Basiskonto für jedermann

Ein Girokonto ist quasi unverzichtbar. Dem trägt die Bundesregierung mit einem Gesetzentwurf Rechnung, der eine EU-Richtlinie umsetzt. Künftig soll jeder leicht ein Girokonto eröffnen und nutzen können. Das gilt auch für Wohnungslose, Asylsuchende und Kunden mit schlechter Bonität.

Banken sollen verpflichtet werden, jedermann ein Basiskonto zur Verfügung zu stellen. Zum Leistungsumfang des Kontos gehören das Ein- oder Auszahlungsgeschäft, Lastschriften, Überweisungen und das Zahlungskartengeschäft. Die Kreditinstitute dürfen nach dem Entwurf für diese Dienste nur „angemessene“ Entgelte verlangen.

Verweigern dürfen die Banken ein Basiskonto nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, etwa wenn der Kunde bereits anderswo ein Basiskonto hat oder wegen Finanzstraftaten verurteilt wurde. Kunden sollen den Anspruch einklagen können. Außerdem soll die Finanzaufsicht Banken zur Einrichtung eines Kontos zwingen können.

Publikumswirksam

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt schlägt mal wieder zu: Käufer der Software „DroidJack“ haben heute Besuch von Ermittlern erhalten; ihre Wohnungen wurden durchsucht. Den Betroffenen wird vorgeworfen, sich mit „DroidJack“ eine Software verschafft zu haben, die nur illegal genutzt werden kann.

Ich habe schon beim vorhergehenden Fall „Blackshades“ erläutert, wie pauschal die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt einen möglichen „dual use“ angeblicher Hackersoftware verneint. Erlassen wurden die Durchsuchungsbeschlüsse wohl wieder vom Amtsgericht Gießen, das Maßnahmen der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt nach meiner Erfahrung regelmäßig kritiklos abnickt.

Die Gerichtsbeschlüsse im Fall Blackshades enthielten jedenfalls keinerlei nachvollziehbare Begründung, warum eine legale Nutzung der Software ausgeschlossen sein soll. Stattdessen behauptet die Generalstaatsanwaltschaft nun auch im aktuellen Fall gegenüber der Presse, die Software diene „ausschließlich dazu, kriminelle Handlungen zu begehen“.

Ohne sich kategorisch hierauf festzulegen, könnte nämlich nicht bei den Käufern durchsucht werden. Dann bedürfte es zumindest weiterer Anhaltspunkte. Das wären insbesondere konkrete Hinweise darauf, dass der Käufer „DroidJack“ tatsächlich gegen Dritte eingesetzt hat. Dann könnte man in der Tat von einem ausreichenden Anfangsverdacht sprechen. So aber bleibt mal wieder der Rechtsstaat auf der Strecke.

Ausbaden dürfen das dann übrigens die Staatsanwaltschaften am Wohnort der Beschuldigten. An diese muss die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt nämlich regelmäßig die Fälle abgeben, wenn sie ihre publikumswirksamen Aktionen abgeschlossen hat. Das erhoffte Ergebnis bleibt wohl zumeist aus. Im Fall Blackshades ist mir bislang zum Beispiel noch keine einzige Verurteilung bekannt.

Nur mit Mütze

Ein unbedachter Lacher soll einem Amerikaner zum Verhängnis geworden sein. Während der Richter eine Strafe von einem Jahr Gefängnis verkündete, soll der Angeklagte Ramon Achoa gelacht haben. Das wiederum erboste den Richter – er verdoppelte das Strafmaß.

Zu Recht, befand ein Berufungsgericht in Kalifornien. Hier in Deutschland wäre das kaum möglich. Gerichte können ihre verkündete Entscheidung, insbesondere Urteile, grundsätzlich nicht nachträglich ändern.

Auch das Verhalten des Angeklagten vor dem Urteil sollte an sich keine Rolle spielen. Es geht ja um die Straftat, nicht um Fleiß- und Wohlverhaltenspunkte in der Hauptverhandlung. Die sogenannte Ungebühr, also nicht akzeptables Verhalten im Gericht, kann ein Richter mit gesonderten Ordnungsgeldern oder Ordnungshaft ahnden.

So ganz gelingt die Trennung aber nicht immer. Auch Richter sind halt nur Menschen.

Ich erinnere mich an einen Angeklagten, der sich partout weigerte, seine Schiebermütze im Gerichtssaal abzunehmen. Nach hitzigen Diskussionen ließ ihn der Richter gewähren. Am Ende stand allerdings eine etwas merkwürdige Freiheitsstrafe: sechs Monate und eine Woche. Unschwer zu erraten, wofür es die Woche gab.

