Die Mandantin ist verklagt worden. Zu Recht. Das war jedenfalls das Ergebnis der juristischen Prüfung, mit der uns die Mandantin beauftragt hatte.
Die Mandantin wollte die Klageforderung akzeptieren. „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“, sagte sie. Eine sehr vernünftige Einstellung. Jedenfalls in dieser Angelegenheit. Ich machte dann allerdings noch den Vorschlag, dass ich vielleicht mal mit dem gegnerischen Anwalt telefoniere. Dem war unsere juristische Einschätzung ja nicht bekannt, und vielleicht war ja noch ein Abschlag im Vergleichswege möglich.
War es. Der Anwalt ließ sich auf 60 Prozent der Klageforderung runterhandeln. Ein super Ergebnis, den Umständen entsprechend. Das fand zunächst auch die Mandantin. Aber noch bevor unser verbindlicher Vergleichsvorschlag rausging, meldete sich ihr Enkel. Der studiert wohl Jura in München und hatte von der Sache Wind gekriegt. Er zeigte sich völlig „entsetzt“, dass wir seiner Oma, die ja ursprünglich eigentlich schon alles zahlen wollte, tatsächlich zu einem Vergleich raten.
Nach einigem Hin und Her waren wir das Mandat los. Der Enkel hatte den Vater eines Mitstudenten aufgetan, der als Anwalt einfach tausendmal besser ist als ich. Das alles ereignete sich vor knapp anderthalb Jahren. Ich hatte die Sache abgehakt, bis jetzt Post vom Amtsgericht kam. Kostenunterlagen, die an mich fehladressiert waren.
Aus den Papieren ließ sich entnehmen, wie der glasklare Sieg meiner Mandantin am Ende aussah. Die Rentnerin hat verloren, und zwar durch alle Instanzen. Sie darf jetzt alles zahlen – und etwa den zweieinhalbfachen Betrag an Anwalts- und Gerichtskosten dazu.
Ich erinnere mich gut, wie der Jurastudent mich am Telefon als „juristisches Weichei“ runterputzte. Na ja, bald dürfte er selbst mit seinem Studium fertig sein, wenn es denn geklappt hat. Vielleicht hat er in der Zwischenzeit sogar was gelernt. Wenn nicht, ist auch nicht schlimm. In der Kanzlei des Topanwalts ist sicher noch eine Stelle frei. Nur seine Oma tut mir leid, für die wächst das Geld nämlich nicht auf den Bäumen.