Post nur an den Anwalt?

Darf man Bettina Wulff einen Brief schreiben? Selbst wenn sie das nicht möchte? Man darf, entschied jetzt das Oberlandesgericht Celle. Es stellte sich damit auf die Seite des Bauer Verlages. Dieser hatte nach einer presserechtlichen Abmahnung Bettina Wulff direkt angeschrieben und sie um ein klärendes Gespräch gebeten.

Inhaltlich sei an dem Brief nichts auszusetzen, meint das Oberlandesgericht Celle. Streithähnen müsse es stets möglich sein, den sachlichen Kontakt zu suchen. Dass Wulff nur über ihren Anwalt korrespondieren wollte, spiele keine ausschlaggebende Rolle. Es sei Bettina Wulff nämlich zumutbar gewesen, das Schreiben an ihren Anwalt weiterzuleiten (diesem hatte der Bauer Verlag aber ohnehin eine Kopie geschickt).

Im übrigen habe es der Empfängerin freigestanden, das Schreiben nicht zur Kenntnis zu nehmen. Selbst wenn sie ein paar Zeilen lesen musste, um zu wissen, worum es ging, beeinträchtige das ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht nicht nennenswert. Die erste Instanz hatte noch anders entschieden (Aktenzeichen 13 U 104/14).

Bloß nicht antworten

Das Amtsgericht Arnstadt hat einen 29-jährigen Mann aus Algerien freigesprochen, der Beamte der Bundespolizei beleidigt haben soll. Der junge Mann aus Jena war am 07.09.2014 in einer Regionalbahn von Erfurt nach Würzburg anlasslos und offensichtlich ausschließlich wegen seiner Hautfarbe von zwei Bundespolizeibeamten kontrolliert worden.

Als die Beamten dem Angeklagten keinen Grund für die Kontrolle nennen konnten, kritisierte dieser die Kontrolle als rassistisch und beschwerte sich im Anschluss in der Dienststelle des Bundespolizeireviers Meiningen über die Kontrolle. Letztendlich fand sich der Betroffene aber selbst auf der Anklagebank wieder, da die Bundespolizisten ihn wegen Beleidigung anzeigten.

In der Hauptverhandlung relativierte ein Beamter nun sein Verständnis der Aussage des Angeklagten. Womöglich habe der Angeklagte nicht ihn persönlich, sondern die Kontrolle als rassistisch und „ausländerfeindlich“ bezeichnet. Das Gericht sprach den Angeklagten daher frei. Selbst wenn der Angeklagte sich so geäußert habe, seien seine Worte von der Meinungsfreiheit gedeckt und nicht individuell beleidigend.

Der als Zeuge vernommene Beamte bat das Gericht mehrfach, die Fragen des Verteidigers Sven Adam zur Rechtsgrundlage der Kontrolle nicht beantworten zu müssen. Die Antworten, so die Begründung des Beamten, könnten seiner Behörde in einem parallel geführten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Dresden schaden.

Adam führt zahlreiche Verfahren wegen Racial Profiling. Die Bundespolizei ist nach Adams Eindruck aktuell sehr bemüht, jeden Anschein einer diskriminierenden Kontrollpraxis zu vermeiden. Dieses „Bemühen“ geht laut dem Anwalt sogar so weit, dass der Strafjustiz nur unvollständige Akten zur Verfügung gestellt werden. „Die Vermerke über die Beschwerde des Angeklagten selbst und damit seine Version der Ereignisse und Vermerke von Dienstvorgesetzten der Beamten über die
Rechtsgrundlage der Kontrolle befinden sich bis heute nicht in der Ermittlungsakte“, sagt der Anwalt (Aktenzeichen Cs 820 Js 36838/14).

Learning by doing

Manchmal ist es vielleicht doch keine gute Idee, ganz unerfahrene Richter mit bestimmten Aufgaben zu betrauen. Zum Beispiel mit Entscheidungen über die Freiheit anderer Menschen.

Mir war vor zwei Wochen der Haftbefehl eines Strafrichters, dessen Namen ich noch nie gehört hatte, auf den Tisch geflattert. Zum Glück war mein Mandant an dem fraglichen Tag nicht zu Hause. So musste er der freundlichen Einladung auf einen Knastaufenthalt nicht Folge leisten, welche Polizeibeamte bei ihm zu Hause aussprechen wollten.