Die Woche kriegten wir allerdings in der Berufung weg. Der Mandant erschien auf mein inständiges Drängen ohne Mütze.

Der unbekannte Zeuge

Im Münchner Prozess gegen Manager der Deutschen Bank ist ein Zeuge aufgetreten, der gar keiner ist. Ein Mann setzte sich ungefragt auf den Zeugenstuhl und wollte eine Erklärung abgeben, berichtet Spiegel Online.

Allerdings hatte das Gericht den Mann gar nicht als Zeugen geladen. Und auch sonst war er wohl niemandem so gut bekannt, dass man ihn als Zeugen in Betracht zog. Der Richter drehte dem Herrn, der in Anzug und Krawatte erschienen war, das Mikro ab. Als auch das nichts fruchtete, trugen Wachtmeister den Mann aus dem Saal.

Sachen gibt’s.

Scheckheftgepflegt

Wenn ein Gebrauchtwagen als „scheckheftgepflegt“ angeboten wird, kann das einen späteren Gewährleistungsausschluss im Kaufvertrag unwirksam machen. Dies hat das Amtsgericht München entschieden.

Eine Frau hatte einen gebrauchten Polo für 1.950 Euro gekauft. In der Verkaufsanzeige auf einem Autoportal hieß es, das Auto sei „scheckheftgepflegt“. Das war aber – neben anderen Mängeln – nachweislich nicht der Fall.

Die Käuferin verlangte ihr Geld zurück. Sie bekam nun vor dem Amtsgericht München Recht. Bei der Angabe „scheckheftgepflegt“ handele es sich nicht nur um eine Werbeaussage. Vielmehr verbinde ein Käufer damit zu Recht die Erwartung, dass die vorgeschriebenen Inspektionen durchgeführt und von einer Fachwerkstatt bestätigt wurden. Die regelmäßige Wartung sei ein wertbildender Faktor. Auf den Gewährleistungausschluss im Vertrag könne sich der Verkäufer nicht berufen (Aktenzeichen 191 C 8106/15).

Bundespolizei kontrollierte zu Unrecht

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hält es für rechtswidrig, wenn die Bundespolizei grenznah in Fernzügen anlasslose Kontrollen durchführt. Die entsprechende Regelung im § 23 Abs. 1 Nr. 3 Bundespolizeigesetz genüge nicht europarechtlichen Anforderungen.

Geklagt hatte ein in Kabul geborener deutscher Staatsangehöriger mit dunkler Hautfarbe, nachdem Beamte der Bundespolizei bei ihm am 19.11.2013 im ICE 377 zwischen Baden-Baden und Offenburg eine Identitätsfeststellung mit anschließendem Datenabgleich durchgeführt hatten.

Auf die Hautfarbe des Betroffenen kommt es nach Auffassung des Gerichts aber gar nicht an. Es gelte im Schengenraum nämlich der europarechtliche Grundsatz, dass Personenkontrollen beim Grenzübertritt unzulässig sind.

Zwar dürfe die Bundespolizei Kontrollen durchführen, insbesondere für die Kriminalitätsbekämpfung. Diese Kontrollen erforderten aber klare Regelungen, die dafür sorgen, dass die Kontrollen nicht am Ende doch den unzulässigen Einreisekontrollen gleichkommen. Das Verwaltungsgericht verweist darauf, dass der Europäische Gerichtshof bereits Frankreich aus ähnlichen Gründen untersagt hat, derartige Kontrollen durchzuführen.

Derzeit ist die Lage allerdings anders, weil die Bundesrepublik Deutschland Grenzkontrollen aktuell wieder eingeführt hat. Das Gericht hat die Berufung zugelassen (Aktenzeichen 1 K 5060/13).

„Es war doch schon dunkel“

Heute ging es in einem Verfahren darum, ob meinem Mandanten eine Marihuana-Pflanze gehörte, die im großen Hof eines Komplexes mit rund 20 Wohnungen gedieh. Getarnt war das rund zwei Meter hohe Gewächs übrigens extrem geschickt – mit fünf Plastiksonnenblumen zum Einstecken.

Von der Marihuanapflanze hörte die Polizei eher zufällig, und zwar bei einem Einsatz wegen einer anderen Sache. Eine Zeugin erklärte den Beamten, mein Mandant sei ja wohl ein Dealer, jedenfalls sage man das so in der Gegend. Nachdem die Pflanze sichergestellt und die Wohnung meines Mandanten im gleichen Rutsch durchsucht war, gingen die Beamten zufrieden nach Hause.

