei so einer Adresse möglicherweise ein echtes Problem, falls kein Impressum existiert. Wie wäre es zum Beispiel mit handelsblatt.com? Das Ergebnis ist ziemlich eintönig.

Name: REDACTED FOR PRIVACY
Organization: REDACTED FOR PRIVACY
Mailing Address: REDACTED FOR PRIVACY
Phone: REDACTED FOR PRIVACY
Ext: REDACTED FOR PRIVACY
Fax: REDACTED FOR PRIVACY
Fax Ext: REDACTED FOR PRIVACY
Email:info@domain-contact.org
etc.

Wer Glück hat, findet bei den verbliebenen Angaben noch eine Mail-Adresse für Missbrauchsfälle und kann dann mal gucken, ob irgendjemand, wo auch immer, irgendwann mal darauf antwortet.

Der Fairness halber sei gesagt, dass es schon früher bei Domain-Registraren in fernen Ländern möglich war, mehr oder weniger inkognito eine Domain zu registrieren, weil Angaben kaum geprüft wurden oder eine Anmeldung über sogenannte „WHOIS Protection“-Dienste möglich war, die bei einer „Whois-Abfrage“ – etwa im DENIC-Register – falsche Angaben lieferte.

Auch deshalb genießen .de-Domains viel Vertrauen, denn da geht es mit deutscher Gründlichkeit zu. Früher gab es bei der Vergabestelle DENIC verlässliche Domain-Inhaberdaten, heute gibt es verlässlich im Sinne der DSGVO erst mal … nichts mehr. Klare Ansage: Daten zum Domaininhaber werden nicht mehr angezeigt.

Ausnahmsweise können Behörden die Domaindaten noch bekommen. Die DENIC erteilt zudem, “auf Basis von Einzelfallprüfungen”, gegen Nachweis eines berechtigten Interesses Auskünfte zum Domaininhaber an

– Inhaber eines Namens- oder Kennzeichenrechts, das durch die Domain möglicherweise verletzt wird.
– oder Anspruchsteller, die im Besitz eines vollstreckbaren Titels sind und die zivilrechtliche Pfändung der domainvertraglichen Ansprüche des Domaininhabers beabsichtigen.

Wie das in der Praxis gehandhabt wird, ist mir noch nicht bekannt. Absehbar aber ist, dass die DENIC bei Fällen von Verleumdungen oder Beleidigungen kaum Auskunft erteilen wird, denn sie spricht von einer Rechtsverletzung durch die Domain, nicht von einer Rechtsverletzung durch den Inhalt.

Der Inhaber einer Domain wie www.besser-als-allianz-versicherung.de würde vermutlich preisgegeben. Wenn hingegen jemand die Domain www.50-korrupte-politiker.de registriert und anonym Verleumdungen und Beleidigungen über Politiker verbreitet, wird es kaum Domain-Daten geben, wodurch Politiker aber immerhin einen ungeahnten Praxisbezug ihrer Gesetzgebung erhalten würden.

Der Domain-Zuteiler ICANN, der mit einer Klage gegen den in Bonn sitzenden Domain-Registrar EPAG das Ziel verfolgte, dass auch nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung zusätzliche Daten weiterhin erhoben und ihr mitgeteilt würden, hat eine Schlappe erlitten. Das Landgericht Bonn (LG Bonn, Beschluss vom 29.05.2018, 10 O 171/18, nicht rechtskräftig) hat klargestellt, dass Datenerhebungen restriktiv zu handhaben sind. Das Gericht hat argumentiert, dass zwar „ein Mehr an Daten die Identifizierung von hinter einer Domain stehenden Personen und eine Kontaktaufnahme zu diesen verlässlicher erscheinen“. Vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Datensparsamkeit sei aber nicht zu erkennen, warum zusätzlichen Datensätze erhoben werden müssten.

Bleibt der Löschungsanspruch gegen Google und andere Suchmaschinen-Betreiber, damit Schmutzkampagnen zumindest nicht noch prominent in den Suchergebnissen gezeigt werden. Wie das Beispiel der Stiftung Warentest zeigt, ist jedenfalls Google dabei offenkundig nicht besonders kooperativ.

Da war noch was? Wer als Opfer von Verleumdung und Beleidigung auf das Netzwerkdurchsetzungsgesetz hofft, dem Berliner Schwert gegen das Böse im Internet, der wird schon wieder enttäuscht. Es gilt nur für die Sozialen Netzwerke, nicht für eine Homepage.

Fazit also: Während die Politik mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz gerade Verleumdungen und Beleidigungen im Netz unterbinden wollte, hat sie mit der DSVGO eine komfortable Schutzzone eben dafür eingerichtet. Unternehmen haben zunächst viel investieren müssen, um allen DSVGO-Anforderungen gerecht zu werden. Künftig werden sie auch noch – wenn sie nicht einfach nichts tun wollen – erheblich Budget und Personalressourcen aufbringen müssen, um die Personen zu identifizieren zu versuchen, die unter dem Schutz der DSGV illegale Machenschaften gegen sie betreiben.

