Bloß keine Experten

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sucht händeringend Mitarbeiter. Die Behörde ist für die Bearbeitung von Asylverfahren zuständig. Die zeitlichen Verzögerungen bei der Bearbeitung sind seit jeher dramatisch und – spätestens – seit Beginn der Flüchtlingskrise ein Politikum. Auch Anwälte werden nun als Mitarbeiter gesucht, doch dabei gibt es merkwürdige Einschränkungen.

Wie die Legal Tribune Online berichtet, dürfen an einem Job interessierte Anwälte vorher zwei Jahre gerade nicht auf dem Gebiet gearbeitet haben, auf dem sie nunmehr tätig werden sollen. Anwälte, die Asylbewerber vertreten haben, kommen wohl schon von den Einstellungsbedingungen her nicht zum Zuge.

Außerdem müssen sich Bewerber verpflichten, zwei Jahre nach Ende ihrer (ohnehin nur auf sechs Monate befristeten) Tätigkeit keine Asylbewerber oder ausländerrechtliche Mandate juristisch zu vertreten. Zur Begründung heißt es in den Ausschreibungen der Behörde:

Jegliche auch nur abstrakte Gefahr einer Interessenkollision mit den hoheitlichen Aufgaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist auszuschließen.

Nachvollziehbar wäre es sicherlich, wenn Anwälte, die sich in den Dienst des BAMF begeben, keine eigenen Falle bearbeiten dürften. Oder auch solche, mit denen sie vorher irgendwelche Berührungspunkte hatten. Analog gälte das auch für den Fall, dass die Mitarbeiter später nach ihrer Dienstzeit wieder als Anwälte arbeiten.

Wieso aber gerade die fachkundigen Anwälte ausgeschlossen und allen Bewerbern später auch noch ein „Berufsverbot“ auferlegt werden soll, wird sich die Behörde sicher noch mal genauer fragen lassen müssen.

Dienst ist Dienst, und Sex ist Sex

Das Land Nordrhein-Westfalen muss einem Polizeibamten kein Potenzmittel bezahlen. Der Kriminalhauptkommissar verlangte 323,89 Euro, die er nach ärztlicher Verordnung für Cialis-Tabletten ausgegeben hatte. Doch hierfür besteht kein Grund, urteilt das Bundesverwaltungsgericht in letzter Instanz.

Die Richter haben sich die Vorschriften für die Heilfürsorge der Polizeibeamten genau angeschaut. Danach werden nur die Kosten erstattet, die der Erhaltung oder Wiederherstellung der „Polizeidienstfähigkeit“ diene. Die erektile Dysfunktion, die der Kläger mit Cialis beheben wollte, behindert ihn nach Auffassung der Richter aber bei der Arbeit nicht (Aktenzeichen 5 C 32.15).

Keine hohen Stornogebühren für abgesagte OP

Kliniken dürfen keine überhöhten Stornogebühren verlangen, wenn ein Patient den Operationstermin absagt. Das Amtsgericht München erklärt in einem Urteil die Stornoklauseln einer Schönheitsklinik für unwirksam.

Die Klinik berechnete für den Fall der Absage eines OP-Termins zwischen 40 % und 100 % der Kosten, je nach dem Zeitpunkt der Absage. Die Patientin sagte innerhalb von sieben Tagen vor dem OP-Termin ab und sollte nun 60 % zahlen – zuzüglich einer pauschalen Bearbeitungsgebühr von 60 Euro.

Die von der Klinik geforderte Stornogebühr hält das Gericht für unangemessen hoch und die Klausel deshalb für unwirksam. Bei einer Absage innerhalb von 48 Stunden würden 100 % plus Stornogebühr berechnet. Damit müsse der Patient mehr bezahlen, als wenn er sich hätte operieren lassen. So ein hoher Schaden sei völlig realitätsfern, zumal die Klinik beim Ausfall des OP-Termins ja auch noch Kosten für Medikamente, Material, Strom und Reinigung spare.

