Die WAZ berichtet aus dem Amtsgericht Essen über Verfahren, in denen Übergriffe auf Polizeibeamte angeklagt sind. Herausgreifen will ich das in der Reportage geschilderte Verhalten der zuständigen Richterin:
Die Richterin unterbricht sein letztes Wort, steht ohne eine Sekunde innerer Beratungspause zum Urteil auf: Fünf Monate Haft mit Bewährung, 120 Stunden Sozialarbeit. „Es ist nicht immer einfach, das Recht durchzusetzen“, sagt sie.
Was für ein Glück für die Vorsitzende, dass der Angeklagte aus Kostengründen keinen Anwalt dabei hatte. Den Angeklagten beim letzten Wort zu unterbrechen oder ihm dieses gar zu entziehen, ist nämlich nicht gerade die feine Art. Der Angeklagte hat das Recht, als letzter vor der Urteilsverkündung zu sprechen. Und er ist keineswegs verpflichtet, dies nur zu Themen zu tun, welche die Richterin für ihr Urteil zu brauchen meint.
Dem Angeklagten das letzte Wort ohne sachlichen Grund (zum Beispiel Missbrauch durch endlose Ausführungen) nicht vollständig zu gewähren, ist nicht nur unhöflich. Es ist auch ein Rechtsverstoß durch die Richterin. So was kann zu einem erfolgreichen Befangenheitsantrag führen. Oder zu einer erfolgreichen Revision gegen das Urteil. Wobei Revisionen aus diesem Grund regelmäßig begründet sind (weil man ja nicht weiß, ob der Angeklagte noch etwas gesagt hätte, das zu einem Freispruch oder einem milderen Urteil geführt hätte).
Bei der Richterin handelt es sich übrigens um Margrit Lichtinghagen. Die frühere Staatsanwältin ist mit der Verhaftung des Ex-Postchefs Klaus Zumwinkel zu Ruhm gelangt. Schon als Strafverfolgerin in Bochum war sie kein einfacher Zeitgenosse. Auf ihrer neuen Stelle am Amtsgericht ist es mit ihr nicht einfacher geworden, wie ich selbst aus diversen Verfahren weiß.
„Es ist nicht immer einfach, das Recht durchzusetzen“, soll Frau Lichtinghagen am Ende der Verhandlung gesagt haben. Eine ganz wichtige Voraussetzung für dieses Anliegen ist es nach meiner Meinung, sich erst mal selbst ans Recht zu halten. Das fängt durchaus im Kleinen an.