In einem Verfahren geht es darum, ob eine Frist eingehalten oder (möglicherweise) verbummelt wurde. Immer mal wieder ein schöner Anlass, nicht voreilig den Kopf in den Sand zu stecken. In solchen Fällen empfiehlt sich die Frage: Wurde die Gerichtsentscheidung überhaupt korrekt zugestellt?
Ich schaue mir also die bislang vorliegenden Zustellungsunterlagen an, das ist derzeit lediglich der gelbe Briefumschlag, in dem die Entscheidung ihren Weg zum Mandanten gefunden hat. Was dürfen meine müden Augen auf dem Umschlag erspähen:
Bis zum 02.10.2018 ist es ja noch etwas hin. Das Datum hat der Zusteller also grandios falsch notiert. Das ist keine Bagatelle. Denn interessanterweise regelt § 180 ZPO, dass das Datum der Zustellung zwingend auf dem Briefumschlag zu vermerken ist. Dabei handelt es sich nicht nur um eine Ordnungsvorschrift, die man auch mal ignorieren darf. Vielmehr ist die Zustellung ohne die – korrekte – Angabe des Datums auf dem Briefumschlag nicht wirksam. Das hat zum Beispiel der Bundesfinanzhof im Jahre 2015 entschieden.
Es kommt demnach nicht nur auf die Zustellungsurkunde an, die ja an den Auftraggeber der Zustellung (hier: das Gericht) zurückgeschickt wird. Sondern halt auch auf die korrekten Angaben auf dem Briefumschlag.
Nun könnte man argumentieren, bei dem 02.10.2018 handele es sich ja erkennbar um eine ans Englische orientierte Datumsangabe. Gemeint sei ersichtlich der 10.02.2018. Die Annahme wird natürlich dadurch begünstigt, dass es den 02.10.2018 noch nicht gegeben hat.
Allerdings scheint mir dieses Argument nicht zugkräftig. Zum einen dienen Zustellungen ja dazu, um Rechtssicherheit zu erzeugen. Mit Vermutungen, Interpretationen und dem, was wir Juristen Auslegung nennen, wird man da nur schwer weiterkommen. Bei uns ist die Amtssprache deutsch (ich freue mich, dies einmal mit Nachdruck betonen zu dürfen). Das Deutsche kennt die Schreibweise nun mal definitiv nicht, bei der der Monat vor dem Wochentag kommt. Sicher gibt es da auch DIN-Vorschriften oder ähnliches, die muss ich mal in Ruhe raussuchen.
Ein anderer Punkt erscheint mir ohnehin gewichtiger: Solchen Zustellungsurkunden wohnt der Glaube ihrer Richtigkeit inne (§ 415 ZPO). Das heißt, was drauf steht, wird erst mal als richtig unterstellt und ein Gegenbeweis ist kaum möglich.
Was ist denn, wenn die fraglichen Dokumente einem Richter erst später vorgelegt werden, sagen wir im Juni 2019? Der Richter kann alleine anhand der Urkunden dann ja schlecht auf das Argument zurückgreifen, der 02.10.2018 sei noch nicht gewesen. Im Gegenteil: Wegen des öffentlichen Glaubens der Urkunde läge dann möglicherweise sogar die Beweislast beim Empfänger, dass er das Schreiben nicht am 02.10.2018 erhalten hat.
Nach meiner Meinung ist die Frist mangels wirksamer Zustellung gar nicht in Lauf gesetzt worden. Mal schauen, wie es die Gerichte sehen – vielleicht ja auch erst im Jahr 2019.