Überdies dürfe gerade bei einer Heilbehandlung kein wirtschaftlicher Druck auf den Patienten ausgeübt werden, sich behandeln zu lassen. Dem Patienten müsse es vielmehr immer freistehen, sich anders zu entscheiden. Die Interessen des Behandlers träten gegenüber dem Interesse des Patienten auf körperliche Unversehrtheit zurück, so die Urteilsgründe (Aktenzeichen 213 C 27099/15).

Entgleisung oder Strategie?

Der belgische Anwalt des nach Frankreich überstellten Terrorverdächtigen Salah Abdeslam hat sich über seinen Mandanten geäußert. Medien zitieren den Juristen Sven Mary mit folgenden, wenig schmeichelhaften Einschätzungen:

Er hat die Intelligenz eines leeren Aschenbechers, er ist von einer abgrundtiefen Leere.

Und weiter: Abdeslam sei „ein kleines Arschloch aus Molenbeek, hervorgegangen aus der Kleinkriminalität, eher ein Mitläufer als ein Anführer“.

Ich würde da weniger die verbale Entgleisung eines Anwalts vermuten, der schlicht seine Aufgabe vergessen hat. Sondern vielmehr die ersten Lebenszeichen einer Verteidigungsstrategie. Und zwar einer mit dem Ziel, Abdeslams Rolle bei den Anschlägen von Paris und möglicherweise auch Brüssel nach Kräften runterzudefinieren.

Gut möglich also, dass sich der Beschuldigte sogar über die Worte seines Anwalts freut.

„Die Ermittlungen werden wieder aufgenommen“

Post von der Staatsanwaltschaft, noch dazu unerfreuliche. Die knappe Nachricht:

Die Ermittlungen wurden wieder aufgenommen.

Dabei sah bisher alles so erfreulich aus. In einer Sache wegen angeblicher Unfallflucht hatte ich für meinen Mandanten eine Verteidigungsschrift eingereicht. Mit dem erhofften Effekt: Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen nach § 170 Abs. 2 StPO ein. Also wegen fehlenden Tatverdachts.

Mehr kann man sich eigentlich nicht wünschen. Sollte man meinen. Aber der soeben zitierte Brief zeigt, dass eine Einstellung 1. Klasse (also wegen fehlenden Tatverdachts) vor allem eines nicht ist: eine Garantie, dass auch künftig Ruhe ist.

Vielmehr steht es der Staatsanwaltschaft in so einem Fall frei, die Ermittlungen wieder aufzunehmen. Und zwar jederzeit. Zum Beispiel, wenn neue Beweismittel reinkommen. Etwa eine Zeugenaussage. Oder eine Urkunde, die man vorher nicht kannte. Strenggenommen genügt es sogar, wenn das Personal wechselt und der neue Staatsanwalt erledigte Akten noch mal prüft oder prüfen lässt (was allerdings nicht so häufig vorkommt).

Das kleine Bespiel zeigt, wieso es manchmal für Beschuldigte eine Option sein kann, doch eher die Einstellung 2. Klasse zu wählen. Also jene nach § 153a StPO, bei der man sich gegen eine Auflage (meist eine Zahlung) von den Ermittlungen freikauft. Die Erfüllung der Auflage hat nämlich zur Folge, dass die „Tat“ dann wirklich nicht mehr verfolgt werden kann. Hiervon gibt es nur eine Ausnahme. Nämlich wenn sich herausstellt, dass es sich nicht nur um ein Vergehen, sondern um ein Verbrechen gehandelt hat.

Von dieser praktisch nicht sehr relevanten Ausnahme abgesehen, erkauft man sich mit der Einstellung also Rechtskraft – und damit einen ruhigen Schlaf. Die Sache mit der Einstellung hat also immer zwei Seiten.

