Heute habe ich mich vor Gericht bemüht, die Strafe eines Mandanten zu reduzieren. Neben vielen anderen Punkten wies ich darauf hin, dass das Verfahren mit knapp drei Jahren bislang ziemlich lange gedauert hat.
An sich hätte die Verhandlung locker nach einem Jahr stattfinden können. Da lagen die Ermittlungsergebnisse nämlich auf dem Tisch. Aber schon die Anklage ließ Monate auf sich warten. Als die Anklage da war, tat sich nichts bei Gericht – bis wir dann nach drei Jahren nun mal einen Termin bekamen.
Das könnte man recht problemlos unter folgenden Begriff packen: „rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung“. Die Sache hat allerdings einen Schönheitsfehler. Auch in meinem Büro war was schiefgelaufen. Anscheinend habe ich den Eingang der Anklage, die uns zur Stellungnahme zugesandt wurde, nicht ordnungsgemäß bestätigt. Normalerweise muss man da ein schriftliches Empfangsbekenntnis zurücksenden – was aus einem mir unbekannten Grund nicht geschehen zu sein scheint. Ein bedauerlicher Einzelfall, möchte ich betonen.
Aufgefallen ist mein Versäumnis erst, als das Gericht an die Rücksendung des Empfangsbekenntnisses erinnerte. Diese Nachfrage kam nach stolzen viereinhalb Monaten. So lange war also bei Gericht nicht aufgefallen, dass das Empfangsbekenntnis fehlt. Oder es hat sich niemand drum gekümmert.
Die Frau Staatsanwältin stellte sich in ihrem Plädoyer auf den Standpunkt, der rund viermonatige Stillstand wegen des fehlenden Empfangsbekenntnisses dürfe nicht der Justiz angelastet werden. Sondern ausschließlich mir als Verteidiger. Und damit dem Angeklagten (obwohl es eine ziemlich schwierige Frage ist, ob Angeklagte überhaupt für Fehler ihres Anwaltes haften müssen).
Ich dagegen erlaubte mir den Hinweis, dass in jedem Büro mal was schiefläuft. Überdies sei es ja wohl zu erwarten, dass nach angemessener Zeit kontrolliert wird, ob der Anwalt die erforderlichen Unterlagen eingereicht hat. Viereinhalb Monate bis zur Nachfrage seien da ja wohl doch etwas lang. Was im übrigen auch dafür spreche, dass in der Zeit wahrscheinlich ohnehin nichts passiert wäre.
Die Richterin löste die Sache salomonisch. „Die Sache hat ziemlich lange gedauert“, befand sie in der Urteilsbegründung. „Das habe ich bei meiner Entscheidung berücksichtigt.“ Vom Ergebnis her konnte mein Mandant sich nicht beschweren. Wir landeten bei der Strafe im unteren Drittel dessen, was wir uns erhofft hatten. Es war also jedenfalls kein Fehler, die Verfahrensdauer zu thematisieren, obwohl es ja zwangsläufig etwas peinlich werden musste.