Man kann natürlich auch sehenden Auges in sein Unglück rennen. So macht es gerade ein Angeklagter, der wegen gefährlicher Körperverletzung vom Amtsgericht verurteilt worden ist. Und zwar zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten. Und das ohne Bewährung. Dabei hätte es durchaus Möglichkeiten zur Katastrophenvermeidung gegeben…
… wie ich finde. Das sage ich jetzt mal aus einer etwas anderen Perspektive. Denn in diesem Fall vertrete ich den Verletzten. Dem Opfer – es handelte sich um eine Messerattacke – ist natürlich auch daran gelegen, dass die Tat angemessen strafrechtlich geahndet wird. Allerdings ist es dem Verletzten natürlich noch wichtiger, vom Angeklagten angemessen entschädigt zu werden. Das bedeutet Schmerzensgeld, Schadensersatz. Auch eine glaubhafte Entschuldigung kann nie schaden.
Doch was kam bisher? Nichts. Selbst die Entschuldigung, zu der sich der Angeklagte – interessanterweise erst auf meine ausdrückliche Aufforderung hin – vor Gericht aufraffte, war wie Wackelpudding. Zahlungen? Bislang gibt es noch nicht mal ein Angebot. Natürlich kann sich der Angeklagte bequem darauf zurückziehen, dass er sowieso kaum mehr verdient als Hartz IV. Und das auf Dauer. Zu pfänden wird bei ihm also wenig sein.
Dennoch: Wir hatten es von Anfang an mit einem Fall zu tun, in dem ein freundlicher Richter problemlos eine kleine Freiheitsstrafe verhängen kann. Ein strenger Richter aber ebenso problemlos die schon erwähnten 16 Monate. Genau so bei der Bewährung, was ja fast noch wichtiger ist als die Höhe der Strafe. Bewährung kann man geben. Muss man aber nicht.
Deshalb bin ich in diesem Fall etwas fassungslos, dass von der Seite des Angeklagten rein gar nichts gekommen ist. Sein Anwalt wird ihm ja klar gemacht haben, wie wichtig in solchen Grenzfällen Wiedergutmachung ist. Oder zumindest entsprechende Bereitschaft, so sie denn glaubwürdig rüberkommt. Wenn der Angeklagte beispielsweise ein paar Monate vor der Verhandlung damit angefangen hätte, 30 Euro im Monat auf das zu erwartende Schmerzensgeld zu zahlen, hätte es die Bewährung gegeben. Da bin ich mir ziemlich sicher.
Nun ja, womöglich vertraut der Angeklagte voll und ganz auf die Berufungsinstanz. Ich habe dem jetzt schon mal einen kleinen Riegel vorgeschoben. Indem ich den Angeklagten erneut schriftlich aufgefordert habe, sich doch mal ein klein wenig auf meinen Mandanten zuzubewegen. Zum Beispiel mit der Zahlung eines monatlichen Betrages. Das Schreiben kann ich dann in der Hauptverhandlung vorlegen. Hat es bis dahin wieder keinerlei sinnvolle Reaktion gegeben, dürfte am Ende des Weges wirklich der Knast warten.
Vermeidbar wäre er gewesen.