Darf die Wanderhure weiter wandern – und zwar unter dem Schutz des Markenrechts? Sie darf, dank einer durchaus verständigen, ja sogar humorvollen Entscheidung der zuständigen Richter beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt. Die Richter hoben die Entscheidung der zuständigen Prüferin auf. Diese hatte es abgelehnt, die Wanderhure zur Wortmarke zu machen.
Die Ablehnung erfolgte nicht, weil es im 15. Jahrhundert – nur um diesen Zeitraum geht’s – möglicherweise noch viele andere Wanderhuren gab. Deren Erlebnisse könnten es ja auch wert sein, zu Papier gebracht zu werden. Nein, die Prüferin befand den Begriff „Hure“ schlicht für zu vulgär.
Die Richter halten dagegen, dass die Protagonistin des Romans wohl eindeutig mobil war und überdies sexuelle Dienstleistungen erbrachte, und zwar bis in höchste kirchliche Kreise auf dem Konzil in Konstanz. Die Juristen vermissen schon einen vergleichbaren, politisch korrekten Begriff, welcher die Tätigkeit der Wanderhure alternativ beschreiben könnte:
Im gegenwärtigen Sprachgebrauch existiert der Begriff „Wanderdienstleistungserbringerin“ nicht.
Insgesamt befinden sie:
Die angefochtene Entscheidung vermischt die Erwähnung eines Phänomens mit dem Phänomen selbst. Sie eignet sich hervorragend zum Verbot von Krimis mit dem Wort „Mord“ im Titel, denn bekanntlich sind Morde gemäß § 211 des eutschen Strafgesetzbuchs ein Verbrechen, und es gibt nichts sittenwidrigeres als solche zu begehen, und sie eignet sich hervorragend, den Liedermacher Reinhard Mey dem Scheiterhaufen zu überantworten, weil mit dem Lied „Der Mörder war
immer der Gärtner“ letztgenannter Berufsstand sittenwidrig verunglimpft worden sei. Kurz: Die angefochtene Entscheidung versäumt die Unterscheidung von Fact und Fiction.
Die Folgen seiner Entscheidung sind dem Gericht bewusst:
Die Wanderdame darf also weiterwandern, und ihre Wanderwege können mit „wissenschaftlichen und Vermessungs-Instrumenten“ kartographiert, in „Loseblattsammlungen“ regelmäßig aktualisiert, mit „OCR-Zeichenerkennung“ aufbereitet, in „Chat-Rooms“ breitgetreten und zur „sportlichen Aktivität“ erklärt werden, wobei die Kammer selbstverständlich davon ausgeht, dass mit den beanspruchten „Erziehungs“-Dienstleistungen solche der gemeinnützigen Sozialarbeit gemeint sind und nicht solche der Erziehung zur Prostitution.