Ein Strafbefehl muss nicht richtig sein

Mein Mandant bekam einen Strafbefehl, in dem eine üppige Geldstrafe verhängt wurde. Der Mandant soll jemanden falsch verdächtigt haben, was nach § 164 StGB strafbar ist.

Hintergrund ist ein Streit mit einem anderen Autofahrer. Dabei kam es zu einer Rangelei. Der andere Autofahrer wurde verletzt. Mein Mandant wurde deswegen schon wegen Körperverletzung verurteilt, und zwar unter segensreicher Mitwirkung eines anderen Anwalts. Dieses Urteil ist rechtskräftig.

Aber der zuständige Staatsanwalt meinte, das sei nicht ausreichend. Deshalb holt er im Entwurf für den jetzigen Strafbefehl entsprechend aus:

Am 23.12.2015 legten Sie zu Protokoll der Rechtspflegerin beim Amtsgericht vor dem Rechtspfleger P. Einspruch gegen den Strafbefehl (Anmerkung: den ursprünglichen Strafbefehl wegen Körperverletzung) ein und begründeten diesen wahrheitswidrig damit, dass der Zeuge L. Sie zuerst geschlagen habe…

Dies überzeugte den zuständigen Richter so, dass dieser den Strafbefehl ohne Änderung unterschrieb. Nun ja, schauen wir einfach mal, wie mein Mandant seinen Einspruch vor dem Rechtspfleger damals begründet hat:

Am nächsten Ampelstopp bin ich dann ausgestiegen, um den Geschädigten nach dem Grund zu fragen. Dabei habe ich mich durch das geöffnete Seitenfenster des PKWs des Geschädigten gebeugt, um den Schlüssel abzuziehen. Ich wollte dadurch den Geschädigten an der Flucht hindern.

Der Geschädigte hat mir dabei meine Brille vom Kopf geschlagen, die dabei auch noch beschädigt wurde (kleiner Sprung im Glas).

Den Schlüssel habe ich abgezogen und den Geschädigten dann – als Reaktion – mit der flachen Hand, nicht aber mit der Faust, ins Gesicht geschlagen.

Es geht in dem Fall nur darum, ob der Mandant seinen Kontrahenten zu Unrecht einer Straftat bezichtigt. Ich erlaubte mir vor Gericht den Hinweis, dass mein Mandant nie und nimmer das gesagt hat, was ihm der Strafbefehl zur Last legt. In der Begründung steht nicht, der Geschädigte habe meinen Mandanten geschlagen. Da steht nur, der Geschädigte habe ihm die Brille vom Kopf geschlagen.

Also erhob mein Mandant gar nicht den Vorwurf der Körperverletzung. Sondern er sagte lediglich, ihm sei die Brille vom Kopf geschlagen worden. Warum, das bleibt offen. Es kann also unvorsätzlich passiert sein, als der Geschädigte gestikulierte. Eine fahrlässige Sachbeschädigung der Brille ist aber nicht strafbar. Im Ergebnis hat mein Mandant den anderen zwar „bezichtigt“, aber eben nicht unbedingt einer Straftat.

Oh.

Der Prozess war nach wenigen Minuten zu Ende – mit dem unvermeidlich positiven Ergebnis. Ich erzähle diese Geschichte gerne für alle, die in ihrem Leben noch mal einen Strafbefehl bekommen werden. So ein Strafbefehlsentwurf wird vom Staatsanwalt, dem Strafverfolger, verfasst. Da kann es gern auch mal zu einer gewissen Betriebsblindheit kommen. Der Richter wiederum prüft den Strafbefehl nur, bevor er ihn unterschreibt.

Wie sorgfältig das mitunter geschieht, zeigt der vorliegende Fall.