Für beträchtliches Aufsehen sorgt derzeit der Fall des 12-jährigen Levin, der in Attendorn eigentlich etwas gemacht hat, das heute in der Tat wenig alltäglich ist: Der Junge warf den Karton seiner Pizza in einen öffentlichen Mülleimer, und nicht etwa achtlos auf die Straße.
Exakt dafür soll er aber von einem Mitarbeiter des Ordnungsamtes belangt worden sein. Zehn Euro Verwarngeld seien Levin aufs Auge gedrückt worden, berichtet etwa Der Westen.
Ein Pizzakarton fällt in Attendorn (angeblich) unter Hausmüll. Hausmüll darf aber nicht in öffentlichen Mülleimern entsorgt werden. Natürlich kann man trefflich über solche Vorschriften streiten, auch darüber, ob sie wirklich so streng ausgelegt werden müssen.
Mir fällt an der Geschichte aber ein anderes Detail auf, das bislang wenig Beachtung gefunden hat. Hierzu müssen wir einfach mal ins Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) schauen. § 12 OWiG enthält eine interessante Regelung, welche dem Knöllchenschreiber des Ordnungsamtes eigentlich hätte bekannt sein sollen:
Nicht vorwerfbar handelt, wer bei Begehung einer Handlung noch nicht vierzehn Jahre alt ist.
Das ist eine Regel im Bußgeldrecht, wie man sie auch bei der strafrechtlichen Verantwortung einer Person kennt. Unter 14-Jährige können demnach schlicht und einfach nicht wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt werden. Zwar ist unter der Schwelle des Bußgeldes auch eine Verwarnung möglich, wie sie hier wohl in Rede steht. Aber auch das eröffnet für die Ordnungsämter keine Möglichkeit, Minderjährige zu verwarnen.
Denn die Verwarnung ist nur bei „geringfügigen Ordnungswidrigkeiten“ zulässig (§ 56 OWiG). Es muss also stets tatsächlich eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des Gesetzes vorliegen (von deren Verfolgung dann mit einer Verwarnung abgesehen wird), was aber hier nicht der Fall ist, weil die Tat eines unter 14-Jährigen halt grundsätzlich nicht verfolgbar ist.
Wenn Levin die Verwarnung nicht akzeptiert hätte, wäre der Stadt ja auch nichts anderes übrig geblieben, als einen Bußgeldbescheid zu erlassen. Dieser Bescheid wäre aber spätestens nach einem Einspruch des Jungen wieder aufzuheben gewesen, weil halt nun mal keine verfolgbare Ordnungswidrigkeit vorlag.
Das Attendorner Ordnungsamt hat also rechtswidrig gehandelt, ganz unabhängig von der Sinnhaftigkeit der Ortssatzung. An sich täte die Stadt gut daran, wenn sie Levin das Verwarnungsgeld erstattet und ihre Mitarbeiter etwas besser schult.
Nachtrag: Mittlerweile gibt es auch eine launige Stellungnahme des Attendorner Bürgermeisters. Der Umstand, dass ein Kind unter 14 Jahren schlicht und einfach nicht verwarnt werden darf, scheint dem Bürgermeister nicht bekannt zu sein.