Weil sie auf ihrer Webseite als Leistung unter anderem Schwangerschaftsabbrüche erwähnte und auch Informationsmaterial zur Verfügung stellte, ist eine Ärztin in Gießen zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Amtsgericht Gießen sieht hierin eine unerlaubte Werbung für Schwangerschaftsabbrüche nach § 219a StGB.
Wohlgemerkt, die Medizinerin darf Schwangerschaften abbrechen, wenn ihre Patientinnen eine Bescheinigung über die gesetzlich vorgeschriebene Beratung haben. Sie darf aber nicht öffentlich erwähnen, dass sie Schwangerschaften abbricht. „Der Gesetzgeber möchte nicht, dass über den Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit diskutiert wird als sei es eine normale Sache“, zitiert die Süddeutsche Zeitung die Richterin.
Egal, ob man das im Ergebnis richtig oder falsch findet, genau so wird der einschlägige Paragraf bislang verstanden. Alle Strafrechtskommentare weisen darauf hin, dass es wohl reicht, wenn ein Arzt auf seine Bereitschaft für eine entsprechende Behandlung hinweist, möglicherweise sogar zwischen den Zeilen. So wollte es wohl auch der damalige Gesetzgeber. Weitere Voraussetzung ist dann nur, dass der Arzt wegen eines Vermögenvorteils handelt. Aber auch das ist natürlich keine große Hürde, denn auch die Gießener Ärztin arbeitet natürlich nicht umsonst.
Bleibt als Rückzugsmöglichkeit nur das, was die Verteidigerin der Angeklagten vorbringt. Dass es sich nämlich noch gar nicht um ein „Angebot“ handelt, sondern lediglich um eine sachliche Information. Wichtig ist ja, dass die Überschrift des § 219a StGB ausdrücklich lautet:
Werbung für den Abbruch der Schangerschaft
Alles, was nach dem Oberbegriff also gar keine „Werbung“ ist, wäre somit vielleicht doch nicht von der Regelung erfasst. Überdies ist bei fehlendem eigenem Erwerbsinteresse ansonsten auch nur das „grob anstößige“ Handeln untersagt. Das bedeutet, dass Personen und Institutionen, die kein eigenes Erwerbsinteresse haben, jedenfalls sachlich über Schwangerschaftsabbrüche informieren dürfen. Wieso das dann einer Ärztin untersagt werden muss, ist dann wirklich eine Frage. Das Isso vom Amtsgericht Gießen hilft jedenfalls kaum weiter, wenn man nach Sinn und Unsinn der Vorschrift fragt.
Immerhin scheint die deutsche Justiz auch gewisse Probleme mit der Vorschrift zu haben. Bis nun die Gießener Strafverfolger tätig wurden, gab es wohl immer mal wieder Strafanzeigen gegen Abtreibungsärzte, die öffentlich über ihre Tätigkeit informierten. Die Verfahren wurden aber anscheinend alle eingestellt.
Jedenfalls ist der § 219a StGB einer der wenigen Paragrafen, für den die Urteilsdatenbanken kein einziges Strafurteil auswerfen. Also ist es keineswegs ausgeschlossen, dass die nächsten Instanzen und letztlich das Bundesverfassungsgericht die Schwelle zur verbotenen Werbung doch etwas höher hängen als das Gießener Amtsgericht. Am Ende könnte da auch der Zeitgeist eine Rolle spielen. Der dürfte sich seit den Siebzigern doch etwas gewandelt haben.