Ich an seiner Stelle hätte mich auch nicht selbst gestellt. Denn der Haftbefehl war in jeder Hinsicht falsch begründet und – offensichtlich – sachlich nicht haltbar. Nachdem ein Gesprächsversuch mit dem Richter scheiterte, weil der für höflich vorgetragene Argumente wenig zugänglich war, legte ich gegen den Haftbefehl Beschwerde ein.

Postwendend schrieb mir der Richter folgendes:

Wird die Beschwerde zurückgenommen? Sie ist unzulässig, weil der Haftbefehl derzeit nicht vollzogen wird.

Welch bahnbrechende Erkenntnis! Ich habe schon gegen unzählige Haftbefehle Beschwerde eingelegt, denen sich meine Mandanten durch Abwesenheit widersetzten. Noch nie ist ein Richter auf die Idee gekommen, dass dieses Rechtsmittel unzulässig sein könnte. Wie auch? In der Strafprozessordnung ist eindeutig festgehalten, dass Beschwerden gegen Haftbefehle zulässig sind. Dass der Beschuldigte dafür in Haft sitzen muss, steht nirgends. Was man allerdings auch unschwer in jedem Standardkommentar zum Strafprozessrecht nachlesen kann.

Überdies: Dem betreffenden Richter steht es laut dem Gesetz gar nicht zu, über die Zulässigkeit einer Beschwerde gegen seinen Haftbefehl zu entscheiden. Er hat nur die Möglichkeit, die eigene Entscheidung abzuändern. Oder er muss das Rechtsmittel an das Beschwerdegericht weiterleiten – und zwar innerhalb von drei Tagen. Die Frage, ob ich die Beschwerde zurücknehme, war also völlig deplatziert. Ebenso wie die unverhohlene Drohung, die Beschwerde als unzulässig zu behandeln.

Ab dem Zeitpunkt wollte ich echt kein Risiko mehr eingehen. Ich rief deshalb den Vorsitzenden des Beschwerdegerichts an und erzählte ihm von der Sache. Der ist ein sehr umgänglicher Mensch. Er war freundlicherweise bereit, seinen jungen Kollegen nachher in der Kantine mal ganz beläufig zu fragen, wie es denn insgesamt so läuft.

Am nächsten Tag wurde der Haftbefehl dann auf meine Beschwerde hin aufgehoben – und zwar durch den jungen Richter selbst.

Post von Jesse

Aus einer Ermittlungsakte:

Bei den betrügerischen Handlungen hinsichtlich der Online-Bestellungen wurde als Kontaktadresse „jesse.pinkman18b@gmail.com“ angegeben. Bei Telefonanrufen Geschädigter, die reklamieren wollten, soll sich der Beschuldigte mit „Heisenberg“ gemeldet haben.

Meine Aufgabe als Verteidiger ist es ja auch, die Sache in einem möglichst milden Licht erscheinen zu lassen. Solche Namen machen das nicht unbedingt leichter. Dafür braucht man nicht mal Saul Goodman zu fragen.

Handyverträge und Hartz IV

Wer bei Abschluss eines Mobilfunkvertrages auf ein neues Handy verzichtet, kriegt oft eine stattliche Auszahlung. Viele Vermittler zahlen auch eine Einmalprämie für den Vertrag, so dass die Grundgebühr sinkt. Bei Hartz-IV-Empfängern stellt sich die Frage, ob dieses Geld auf die Sozialleistungen angerechnet wird. Das Landessozialgericht Hessen hat sie jetzt beantwortet.

Eine Hartz-IV-Bezieherin hatte insgesamt vier Handyverträge abgeschlossen, die ihr 1.200 Euro Cashback in bar einbrachten. Sie wollte nach eigenen Angaben ihrem Ehemann damit den Führerschein finanzieren, doch die ARGE kürzte ihre Bezüge entsprechend.

Das war nach Auffassung des Gerichts unzulässig. Voraussetzung sei nämlich ein „Vermögenszuwachs“. Dieser liege aber nicht vor. Die Frau habe nämlich gleichzeitig eine Zahlungsverpflichtung auf die monatliche Grundgebühren übernommen. Die Grundgebühren seien auf die gesamte Lauftzeit gesehen insgesamt höher sei als die Einmalauszahlung. Somit sei ihr Vermögen im Ergebnis nicht gemehrt (Aktenzeichen L 6 AS 828/12).

