Lebenslang. Das fordert der Generalbundesanwalt für das Messer-Attentat auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Die Politikerin hat den Angriff mit viel Glück knapp überlebt. Somit ist der Angreifer lediglich wegen versuchten Mordes angeklagt. Ihn trotzdem mit der Höchststrafe zu belegen, geht das überhaupt?
Gut, die Antwort ergibt sich schon aus dem Umstand, dass die oberste Anklagebehörde Deutschlands so eine Bestrafung ernsthaft in öffentlicher Hauptverhandlung fordert. Alles andere wäre ja nur peinlich. Ich will aber trotzdem kurz erläutern, wieso versuchter Mord bestraft werden kann wie vollendeter Mord.
Wichtigster Grund: Das Strafgesetzbuch ist – für manchen sicher überraschend – keineswegs so formuliert, dass der Versuch einer Straftat immer milder zu bestrafen ist als eine vollendete Tat.
Der maßgebliche Paragraf (§ 23 StGB) spricht nur davon, dass der Versuch milder bestraft werden kann. So viel steht also fest: Ein Muss ist ein Strafrabatt keinesfalls. Allerdings gibt es über diese (zwingende) Wortauslegung des Gesetzes schon keine Wahrheiten mehr. Denn wie das Wörtchen „kann“ in der Praxis auszugestalten ist, darüber gehen die Meinungen seit jeher weit auseinander und füllen ganze Bibliotheken.
Deshalb nur kurz meine persönliche Meinung. Gerade weil es um versuchten Mord geht, halte ich die Forderung der Bundesanwaltschaft für übertrieben ambitioniert. Lebenslang, so wie es im Gesetz steht, ist ja schon bei vollendetem Mord kein lebenslang. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass lebenslang nur mit der Maßgabe gelten kann, dass dem Verurteilten doch noch eine realistische Chance auf Entlassung bleibt. Was in der Praxis bedeutet, dass spätestens nach 15 bis 20 Jahren regelmäßig eine Entlassung ernsthaft zu prüfen ist.
Lebenslang ist also schon bei vollendetem Mord eine Straffolge knapp am Rande der Illegalität. Schon von daher wird man mit einem lebenslang extrem vorsichtig sein müssen, wenn es nur bei einem Versuch geblieben ist. Folgerichtig weisen die Bundesanwälte auch vehement darauf hin, dass Reker wohl nur mit extrem viel Glück überlebt hat. Je näher sie die Tat an einen geglückten Mord rücken und je weniger das Verhalten des Täters zum Überleben des Opfers beigetragen hat, desto plausibler könnte es sein, den Angeklagten faktisch so zu behandeln, als sei sein Opfer gestorben.
Mir klingt das allerdings zu einseitig und viel zu hypothetisch. Henriette Reker hat glücklicherweise überlebt, also hat sich nun mal tatsächlich zum Glück ein weit geringeres Unrecht verwirklicht. Diese Umstände zu Lasten des Angeklagten völlig auszublenden, halte ich für mehr als fragwürdig.
Immerhin muss man auch mal sehen, wohin sich der Strafrahmen verschieben würde, wenn man den Versuch, wie vom Gesetz ausdrücklich zugelassen, milder bestraft. Dann stünde (§ 49 StGB) nicht mehr lebenslang zur Debatte, sondern eine Freiheitsstrafe von 3 bis 15 Jahren. Das ist nicht unbedingt ein Spielraum, der es Richtern schwer machen sollte, auch im Fall Reker eine angemessene Strafe zu finden.