Nicht alle Dinge machen Sinn, wie man heute so gerne sagt. Das gilt mitunter auch für Bewährungsbeschlüsse, die Richter verkünden. So machte ein Amtsgericht meinem Mandanten unter anderem die Auflage, sich innerhalb der dreijährigen Bewährungsfrist regelmäßig auf Drogenkonsum screenen zu lassen, und zwar mit einem negativen Ergebnis. Sonst müsse er damit rechnen, dass die Bewährung widerrufen und seine achtmonatige Haftstrafe vollstreckt wird.
Drogenfrei leben, das ist natürlich ein hehres Ziel. Aber einfach zu erreichen ist es nicht, wenn man Drogen konsumiert. Deshalb habe ich beim Gericht eine Änderung beantragt. Die Begründung lautete so:
Es besteht Anlass, die Weisungen abzuändern.
Der Verurteilte hat sich ausweislich des Urteils unwiderlegt dahin eingelassen, dass er die fraglichen Betäubungsmittel zum Eigenverbrauch angebaut hat. Überdies hat der Verurteilte angegeben, dass er seinen Tag im wesentlichen mit dem Konsum von Marihuana verbringt, und das schon seit Jahren.
Es spricht also viel dafür, den Verurteilten als suchtkrank anzusehen.
Bei einer Abhängigkeit im Sinne einer Sucht besteht nach gängiger Definition das unabweisbare Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand. Diesem Verlangen werden die Kräfte des Verstandes untergeordnet. Es beeinträchtigt die freie Entfaltung einer Persönlichkeit, zerstört die sozialen Bindungen und die sozialen Chancen eines Individuums.
Bei einer Suchterkrankung hat der Einzelne ohne fachkundige medizinische und therapeutische Hilfe nicht die Möglichkeit, sich selbst aus der Abhängigkeit zu lösen.
Der Verurteilte ist also nach derzeitigem Stand aufgrund einer Abhängigkeit nicht in der Lage, entsprechend der Weisung des Gerichts negative Drogenscreenings beizubringen. Auch wenn bei ihm der Wunsch nach Abstinenz sicher vorhanden ist, wird er ein drogenfreies Leben nicht alleine durch den Druck eines möglichen Bewährungswiderrufs führen können.
In rechtlicher Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass dem Verurteilten keine Weisungen auferlegt werden dürfen, welche unzumutbare Anforderungen an ihn stellen (§ 56 Abs. 1 S. 2 StGB). Vorliegend ist es dem Angeklagten aus den dargelegten faktisch unmöglich, den Weisungen ohne fachkundige medizinische und therapeutische Hilfe entsprechen zu können.
Das Gericht hat so entschieden.
Die Auflage wird dahingehend abgeändert, dass dem Verurteilten auferlegt wird, Kontakt zur Drogenberatung aufzunehmen und dem sich aus den Gesprächen mit der Drogenberatung ergebenden eventuellen Therapiebedarf zu entsprechen. Drogenscreenings entfallen.
Das Ganze hat noch einen weiteren positiven Effekt. Während mein Mandant die Drogenscreenings selbst hätte bezahlen müssen, wird die Krankenkasse die Kostenübernahme für die Suchtbehandlung nun wohl kaum verweigern können. Ob der Mandant seine (neue) Chance nutzt, das liegt ganz in seinen Händen.