Faktisch lebenslang

„Dann plädieren wir halt auf unzurechnungsfähig.“ Das ist ein Vorschlag, den Mandanten gerne machen. Weil sie hoffen, auf diesem Weg um eine Freiheitsstrafe herumzukommen. Ich bin bei dieser Idee immer sehr zurückhaltend. Warum, das illustriert ein Fall, der hier nachzulesen ist.

Seit 27 Jahren sitzt ein Mann in der Psychiatrie. 14 Jahre wegen Sexualdelikten, seit 2002 wegen einer gefährlichen Körperverletzung. Alleine diese letzten 13 Jahre wegen der Körperverletzung gehen an die oberste Grenze, die es überhaupt für Freiheitsstrafen gibt. 15 Jahre kann man nämlich maximal bekommen. Und zwar insgesamt. Selbst bei Mord, dem einzigen Ausnahmefall, soll zu diesem Zeitpunkt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Entlassung realistisch sein.

Dabei lautete die verhängte Gefängnisstrafe für die gefährliche Körperverletzung lediglich ein Jahr und neun Monate. Mit anderen Worten: Der Betroffene sitzt jetzt rund sechs Mal länger wegen der Sache, als er dies ohne Schuldunfähigkeit etc. hätte tun müssen.

Der Grund hierfür ist ganz einfach: Mit der Segnung der Unzurechnungsfähigkeit lösen sich die eigentlichen Strafgrenzen auf. Nach oben gibt es zunächst kein Limit. Vielmehr muss lediglich in regelmäßigen Abständen darüber entschieden werden, ob der Verurteilte noch „gefährlich“ ist. Bei dieser Frage werden die Richter von Psychiatern und dem Klinikpersonal beraten. Und die Tendenz geht schon seit längerer Zeit zu teilweise extremer Vorsicht. Die Entlassung ist da schnell kein abseh- und einschätzbarer Regelfall. Sie wird vielmehr zur Ausnahme, um die man hart, mitunter auch verzweifelt kämpfen muss.

Eine überschaubare Haftstrafe kann sich also via Psychiatrie in ein faktisches Lebenslänglich verwandeln. Ich finde, dieses Risiko sollten sich Angeklagte zumindest bewusst sein. Unzurechnungsfähigkeit mehr oder weniger zu simulieren, davon rate ich jedenfalls immer ganz entschieden ab.

Varoufakis und sein Handy

Der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis hat am Wochenende eingeräumt, dass er gerne sein Handy auf „Record“ stellt, wenn er Besprechungen hat. Unter anderem auch beim letzten Treffen der Euro-Gruppe in Lettland, wo es um Hilfspakete für Griechenland ging.

Das ist schon politisch offensichtlich ein No-go, denn die Treffen gelten wohl als vertraulich. Ich kenne mich im lettischen Recht nicht aus, aber Varoufakis war ja auch schon in politischer Mission in Berlin. Dort hat er unter anderem mit Finanzminister Schäuble über die Krise konferiert. Denkbar, dass er auch dort aufgenommen hat. Und das wäre nicht nur ein Verstoß gegen die Etikette, sondern möglicherweise sogar eine Straftat.

Bei uns schützt § 201 StGB vor der „Verletzung der Vertraulichkeit“ des Wortes. Das bedeutet, auch ohne besondere vorherige Absicherung darf ich mich als Gesprächspartner darauf verlassen, dass mein Gegenüber ein nicht öffentliches Gespräch auch nicht mitschneidet. Das gilt im privaten wie im geschäftlichen Bereich. Das gilt für das persönliche Gespräch wie für Telefonate.

Die Regel lautet also: Wer aufnehmen will, muss das vorher sagen. Ohne großes Wenn und Aber. Ich habe ab und zu Mandanten, die ähnlich argumentieren wie Varoufakis. Nämlich, dass es nie ihre Absicht war, die Aufnahme an Dritte weiterzugeben. Warum auch immer es dann doch passiert ist. Darauf kommt es aber nicht an. Schon die Aufnahme selbst ist eine Straftat, ihre Vertreitung dann möglicherweise eine weitere.

Gianis Varoufakis wird sich juristisch allerdings keine großen Sorgen machen müssen. Denn die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes wird nur auf einen ausdrücklichen Strafantrag des Opfers verfolgt. Diesen Strafantrag wird die Bundesregierung sich ganz sicher sparen.