Fall gelöst, so schien es. Immerhin bestätigte ja eine Zeugin die Gerüchtelage in der Siedlung. Da kam es wohl überraschend, dass Beschuldigte mitunter nicht einfach alles auf ihre Kappe nehmen. Als mein Mandant bestritt, dass er mit der Pflanze was zu tun hat, kamen die Polizeibeamten ins Schleudern. Fotos von der Stelle, wo die Pflanze stand? Fehlanzeige. Eines stand dagegen fest: Die Wohnung meines Mandanten ist im dritten Stock, und die Gärten pflegen die Bewohner des Erdgeschosses und eine Firma.

Es kam bei dem Einsatz auch niemand auf die Idee, mal bei Nachbarn zu fragen, ob die vielleicht was wissen. „Was hätten wir denn machen sollen?“, seufzte ein Beamter. „Es war doch schon dunkel.“ Das fand sogar der Richter nicht mehr witzig. „Hier geht’s um ein Verbrechen, da könnte man auch mal bei der Polizei etwas mehr Energie aufwenden.“

Freispruch.

Verjährt

Das Amtsgericht hat ein Verfahren gegen meinen Mandanten endgültig eingestellt. Nicht, weil er unschuldig ist. Sondern weil er sich erfolgreich dem Verfahren entzogen hat. Zehn Jahre war er für Polizei und Staatsanwaltschaft unauffindbar, was dazu führte, dass die Vorwürfe gegen ihn nun wegen Verjährung nicht mehr verfolgt werden können.

Ich sag’s ihm, wenn ich ihn mal wieder im REWE treffe.

E-Books verkaufen? Bei uns nicht erlaubt

Gedruckte Bücher darf man verleihen, verschenken und verkaufen. Bei E-Books gilt das alles nicht. Wie die Rechtslage aktuell ist, beleuchte ich rechtzeitig zum Bücherherbst in einem Update meiner ARAG-Kolumne.

Hier geht es zum Beitrag.

Die ARAG verlost unter den Lesern ihres Newsletters zehn (gedruckte) Exemplare meines Buches „Alles, was Unrecht ist“. Die Teilnahme ist nach Anmeldung für den kostenlosen Newsletter noch bis zum 18. Oktober möglich (Anmeldung Newsletter).

Hier im Blog geht es nach meinem Urlaub ab Freitag, 23. Oktober, weiter.

Die Nebenklägerin, die es gar nicht gibt

Im Münchner NSU-Verfahren gab es seit dem ersten Tag womöglich eine Nebenklägerin, die es gar nicht gibt. Der bisherige Anwalt der Frau glaubt laut Spiegel Online selbst nicht, dass seine Mandantin existiert. Er hat nach eigenen Angaben das Mandat niedergelegt und seine Entpflichtung beim Oberlandesgericht München beantragt. Außerdem hat der Anwalt sich jetzt einen Anwalt genommen.

Die Einzelheiten sind schon recht unappetitlich. So soll der Nebenkläger-Vertreter das Mandat gegen eine Provision im oberen vierstelligen Bereich erhalten haben. Seine Mandantin soll er womöglich nie persönlich gesehen oder auch nur gesprochen haben. Der Kontakt lief nur über den Sohn der Frau, der auch die Provision für die Vermittlung des Mandats erhalten haben soll. Der Sohn ist wohl tatsächlich ein Opfer des Bombenanschlages auf der Kölner Keupstraße im Jahre 2004.

Er soll vorher schon bei anderen Anwälten versucht haben, auch seine „Mutter“ als Nebenklägerin ins Verfahren zu bringen. Dabei soll der entscheidende Beleg für die Opferrolle der Mutter ein Attest sein, das aber möglicherweise nicht echt ist. Jedenfalls liegt es mit völlig identischem Schriftbild auch für den Sohn vor. Allerdings gibt es auch eine Stellungnahme des Sohnes. Dessen Anwälte erklären, die Vorwürfe entsprächen nicht ihrem Kenntnisstand.

Wir dürfen also in den nächsten Tagen noch mit einigen Kapriolen aus München rechnen. Sicher werden auch die Verteidiger der Angeklagten das Geschehen mit Interesse verfolgen. Denn Fehler bei der Zulassung der Nebenklage kommen zumindest als Revisionsgründe in Betracht, wenn das Urteil darauf beruhen kann. Da sind Gerichte zwar grundsätzlich äußerst zurückhaltend, aber die Zulassung einer gar nicht existenten Nebenklägerin wäre ja der Nebenklage-Gau.