In dem Fall mit der angeblichen Unfallflucht muss ich jetzt erst mal per Akteneinsicht rausfinden, welche neuen Aspekte den Staatsanwalt bewogen haben, sich jetzt doch noch mal Arbeit aufzuhalsen. Ich bin schon mal gespannt. Alltäglich ist die Wiederaufnahme der Ermittlungen nämlich nicht.

Netzagentur nimmt sich Spionagekameras vor

Die Bundesnetzagentur nimmt verstärkt Spionagekameras ins Visier. In den letzten Wochen wurden mehr als 70 illegale Angebote beanstandet.

Hierbei handelte es sich zum großen Teil um WLAN-fähige Kameras, die einen anderen Gegenstand vortäuschten oder als Gegenstände des täglichen Gebrauchs „verkleidet“ waren. „Besonders beliebt ist es, diese Kameras in Uhren, Rauchmeldern oder Lampen zu verstecken,“ sagt Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur. „Aber auch Pop-Art-Blumen oder Powerbanks dienen als Verkleidung. Der Phantasie sind hierbei offenbar keine Grenzen gesetzt.“

Nach § 90 TKG (Telekommunikationsgesetz) ist es verboten, Sendeanlagen zu besitzen, zu vertreiben oder herzustellen die mit Gegenständen des täglichen Gebrauchs verkleidet sind und auf Grund dieser Umstände in besonderer Weise geeignet und dazu bestimmt sind, das Bild eines anderen von diesem unbemerkt aufzunehmen.

Gerade im Internet sind nach Angaben der Netzagentur derartige Kameras auf den unterschiedlichsten Verkaufsplattformen zu finden. Wird die Bundesnetzagentur durch eigene Recherche oder Hinweise auf solche Angebote aufmerksam, werden zunächst die Plattformbetreiber zur Löschung des Angebotes aufgefordert, um den weiteren Verkauf sofort zu unterbinden.

Anschließend werden die Verkäufer kontaktiert, damit diese künftig den Vertrieb unterlassen und die Käufer der Gegenstände benennen. Von den Verkäufern und Käufern wird die Vernichtung der Gegenstände verlangt. Hierüber ist ein Nachweis, etwa in Form einer Bescheinigung einer Abfallwirtschaftsstation, beizubringen.

Auch Familien dürfen Wohnung nicht überbelegen

Die Überbelegung einer Wohnung kann zum Rausschmiss führen. Das Amtsgericht München bestätigte jetzt in einem Urteil die Kündigung einer vierköpfigen Familie. Die Eltern und ihre zwei Kinder hatten in München auf 25,88 Quadratmetern (1 Wohnraum, 1 Küche) gelebt.

Schon im Mietvertrag stand, dass in der kleinen Wohnung dauerhaft höchstens der Mieter und sein Ehepartner leben dürfen. Tatsächlich zog der Mieter aber auch noch mit seinem damals einjährigen Kind ein. Weiterer Nachwuchs kam dann im Jahr 2013.

Nach Auffassung des Amtsgerichts ist die Kündigung wegen Überbelegung rechtmäßig. Als Faustregel gelte, dass auf jede erwachsene Person oder auf je zwei Kinder bis zum 13. Lebensjahr ein Raum von jeweils 12 Quadratmetern entfällt oder durchschnittlich 10 Quadratmeter pro Person zur Verfügung stehen müssen. Diese Richtwerte seien weit unterschritten, da auf eine Person gerade mal 4 Quadratmeter kämen.

Zwar dürfe ein Mieter seinen Ehegatten und Kinder in die Wohnung aufnehmen. Die Grenze sei jedoch die Überbelegung. Somit wurde der Mieter zur Räumung verurteilt. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig (Aktenzeichen 415 C 3152/15).