Burda und Kachelmann einigen sich

+++ Moderator Jörg Kachelmann soll sich mit den Zeitschriften Bunte und Focus geeinigt haben. Kachelmann verlangte vom Burda Verlag rund eine Million Euro, weil die Berichte über sein Ermittlungsverfahren seine Persönlichkeitsrechte verletzt hätten. Wie viel Geld Kachelmann kriegt, ist nicht bekannt. Von der Bildzeitung verlangt Kachelmann über zwei Millionen Euro. Hier soll ein Vergleich vor Tagen gescheitert sein. +++

+++ In Kleve wurde heute ein Straftäter befreit, der in der Klinik Bedburg-Hau untergebracht ist. Der Mann war in Begleitung auf dem Weg zum Arzt. Zwei Unbekannte stoppten das Fahrzeug und bedrohten die Klinikmitarbeiter mit Waffen. Dann stoppten sie einen Pkw und flohen mit dem Insassen der Klinik. +++

+++ Der Prozess um einen möglichen Völkermord in Ruanda muss neu aufgerollt werden. Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte einen ehemaligen Bürgermeister aus Ruanda wegen Beihilfe zum Völkermord verurteilt. Tatsächlich, so der Bundesgerichtshof, spreche aber viel dafür, dass der Mann Täter ist. Das Verfahren wurde in Deutschland geführt, weil der Angeklagte seit langem in Deutschland lebte. Bei dem Massaker im Jahre 1994 sollen rund 400 Menschen getötet worden sein. +++

+++ Eine Lehrerin soll 20 Jahre an verschiedenen Schulen unterrichtet haben, obwohl sie keinen Abschluss hat. Mit gefälschten Dokumenten, so der Vorwurf, wurde sie sogar Beamtin. Die Frau steht in Kiel vor Gericht. +++

Zeuge? Das sollte man wissen

Wegen einer Straftat in Verdacht geraten – kann mir nicht passieren! Werden viele denken. Aber wie sieht es eigentlich aus, wenn man „nur“ als Zeuge mit der Polizei zu tun bekommt? Welche Rechte und Pflichten habe ich? Wo sind die Fallstricke?

Diese Fragen beantwortet meine aktuelle ARAG-Kolumne. Hier geht es zum Text. Viel Spaß beim Lesen.

PS: Es gibt auch eine neue Videokolumne zum Thema Cybermobbing, die hier zu finden ist.

Bloß nichts verkaufen

Strafurteile zu schreiben ist kein Vergnügen. Gerade, wenn sich der Richter dazu äußern, muss, wie er auf die konkrete Strafhöhe gekommen ist.

Zu wenige Worte sind schlecht. Dann heißt es, das Gericht hat nicht alle Umstände berücksichtigt. Zu viele Worte führen schnell dazu, dass Gesichtspunkte unzulässig zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden.

In einem Urteil, mit dem ich mich beschäftige, wird dem Angeklagten etwa strafschärfend vorgehalten, er habe „die Taten mehraktig begangen“. Allerdings finde ich im Urteil jetzt keine Erklärung dafür, wie der Angeklagte die Tat überhaupt in einem Akt hätte begehen können.

Man kann jemandem einaktig ein Bierglas an den Kopf werfen. Oder einaktig einen Fußgänger umfahren. Wie man einen Onlinebetrug (nennen wir es mal Phishing) einaktig einfädeln kann, erschließt sich mir nicht.

Ein anderes Beispiel aus dem Urteil:

Hinzu tritt die von Beginn an bestehende Absicht, die bestellten Waren weiter zu veräußern und so den Schaden zu vertiefen.

Mir ist jetzt nicht ganz klar, wieso es für den Geschädigten einen Unterschied macht, ob der Angeklagte ein betrügerisch erlangtes iPhone selbst nutzt, es seiner Mama gibt oder ob er es verkauft. Anders gesagt: Ist es wirklich strafschärfend, wenn der Angeklagte das Telefon nicht brav originalverpackt im Kleiderschrank deponiert, damit es bei einer Hausdurchsuchung gefunden und flugs an den Eigentümer zurückgegeben werden kann?

Das nur mal zur Illustration, warum es sich immer lohnt, die sogenannten Strafzumessungsgründe ganz genau zu lesen. Ob am Ende was dabei rauskommt, darüber befindet natürlich das Revisionsgericht.

Zum Wohl des Kindes

Der Familienname eines Kindes kann in den Namen der Pflegeeltern geändert werden, wenn dies dem Wohl des Kindes förderlich ist. Dies entschied das Verwaltungsgericht Mainz.

