Beschuldigter in einem Strafverfahren – das ist schon unerfreulich genug. Besonders blöd ist es aber, wenn man hiervon erst aus der Boulevardpresse erfährt. So ging es einem meiner Mandanten. Dieser durfte dem Express entnehmen, dass die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl gegen ihn beantragt hat.
Aber nicht nur das. Die Staatsanwaltschaft hatte die Presse auch gleich noch umfassend über die Gründe informiert, die sie zum Strafbefehlsantrag bewogen haben. In den Berichten stand also ganz detailliert, was für ein schlimmer Finger mein Mandant sein soll. Er selbst wusste bis zu diesem Zeitpunkt nur, dass gegen ihn ermittelt wird.
Für die Pressearbeit von Staatsanwaltschaften gibt es nur wenige Regeln. Eine ist allerdings recht eindeutig: Von Anklagen, Strafbefehlen und sonstigen wichtigen Schritten muss der Beschuldigte wissen, bevor offizielle Informationen an die Medien gehen. An sich ist das ja auch eine Selbstverständlichkeit. Rechtsstaat und so.
Die Staatsanwaltschaft hätte dieser Verpflichtung leicht genügen können. Es ist ihr nicht untersagt, dem Beschuldigten oder seinem Anwalt eine Kopie des Strafbefehlsantrags zu schicken. Womöglich verbunden mit der höflichen Info, dass in ein, zwei oder drei Tagen eine Presseinformation rausgeht.
Das geschah jedoch nicht. Vielmehr baute der Pressestaatsanwalt einen Zeitpuffer ein. Er verließ sich darauf, das Amtsgericht werde meinen Mandanten den Strafbefehl zeitnah zustellen. Er rechnete mit etwa zehn Tagen, was wohl seine Erfahrung mit dem örtlichen Amtsgericht ist.
Da ist auch was dran. Die meisten Richter schaffen es in dieser Zeit wirklich, einen Strafbefehl (mehr oder weniger) inhaltlich zu prüfen, zu unterschreiben und ihn zustellen zu lassen. Hier war es aber anders. Zum Zeitpunkt der Presseinformation lag der Strafbefehlsantrag noch auf dem Tisch der Richterin. Sie brauchte halt ein paar Tage länger für die Bearbeitung – was ihr ja auch nicht verwehrt ist. Für den Mandanten war das Vertrauen des Staatsanwalts, es werde zeitlich schon so ungefähr hinhauen, ziemlich irrelevant. Der Mandant wurde von den Presseberichten kalt erwischt.
Positiv an der Geschichte ist allerdings die Reaktion der Staatsanwaltschaft. Nach einem längeren Telefonat schrieb der zuständige Staatsanwalt eine Mail. Er bedauerte den Ablauf und entschuldigte sich. Überdies habe ich die Mail so verstanden, dass man die Abläufe in solchen Fällen mal überdenkt und sie verbessern wird. Das ist schon was. Vor allem wenn man berücksichtigt, wie entschieden die Justiz sonst gerne jede Verantwortung für Fehler von sich weist