Männlich, weiblich – und was gibt es dazwischen? Oder daneben? Das Bundesverfassungsgericht stärkt nun mit einer, wie ich finde, aufsehenerregenden Entscheidung die Rechte der vielen Menschen, die sich nicht den klassischen Geschlechtern zuordnen lassen wollen. Die bisherige Praxis, entweder als Frau oder Mann kategorisiert zu werden oder gar keinen Eintrag zu bekommen, ist nach einem heute veröffentlichen Beschluss des Gerichts verfassungswidrig.
Das Gericht nimmt schon selbst auf die sensible Materie Rücksicht, indem es im Beschluss von einer „beschwerdeführenden Person“ spricht und nicht, wie üblich, von einer Beschwerdeführerin oder einem Beschwerdeführer. Die betreffende Person hatte sich längere Zeit darum bemüht, dass ihr Geschlecht im Personenstandregister von weiblich in „inter/divers“ oder „divers“ geändert wird. Von der bereits bestehenden Möglichkeit, den Eintrag ganz streichen zu lassen mit der Folge,
dass im Personenstandsregister dann „fehlende Angabe“ steht, wollte sie keinen Gebrauch machen.
Die Behörden und auch die Gerichte verweigerten die Änderung zunächst. In Karlsruhe fand die Person nun offene Ohren. Nach dem Beschluss schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder als Männer noch Frauen begreifen. Geschlechtliche Identität, so das Gericht, sei auf das Selbstverständnis als Mann oder Frau reduziert. Wer sich der klassischen Zuordnung entziehe, dessen „geschlechtliche Identität“ sei aber dennoch genauso geschützt wie die von Männern und Frauen. Deshalb werde die „fehlende Angabe“ der berechtigten Identifikation mit einem Geschlecht, das nicht männlich oder weiblich ist, nicht gerecht.
Im Ergebnis bejaht das Gericht eine Diskriminierung der Betroffenen. Diese Diskriminierung werde auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass bei Zulassung anderer Angaben im Personenstandsregister die Verwaltungskosten steigen. Ein „Mehraufwand“, so das Gericht, sei hinzunehmen.
Eine eigene Regelung treffen die Richter nicht. Vielmehr muss nun das Parlament entscheiden, welche Lösung sinnvoll ist. Neben der Anerkennung eines dritten Geschlechts kommt laut dem Gericht durchaus in Betracht, dass auf den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister komplett verzichtet wird. Als Übergangsfrist legen die Richter den 31. Dezember 2018 fest (Aktenzeichen 1 BvR 2019/16).