Reichlich bizarr kommt nach meinem Empfinden eine Pressemeldung daher, mit der sich Staatsanwaltschaft und die Potsdamer Polizei der „weitestgehenden Aufklärung“ eines Verbrechens rühmen. Es geht um die Tötung einer 16-Jährigen, die im Jahr 1993 auf dem Weg zu einem Jugendtreff in Bad Belzig spurlos verschwunden war. Erst im Jahr 2000 wurden Leichenreste verscharrt auf einem verwilderten Grundstück nahe des Jugendtreffs gefunden. Die 16-Jährige war erschlagen worden. Doch auch der Leichenfund führte nicht zur Ermittlung eines Täters.
Zwar gab es früh einen Anfangsverdacht, dass zwei damals 13- und 14-Jährige das Mädchen erschlagen haben könnten. Aber selbst nach dem Leichenfund war ein Tatnachweis laut Polizei nicht möglich. Im Jahre 2012 rollte die Mordkommission des LKA Brandenburg den Fall nach eigenen Angaben noch einmal auf. Dabei soll umfassend ermittelt worden sein – ohne Ergebnis. Einen Tatnachweis konnten die Beamten nicht liefern.
Im Jahr 2016 starb dann der zur Tatzeit 14-Jährige. Nach seinem Tod meldeten sich Angehörige und Bekannte. Sie sagten aus, der 14-Jährige habe von einer Tatbeteiligung gesprochen. Außerdem habe er den 13-Jährigen als Mittäter belastet. Der noch lebende Verdächtige wurde daraufhin an seinem neuen Wohnort in Österreich ermittelt.
Als Beschuldigten wollten ihn die Beamten gar nicht vernehmen, sondern nur als Zeugen. Grund: Mit 13 Jahren war der Mann seinerzeit strafunmündig (§ 19 StGB). Selbst wenn er an der Tötung beteiligt gewesen wäre, könnte er dafür nicht bestraft werden. Bei seiner Befragung hat der Mann die Tatbeteiligung seines damaligen Freundes „zumindest nicht bestritten“, heißt es in der Pressemitteilung. Zu seiner Beteiligung wollte er nach Angaben der Polizei erst etwas sagen, nachdem er mit seiner Familie gesprochen hatte.
Zu einer weiteren Zeugenvernehmung kam es jedoch nicht mehr. Drei Tage später wurde der Mann tot aufgefunden; die Polizei sieht „sichere Anhaltspunkte“ für eine Selbsttötung.
Bei dem Sachstand frage ich mich: Wo ist sie denn, die „weitestgehende Aufklärung“ des Falles? Können die Ermittler den Angehörigen nun tatsächlich sagen, was sich im Jahr 1993 zugetragen hat? Was die beiden jungen Männer tatsächlich getan haben und was sie bewegt hat? Und was nicht? Sind der Tod und der Selbstmord sowie die offenbar eher vagen Angabe der Angehörigen sowie des damals 13-Jährigen tatsächlich tragfähige Belege dafür, dass es die beiden wirklich waren? Und wenn ja, waren sie es wirklich allein?
Für mich klingt das eher nach einem Fall, der heute noch jede Menge Fragezeichen verdient. Auch was die Polizeiarbeit betrifft. Zum Beispiel der Umstand, dass eine in der Nähe des Tatorts verscharrte Leiche trotz einer riesigen Suche zunächst nicht gefunden wurde. Oder die Frage, wieso es auch bei den neu aufgerollten Ermittlungen trotz verbesserter technischer Möglichkeiten nicht gelang, den Verdacht, der sich durch die zwei Tode nun zweifellos verdichtet hat, schon weit früher justiziabel zu machen – und die Aufklärung nicht der „Eigeninitiative“ der mutmaßlichen Täter zu überlassen.
Aber es ist halt Geschmackssache, was man unter „weitestgehend“ versteht.