Gericht: Hautfarbe darf bei Kontrolle keine Rolle spielen

Mit einer Grundsatzentscheidung hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz gestern die Kontrolle einer jungen Familie durch Bundespolizeibeamte am 25.01.2014 für rechtswidrig erklärt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die schwarze Hautfarbe der Kläger zumindest ein die Kontrolle mit tragendes Kriterium gewesen. Damit verstoße die Kontrolle gegen das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes, so die Richter. Es genüge, wenn die Hautfarbe Teil des „Motivbündels“ bei der Auswahl der zu kontrollierenden Person sei.

Die Eheleute G. aus Mainz befanden sich am 25.01.2014 für einen Tagesausflug mit ihren damals fünf und eineinhalb Jahren jungen Kindern in der regionalen Mittelrheinbahn von Mainz in Richtung Bonn. Im Verlauf der Fahrt wurden die heute 37-jährige Klägerin und der heute 40-jährige Kläger ohne Anlass und vor den Augen anderer Reisender von Beamten der Bundespolizei kontrolliert und die Daten ihrer Bundespersonalausweise wurden zur Datenprüfung an die Leitstelle weiter gegeben. Weitere Personen in dem Zug wurden nicht kontrolliert.

Das Gericht wollte nach einer umfangreichen Beweisaufnahme nicht ausschließen, dass die Hautfarbe der Kläger ein tragendes Kriterium für die Kontrolle war. Eine Auswahl der Personen bei Kontrollen, für die die Hautfarbe der Personen das alleinige oder zumindest ein ausschlaggebendes Kriterium sei, verstoße allerdings gegen das Diskriminierungsverbot des Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes.

Liege der Auswahl der kontrollierten Person ein Motivbündel zugrunde und sei dabei die Hautfarbe ein tragendes Kriterium unter mehreren, so sei über die bisherige Rechtsprechung hinausgehend ebenfalls ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG anzunehmen.

Eine Kontrolle in Anknüpfung an die Hautfarbe sei unzulässig. Die genaue Motivlage der die Kläger kontrollierenden Bundespolizeibeamten habe sich auch im Rahmen der umfangreichen Beweisaufnahme nicht feststellen lassen. Aufgrund der äußeren Umstände der Kontrolle und der teilweise unklaren Angaben der Zeugen sei der Senat nicht hinreichend davon überzeugt, dass die Hautfarbe der Kläger für ihre Kontrolle nicht doch mitentscheidend gewesen sei.

„Das Urteil des OVG ist ein Meilenstein für den Kampf gegen die rechtswidrige Praxis des Racial Profiling“, freut sich der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam, der die Kläger juristisch vertritt. „Denn von nun an wird die Bundespolizei nachweisen müssen, gerade nicht diskriminierend kontrolliert zu haben, wenn der äußere Anschein eine Kontrolle aufgrund der Hautfarbe naheliegt. Bislang stellte der Nachweis der Diskriminierung regelmäßig ein verfahrensrechtliches Problem dar, da die inneren Beweggründe der Polizeibeamten dem Beweis kaum zugänglich sind.“

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde zugelassen (Aktenzeichen 7 A 11108/14.OVG).

Zirkusbär Ben ist jetzt nur noch Bär

Er heißt Ben, und er ist Deutschlands letzter Zirkusbär. Besser: Er war es. Denn Ben wird eine Rückkehr in die Manege wohl erspart bleiben. Der Verwaltungsgerichtshof München bestätigte heute in einer Eilentscheidung, dass das Ordnungsamt Ben bei seinem letzten „Gastspiel“ im niederbayerischen Plattling beschlagnahmen durfte.

Grund für das Eingreifen der Behörden war, dass Ben in dem Reisezirkus wiederholt über Stunden und Tage in einer dunklen, engen Box des Transportanhängers gehalten wurde. Hierbei wurde der Bär weder versorgt noch betreut. Die Missstände hatten Tierschützer bei den Behörden angezeigt. Bei der Überprüfung von Bens Situation ergab sich auch, dass das mobile Freigehege des Bären nicht ausreichend gesichert war.