Die Autorin Katia Genkin ist Rechtsanwältin in Düsseldorf. Sie berät deutsche und französische Unternehmen unter anderem zum Gewerblichen Rechtsschutz sowie Reputationsschutz.

Eltern entscheiden selbst über Internetnutzung ihrer Kinder

Ein Familienrichter braucht einen guten Grund, wenn er Eltern vorschreiben will, ob und in welchem Umfang deren Kinder das Internet nutzen bzw. ein Smartphone besitzen dürfen. Das Oberlandesgericht Frankfurt stellt in einem aktuellen Beschluss klar, dass hierzu konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegen müssen.

Ein Familienrichter hatte der Mutter eines achtjährigen Mädchens, die vom Vater des Kindes getrennt lebt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen. Bei der Anhörung hatte sich herausgestellt, dass das Mädchen über Geräte der Mutter online gehen konnte; außerdem besaß das Kind ein eigenes Smartphone. Dem Richter gefiel das nicht, deshalb ordnete er Beschränkungen an. Unter anderem sollte das Kind bis zum 12. Geburtstag kein Smartphone haben dürfen.

Die Eltern des Mädchens wandten sich gemeinsam gegen die Anordnung. Mit Erfolg. Eine Gefährdung des Kindeswohls müsse nicht nur möglich erscheinen, sondern mit „ziemlicher Sicherheit“ zu erwarten sein, sagt das Oberlandesgericht. Es sei nicht Aufgabe des Staates, die „perfekten“ Erziehungsmethoden vorzugeben. Vielmehr dürfe in die Grundrechte der Eltern und auch des Kindes nur eingegriffen werden, wenn konkrete Schäden drohen.

Das Gericht sieht zwar eine potenzielle Gefährdung durch „smarte Technologien und Medien“. Gefahren seien aber auch gegeben, wenn Eltern ihre Kinder zu lange vor dem Fernseher sitzen lassen oder die Kindern ausschließlich Junkfood bekommen. Das Gericht sieht zahlreiche individuelle Spielräume, in denen Eltern eigenverantwortlich ihr Erziehungsrecht ausüben können. Ausdrücklich weist das Gericht darauf hin, die Nutzung digitaler Medien durch Kinder müsse nicht komplett untersagt, sondern pädagogisch begleitet werden (Aktenzeichen 2 UF 41/18).

Verfahren, eng getaktet

Ein Mandant hatte über einige Tage hinweg vermutlich eine sehr schlechte Phase. Das sicherte ihm bei einer Staatsanwaltschaft hier in Westdeutschland folgende Aktenzeichen:

42 Js 708/18
42 Js 713/18
42 Js 714/18
42 Js 715/18
42 Js 716/18
42 Js 733/18

Ich habe zwar kein betriebswirtschaftliches Soll für neue Mandate im Kopf, aber heute müssten nicht unbedingt noch weitere kommen, damit ich zufrieden bin.

Viel Zeit mitbringen

Heute morgen dachte ich noch erfreut, das Pensum für den Arbeitstag ist sehr überschaubar. Um 10 Uhr ein Verhandlungstermin an einem Amtsgericht im Kölner Umland. Dann gemütlich zurück, noch etwas Büro, und ab 16 Uhr Viertelfinale.

Jetzt, um kurz nach halb drei, sítze ich wirklich noch live im Gerichtssaal. Das Gericht hat sich zur Urteilsberatung zurückgezogen, die anderen Beteiligten stehen draußen und rauchen sich eine. Um 14.50 Uhr ist voraussichtlich mit einem Urteil zu rechnen.

Normalerweise stehen ja wir Anwälte im Geruch, Verfahren in die Länge zu ziehen. Das war heute definitiv nicht der Fall. Mein Mandant hat die ihm zur Last gelegten Taten gestanden. Und zwar bilderbuchmäßig. In solchen Fällen wird vom Gericht dann nur noch verlangt, dass es sich nicht allein auf das Geständnis stützt. Als Gegencheck reicht es dann aber aus, wenn man sich bei den Zeugen erkundigt, ob diese das im Großen und Ganzen bestätigen können. Gern wird auch ein Polizeibeamter gefragt, der in der Sache ermittelt hat.

Leider scheint das vor diesem Gericht nicht zu gelten. Die Zeugen wurden bis zum letzten Detail gegrillt, und zwar auch vom Staatsanwalt. Gerade dieser stellte viele – aus meiner Sicht – völlig überflüssige Fragen. So ging die Zeit dann ins Land, am Ende liegt die Verhandlungsdauer knapp über fünf Stunden.

Dabei, ich lege mich mal fest, hätte man das Ganze auch in 60 bis 90 Minuten abwickeln können, ohne dass die Wahrheitsfindung irgendwie gelitten hätte. Es immerhin war wohl ein wenig Vorsehung, dass ich für heute Nachmittag keine Besprechungstermine gemacht habe.

Wenn ich mal wieder zu diesem Richter muss, bin ich gewarnt und bringe wieder viel Zeit mit.