Bei der Bewertung käme es sicher darauf an, wie viele verfahrensrelevante Anträge der Nebenkläger-Vertreter bisher gestellt hat. Je mehr Einfluss er bisher auf den Prozess nahm, desto größer die Gefahr, dass ein Teil des Urteils auf seiner Tätigkeit beruht.

Worst Case wäre gewesen, dass die Nebenklägerin später selbst Revision eingelegt. Zu der sie grundsätzlich berechtigt ist. Aber hierzu wird es ja nun nicht mehr kommen. Und ob es noch andere Nebenkläger ohne ein mögliches Recht zur Nebenklage gibt, wird sich das Gericht sicher noch mal ganz genau anschauen.

Wie ist das mit den Vorstrafen?

Im gestrigen Beitrag „Streit um Biene Maja“ ging es um einen Strafrichter aus Saarbrücken, gegen den seinerseits ein Strafbefehl erlassen wurde. Und zwar ein Strafbefehl über 90 Tagessätze.

Das führte zu einer Debatte in den Kommentaren, ob der Richter vorbestraft wäre, wenn der Strafbefehl rechtskräftig wird. Da einiges durcheinander ging, hier mal eine kurze Zusammenfassung der Rechtslage:

Wer als Erwachsener rechtskräftig zu einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe verurteilt wird, ist stets vorbestraft.

Allerdings darf sich der Verurteilte trotz der Vorstrafe als „unvorbestraft“ bezeichnen, wenn er lediglich eine Geldstrafe bekommen hat und diese Geldstrafe bei maximal 90 Tagessätzen liegt.

Das bedeutet im praktisch wichtigsten Fall, dass man bis zu dieser Grenze einen Arbeitgeber „belügen“ darf, wenn der etwa bei einer Bewerbung nach Vorstrafen fragt.

Das Recht, eine Vorstrafe zu verschweigen, bedeutet aber nicht, dass andere über diese Vorstrafe schweigen müssen. Wenn man also weiß, dass jemand vorbestraft ist und das sagt, handelt es sich um eine wahre Tatsachenbehauptung – auch wenn der Betroffene die Vorstrafe abstreiten darf. Allerdings ist das natürlich kein Freibrief, das rumzuposaunen (Persönlichkeitsrechte).

Ähnlich ist die Situation beim Führungszeugnis. Bis zu 90 Tagessätzen stehen Vorstrafen – mit Ausnahme von Sexualdelikten – nicht drin. Allerdings gilt das nur für das klassische Führungszeugnis, das man sich beim Amt besorgen kann, um es zum Beispiel einem Arbeitgeber vorzulegen. In Registerauskünften für Behörden, insbesondere für Staatsanwaltschaften und Gerichte, stehen normalerweise alle Vorstrafen drin.

Zum Schluss noch ein Punkt, der immer wieder für Überraschungen sorgt. Ab der zweiten Vorstrafe stehen alle Strafen, auch die erste, im Führungszeugnis. Und als unvorbestraft darf man sich dann auch nicht mehr bezeichnen, selbst wenn beide Geldstrafen nicht über 90 Tagessätzen lagen.

Richter gibt Richtern Nachhilfe

Ein Amtsrichter in Stuttgart-Bad Cannstatt war in seinem ersten Leben Softwareenetwickler sowie Netzwerk- und Systemadministrator. Deshalb ist er sicher nicht der falsche Mann, um über Filesharing-Klagen zu entscheiden.

Ein aktuelles Urteil nutzt der Richter, um technisch weniger bewanderten Kollegen aufzuzeigen, wie sie der Abmahnindustrie auf den Leim gehen. Gerade bei der Berechnung eines möglichen Lizenzschadens. Am Beispiel des Filmwerks „Ab heute juckt das Fötzchen“ berechnet der Richter Schritt für Schritt einen theoretischen Lizenzschaden von stolzen 2,04 €. Der Filmproduzent hatte 500 € eingeklagt.

Der Richter beendet sein Urteil mit der unverhohlenen Aufforderung an seine Kollegen, die Entscheidung doch bitte zu lesen. Zitat:

Das Gericht verkennt schließlich nicht, dass seine vorstehenden Ausführungen, wenn ihnen andere Gerichte folgen würden, das Abmahnwesen im Bereich des Urheberrechts weniger lukrativ machen und schließlich die effektive Verfolgung von Urheberrechtsverstößen in Tauschbörsen beeinträchtigen mögen.

Hieraus kann jedoch nicht folgen, dass tatsächlich nicht entstandene – pönale – Schäden liquidiert werden und das Fehlen der unter Richtern wenig verbreiteten technischen Kenntnisse als Vehikel hierfür genutzt wird.

Das Urteil kann man hier nachlesen.

Aktenzeichen 8 C 1023/15