Wenn Zeugen bei der Polizei oder gar vor dem Staatsanwalt aussagen sollen, gibt es mitunter gute Gründe, einen Anwalt mitzunehmen. Deshalb bin ich öfter auch als Zeugenbeistand tätig. Das ist mittlerweile eine gesetzlich geregelte Sache. Zumindest als Zeugenbeistand erschienene Rechtsanwälte kann man praktisch nicht mehr vor die Tür setzen, auch wenn der Zeuge sich aus Sicht der Vernehmungsbeamten natürlich dann leider weniger effektiv heißmangeln lässt.
Letzte Woche hatte ich wieder das Vergnügen. Die Vernehmung meines Mandanten war voll von Ärgernissen. Vor allem deswegen, weil er unter Berufung auf § 55 StPO inhaltlich nichts sagte. Erfolgreich, übrigens. Am Ende des fast dreistündigen Hickhacks, der sich immerhin in einem fünfseitigen Protokoll niederschlug, stand ein Ärgernis, über das ich gerne was sagen möchte.
Der Umstand nämlich, dass Zeugen zwar regelmäßig das erstellte Protokoll lesen und unterschreiben sollen. So emsig wie auf eine Unterschrift gedrungen wird, so ungern wird dem Zeugen aber eine Kopie der Niederschrift zugestanden. „Eine Kopie der Aussage? Da haben Sie keinen Anspruch drauf.“ Die Staatsanwältin freute sich sichtlich, mir das um die Ohren hauen zu können.
Das ist juristisch richtig. Es steht nirgends, dass dem Zeugen eine Kopie des Protokolls zusteht. Es steht aber auch nirgends, dass ihm keine Kopie ausgehändigt werden darf. Ich sage dazu immer, dass niemand im Möbelhaus einen Schrank bestellt, ohne sich eine Kopie des Vertrages geben zu lassen. Aber bei einer Aussage, für deren Wahrheitsgehalt man als Zeuge möglicherweise mit einer Gefängnisstrafe „bürgt“, soll man auf eine Quittung verzichten?
Die Staatsanwältin blieb hart und genoss ihren kleinen Triumph. Als sie den Kuli rüberschnippte, damit mein Mandant – oder vielleicht besser ich – nicht länger nervt, schob ich den Kugelschreiber dezent zurück. Es begann dann eine Diskussion darüber, ob ein Zeuge das Vernehmungsprotokoll unterschreiben muss. Die Staatsanwältin, die offensichtlich selten mit Leuten zu tun hat, die ihre Rechte kennen, behauptete zunächst ersteres. Dann sah sie es ein: Nirgends steht im Gesetz, dass ein Zeuge seine Aussage unterschreiben muss. Es war an mir zu sagen: „Da haben Sie also keinen Anspruch drauf.“
Tja, wir trennten uns dann so. Mein Mandant ohne Kopie der Aussage. Die Staatsanwältin ohne Unterschrift auf ihrem tollen Protokoll. Logischerweise wertet eine fehlende Unterschrift so ein Dokument nicht unbedingt auf. Ich persönlich hätte dem Zeugen lieber seine Kopie gegeben, wenn ich dafür eine Unterschrift kriege.
Also merken, wenn ihr mal das Vergnügen habt als Zeuge befragt zu werden: Ohne Kopie des Protokolls gibt’s keine Unterschrift. Auch wenn euer Gesprächspartner tobt – ihr seid im Recht.