Der Bär sei durch die reizarme Haltung in völliger Dunkelheit erheblich vernachlässigt worden, befinden die Richter. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte bestehe die Gefahr, dass der Zirkus es auch künftig nicht anders halten werde. Von daher sei es zulässig, dem Zirkus das Tier wegzunehmen. Hinzu kämen auch Sicherheitsbedenken wegen des mangelhaften Geheges.

Ben bleibt also weiter in einer behördlichen Auffangstation, wo er ausreichend versorgt wird und Freilauf hat. Der Zirkus kann jetzt noch das Hauptsacheverfahren vor Gericht betreiben (Aktenzeichen 9 CS 16.539).

VG Wort verteilte 50 % ihrer Einnahmen falsch

Seit Jahrzehnten schüttet die VG Wort 50 Prozent ihrer Einnahmen an Verlage aus. Dabei ist die Einrichtung eigentlich als eine Art GEMA für Schriftsteller, Autoren und Journalisten gedacht. Der Bundesgerichtshof beendet diese Praxis mit einem heute verkündeten Urteil.

Die VG Wort verteilt insbesondere die Kopierabgaben, welche Hersteller von Kopiergeräten, die Betreiber von Copyshops und Bibliotheken zahlen müssen. Auf die Klage eine Autors stellen die Richter fest, dass den Verlegern nach dem Urheberrechtsgesetz überhaupt keine eigenen Ansprüche auf eine Beteiligung an den Einnahmen der VG Wort zusteht. Zwar machten es die Verlage Autoren in der Regel erst möglich, ihre Texte zu verbreiten. Das sei aber keine „verlegerische Leistung“, die ohne rechtliche Grundlage einfach pauschal mit 50 % der Gesamteinnahmen abgegolten werden dürfe.

Die Praxis der VG Wort muss jetzt jedenfalls neu geregelt werden. Spannend wird sicher auch, ob und welchem Umfang Mitglieder der VG Wort Nachforderungen stellen können (Aktenzeichen I ZR 198/13).

Der supersichere Zeuge

Gerichte sollen die Wahrheit herausfinden. Insbesondere Strafgerichte stützen sich dabei in erster Linie auf Zeugen. Es gibt hunderte von Abhandlungen darüber, wie riskant das ist. Denn gerade die Wahrnehmungen von Zeugen sind nur in den seltensten Fällen richtig. Selbst wenn der Zeuge noch nicht mal absichtlich lügt.

Gestern hatte ich mal wieder das Vergnügen, diese Einschätzung aus erster Hand bestätigt zu erhalten. Es ging um eine angebliche Nötigung im Straßenverkehr. Der Zeuge, der eine Zeit lang neben dem Auto meines Mandanten fuhr, war sich so was von sicher: Auf dem Beifahrersitz saß eine ältere Frau, die mindestens 70 Jahre alt ist und starr geradeaus schaute.

Von dieser Beobachtung war der Zeuge nicht abzubringen. Auch nicht, als er hörte, dass es zwar eine Beifahrerin gab, die aber höchstens halb so alt ist wie er meinte. (Und die, ich sage es mal so, auch nicht unbedingt aussieht wie eine Seniorin.)

In dem Fall hatte ich allerdings ein gutes Gegenbeweismittel in der Hinterhand, um die tolle Beobachtungsgabe des Zeugen zu entkräften. Eine knappe Minute nach dem Vorfall war das Auto meines Mandanten von einer Radarfalle geblitzt worden. Das Foto war auch noch von ansehnlicher Qualität.

Ich hätte es dem selbstsicheren Zeugen gern vorgelegt und seine Reaktion gesehen. Aber der Richter wusste ja auch von dem Radarfoto. Er sah selbst, dass die so selbstsichere Beschreibung der vermeintlichen Seniorin auch die anderen Beobachtungen des Zeugen wackelig machte. Da war es nicht mehr schwer, um sich vom Vorwurf der Nötigung gegenüber meinem Mandanten zu verabschieden. Und zwar in Form einer (fairen) Verfahrenseinstellung gegen Zahlung einer Auflage.

