Der Besitz geringer Mengen Marihuana soll normalerweise straflos bleiben. In Nordrhein-Westfalen gelten bis zu zehn Gramm als „geringe Menge“. Doch daran halten sich oftmals weder Staatsanwälte noch Richter. So musste sich das Oberlandesgericht Hamm jetzt mit der Revision eines Mannes beschäftigen, der bei einer Polizeikontrolle mit 0,4 Gramm und wenig später noch mal mit 0,7 Gramm Marihuana erwischt wurde.
Das Amtsgericht Iserlohn verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe. Mit keinem Wort ging das Gericht in seinem Urteil auf die Vorschrift des § 29 Absatz 5 BtMG ein. Diese besagt:
Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.
Das Oberlandesgericht fasst zusammen, warum das Urteil nicht zu dieser wichtigen Vorschrift schweigen durfte:
Hierzu hätte vorliegend jedoch insbesondere auch deshalb Anlass bestanden, weil der Angeklagte nach den Feststellungen des Amtsgerichts nicht vorbestraft ist und über den festgestellten strafbaren Betäubungsmittelbesitz hinausgehend konkrete Anhaltspunkte für eine etwaige Fremdgefährdung — etwa durch die nahe liegende Möglichkeit der Abgabe von Betäubungsmitteln an Dritte oder durch Beschaffungskriminalität — nicht ersichtlich sind. …
Auch ist nach den Feststellungen des Amtsgerichts nichts dafür ersichtlich, dass es sich bei dem Angeklagten um einen Dauerkonsumenten handelt. Allein die Feststellung des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen reicht für eine solche Annahme nicht aus.
Der Fall zeigt sehr schön, dass der stramme Verurteilungskurs vieler Gerichte auch bei kleinsten Mengen Marihuana schlicht gesetzeswidrig ist. Zumindest so lange, wie sich das Gericht nicht im konkreten Fall die Mühe macht nachvollziehbar zu begründen, warum trotz geringer Menge kein Absehen von Strafe in Betracht kommen soll (Aktenzeichen 2 RVs 30/15).