Die Hausdurchsuchung bei meinem Mandanten lief schon einige Zeit, als er dann doch kalte Füße bekam. Er wollte mit mir als seinen Anwalt telefonieren. Was die Polizeibeamten ihm nicht versagen durften. Und es auch nicht taten.
So hatte ich dann also zunächst den Ermittlungsführer am Telefon. Der schilderte mir kurz den Tatvorwurf, nämlich dass mein Mandant über eine dritte Person möglicherweise Chemikalien im Internet bestellt haben könnte, die eventuell zum Bombenbau geeignet sein könnten.
Möglicherweise.
Eventuell.
Insgesamt jede Menge Ungewissheiten, die offenbar auch dem Ermittlungsrichter sofort ins Auge fielen. Der Richter weigerte sich, einen Durchsuchungsbeschluss gegen meinen Mandanten zu erlassen. Er sah keinen Anfangsverdacht, sondern allenfalls straflose Vorbereitungshandlungen. Was die Polizisten aber nicht daran hinderte, auf Anweisung des Staatsanwalts doch zu einer Durchsuchung bei meinem Mandanten anzurücken.
Allerdings waren dem Staatsanwalt die Hände gebunden. Früher hätte er trotz der negativen Entscheidung des Ermittlungsrichters die Durchsuchung sogar noch selbst anordnen können. Trotz des richterlichen Neins hätte er zum Beispiel „Gefahr im Verzug“ bejahen können.
Das ist heute nicht mehr möglich, denn das Bundesverfassungsgericht hat letztes Jahr entschieden, was eigentlich auf der Hand liegt: War der Richter mit der Sache befasst und hat er einen Durchsuchungsbeschluss abgelehnt, steht dem Staatsanwalt keine eigene Eilkompetenz mehr zu. Das Nein des Richters ist also bindend.
Sehr kreativ kriegten die Polizisten eine andere Marschroute. Sie sollten offenbar meinen Mandanten so lange belatschern, bis er sich „freiwillig“ mit einer Durchsuchung einverstanden erklärte. Das war wohl auch zunächst erfolgreich, bis mein Mandant nach Beginn der Durchsuchung doch leise Zweifel bekam, ob das alles korrekt abläuft.
Von der angeblichen „Freiwilligkeit“ konnte ich nach meinem Gespräch mit dem Beamten auch nicht mehr viel erkennen. Der Ermittlungsführer räumte ein, mein Mandant habe gefragt, ob es einen Durchsuchungsbeschluss gibt. Das habe er verneint. Was er aber wohl für sich behielt oder zumindest nicht mal ansatzweise deutlich machte, war der Umstand, dass ein Richter den Durchsuchungsbeschluss ausdrücklich abgelehnt hatte. Ich bin mir sicher, dass mein Mandant es sich bei Kenntnis dieses Details noch einige Male wesentlich intensiver überlegt hätte, ob er tatsächlich „freiwillig“ der Durchsuchung zustimmt.
In so einer Konstellation verlangt das Bundesverfassungsgericht offene Worte gegenüber dem Beschuldigten. Er muss darüber belehrt werden, dass die Durchsuchung auch wirklich nicht stattfindet, wenn er es nicht will. Dazu gehört meiner Meinung nach auch eine ehrliche Information darüber, dass ein Richter die Durchsuchung gerade nicht gestattet hat. „Der Beschuldigte hat ja nicht danach gefragt“, wäre hier wohl keine taugliche Ausrede.
Das alles schien dem Beamten auch einigermaßen klar zu sein. Jedenfalls reagierte er in der einzig richtigen Weise, als ich für meinen Mandanten jedwedes Einverständnis mit sofortiger Wirkung widerrief. Die Durchsuchung war an dieser Stelle zu Ende, man verabschiedete sich höflich.