In einem der zahlreichen Gerichtstermine, die mich momentan etwas vom Bloggen abhalten, ging es heute um Nötigung im Straßenverkehr. Mein Mandant soll einem Anwalt, der an einem sommerlichen Nachmittag mit seinem Z3 („mein sportlicher Zweitwagen“) unterwegs war, zu dicht aufgefahren sein. Der Mandant fuhr laut dem Zeugen einen „großen, bedrohlichen SUV“.
Ich hatte schon von Anfang an Probleme mit der Anklage. Denn die Geschichte spielt mitten in der Stadt. Auf den in Rede stehenden stehenden 800, vielleicht tausend Metern gilt logischerweise höchstens Tempo 50. Ein Viertel der Strecke ist sogar mit Tempo 30 ausgeschildert.
Der Zeuge behauptete gar nicht, mein Mandant habe ihm die Lichthupe gezeigt. Oder Gesten gemacht. Sondern halt nur, dass der SUV im Stadtverkehr doch schon sehr dicht hinter ihm gefahren sei – was bei ihm Schweißausbrüche und Angstattacken verursacht habe. Vermutlich fährt der Zeuge auch deswegen in der Region Düsseldorf/Köln gerne offen, weil sein Hemd sonst gar nicht mehr trocken wird.
So richtig arbeiten musste ich als Verteidiger allerdings nicht für mein Geld. Der Zeuge demontierte sich mit großer Energie gleich schon mal selbst. Er stellte zu Anfang seiner Aussage eines klar: „Ich habe den Angeklagten ja vorhin schon gesehen. Der hat seinen großen SUV in die Tiefgarage gefahren – obwohl das Auto dafür zu groß und somit nicht zugelassen ist.“ Das sei ja wohl eine Ordnungswidrigkeit. Mindestens.
Womöglich zur großen Überraschung des Zeugen zückten weder die Richterin noch der Anklagevertreter den Knöllchenblock. Auch von einer Nachtragsanklage und einer Saalverhaftung wurde abgesehen. (Bei einer sogenannten Saalverhaftung wird nicht der Saal verhaftet, sondern der Angeklagte überraschend im Sitzungssaal.) Aber jeder im Saal ahnte schon, mit welchem Typus Mensch man es hier zu tun hat. Wie zur Bestätigung holte der Zeuge – ich schwör’s – ein großes, tiefschwarzes, entfernt an Obamas „The Beast“ erinnerndes Spielzeugauto aus seiner Aktentasche. Und dann ein sehr flaches, kleines Matchbox-Cabrio. Spielzeugautos! Damit wollte er der Richterin anscheinend haarklein demonstrieren, wie sich die dramatische Geschichte zugetragen hat.
Dummerweise hatte in dem Augenblick aber schon niemand Fragen mehr. 45 Sekunden später war das Verfahren eingestellt.
Ich lache immer noch. Und ich bin mit Sicherheit nicht der einzige.