So viel Glück hat man aber nicht immer bei Zeugen, die von sich selbst überzeugt sind.

Zwanziger darf Katar beleidigen

Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger darf Katar ein „Krebsgeschwür des Weltfußballs“ nennen. So hatte Zwanziger sich im Juni 2015 in einem Interview des Hessischen Rundfunks geäußert.

Die Quatar Football Association, der offizielle Verband in dem Land, hatte gegen Zwanzigers Äußerung geklagt. Die 6. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf urteilte, die Bezeichnung „Krebsgeschwür“ sei zwar eine Beleidigung im Sinne von § 185 Strafgesetzbuch (StGB). Denn die Aussage sei im höchsten Maße schädlich für Katar.

Unterlassung kann der Fußballverband nach Auffassung des Gerichts trotzdem nicht verlangen. Denn die Aussage sei durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Der ehemalige DFB-Präsident habe die Aussage in Wahrnehmung des berechtigten Interesses getätigt, die öffentliche Debatte über die Vergabe der Fußball-WM nach Katar anzuregen und die Vergabeentscheidung zu kritisieren.

Es spreche auch nichts dafür, dass Zwanziger das Interview inszeniert habe, um von eigenem Fehlverhalten abzulenken. Im Hinblick auf die sportliche, wirtschaftliche und politische Bedeutung des Austragungsorts einer Fußballweltmeisterschaft sei der Zweck der Äußerung, die Augen der Öffentlichkeit kritisch auf die Arbeitsweise und Entscheidungsfindung der FIFA zu lenken, höher anzusetzen als der Ehrenschutz der Qatar Football Association.

Nach dem Urteil bekräftigte Zwanziger heute seine Kritik. Er sagte:

Ein Land, halb so groß wie Hessen, mit Menschenrechtsverletzungen und unerträglicher Hitze im Sommer, kann nach meiner Auffassung nicht Austragungsort sein für das mit den Olympischen Spielen größte Sportereignis der Welt.

LG Düsseldorf Aktenzeichen 6 O 226/15

Richter verabreicht Elektroschock

Ein Richter aus Maryland (USA) wurde zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Er hatte einem Angeklagten in seinem Sitzungssaal einen Elektroschock mit 50.000 Volt verpassen lassen.

Das Überwachungsvideo aus dem Saal belegt, dass der Angeklagte ruhig an seinem Platz stand und zu seiner Verteidigung redete. Weil ihm die Ansprache wohl nicht zusagte, gab der Richter einem Wachtmeister den Befehl, den Taser einzusetzen („Mr. Sheriff, do it. Use it“). Den Vorfall kann man sich auf Youtube ansehen.

Selbst vor Gericht gestellt, bereute der Richter nun sein Verhalten. Er muss außerdem eine Strafe von 5.000 Euro zahlen. Sein Amt ist der 72-jährige Richter, der ohnehin nur noch in Telzeit arbeitete, auch los. Der oberste Gerichtshof von Maryland enthob ihn nach dem Vorfall seines Amtes.

Bericht in der Washington Post

Überführt

Aus einer Strafanzeige der Polizei zitiere ich den abschließenden Ermittlungsbericht. Dieser belegt kriminalistischen Scharfsinn höchster Güte:

Der Beschuldigte war Fahrer zur Unfallzeit, auch wenn die Zeugen den Fahrer nicht beschreiben können. Hätte der Beschuldigte den Pkw einer anderen Person zur Verfügung gestellt, hätte er dies mitteilen können, statt von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Stattdessen wurde sogar ein Rechtsanwalt eingeschaltet.

Keine Angaben zur Sache. Rechtsanwalt. Damit wäre wohl alles bewiesen. Es sei denn natürlich, der Staatsanwalt schmunzelt nach der Lektüre ebenso wie ich und stellt das Verfahren ein. Dafür spricht auch eine gewisse Erfahrung. Meine.