Das heute 10-jährige Kind lebt seit seiner Geburt bei Pflegeeltern. Es trägt den Familiennamen der leiblichen Mutter. Die Pflegeeltern wollten, dass das Kind so heißt wie sie. Sie ließen den Namen des Kindes ändern. Dagegen klagte der leibliche Vater, weil er sich von seinem Kind entfremdet fühlte.

Das Verwaltungsgericht Mainz bejaht einen wichtigen Grund, der für eine Namensänderung vorliegen muss. Bei Dauerpflegekindern sei es notwendig, aber auch ausreichend, dass die begehrte Namensänderung dem Wohl des Pflegekindes förderlich ist und überwiegende Interessen am bisherigen Namen nicht entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall bestehe eine intensive Beziehung des Kindes zu den Pflegeeltern, die es auch zukünftig zu stabilisieren gelte. Das Interesse des leiblichen Vaters trete dahinter zurück. Hierbei berücksichtigt das Gericht auch, dass das Kind schon seit jeher anders hieß als der Vater, weil es den Namen der Mutter trug (Aktenzeichen 4 K 464/14.MZ).

Die Angst voreinander

+++ „Deutsche Polizisten haben Angst – vor allem voreinander.“ Eine sehr treffende Bestandsaufnahme von Jörg Diehl bei Spiegel Online. +++

+++ Das Umgangsrecht eines Vaters mit seinem elfjährigen Sohn kann so weit beschränkt werden, dass der Vater seinem Kind nur einmal im Monat einen Brief schreiben darf. Das Bundesverfassungsgericht hält eine derartige Beschränkung je nach den Umständen des Einzelfalls für zulässig. Es wies deshalb den Antrag des Vaters ab, ihm mehr Zugang zu seinem Kind zu ermöglichen (Aktenzeichen 1 BvR 3326/14, Pressemitteilung des Gerichts). +++

+++ Die Witwe eines lizenzierten Speerwurfkampfrichters erhält keine Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Der 74-jährige Kampfrichter war bei einem Wettkampf in die Flugbahn eines Speers gelaufen und dabei tödlich verletzt worden. Es liege kein Arbeitsunfall vor, so das Gericht, weil der Verstorbene für seine Einsätze nur eine Aufwandsentschädigung erhielt (Aktenzeichen S 1 U 163/13). +++

+++ Mit meiner „Angst“ vor Blutwurst bin ich nicht alleine. Ein Kölner Anwalt macht vor Gericht unter anderem psychische Schäden wegen der angeblichen Delikatesse geltend. Er hatte in ein Stück Blutwurst gebissen und sich an einem Knochenstück die Zähne verletzt. Blutwurst bereitet dem Juristen nach eigenen Angaben nunmehr Angstzustände. Die Klage beläuft sich auf 3.500 Euro Schmerzensgeld. +++

Fast schon wieder lustig

+++ Im Münchner NSU-Verfahren gibt es Streit um einen Gutachter, der auf Beate Zschäpe starrt. Der Sachverständige soll sich später zu Zschäpes Schuldfähigkeit äußern. Doch die redet nicht mit ihm, was ihr gutes Recht als Angeklagte ist. Wie schon im Bericht von Spiegel Online angedeutet, ist es schon merkwürdig, dass ein Psychiater sich nicht weigert, auf der Basis bloßer Beobachtungen ein Gutachten zu erstatten. +++

+++ Der Fahrdienstvermittler Uber plant einen Neustart auf dem deutschen Mark. Bei „uberX“ sollen die deutschen Gesetze vollständig eingehalten werden, das heißt die Fahrer haben einen Personenbeförderungsschein und die Autos sind als Mietwagen zugelassen. Trotzdem will Uber die deutschen Taxipreise deutlich unterbieten. Los geht’s ab sofort in Frankfurt, Hamburg, Düsseldorf und München. +++

+++ Kabarettist Dieter Nuhr hat es nun schriftlich vom Gericht: Man darf ihn einen „Hassprediger“ nennen. Ein Kabarettist, der schon beruflich auf die Meinungsfreiheit angewiesen ist, will anderen den Mund verbieten lassen – fast schon wieder lustig. +++

+++ Wenn in einem Mietvertrag die (ordentliche) Kündigung durch den Vermieter mit einer besonderen Vereinbarung ausgeschlossen ist, muss sich auch ein neuer Hauseigentümer daran halten, urteilt das Amtsgericht Bremen. Es gab einem Mieter recht, der sich gegen eine Eigenbedarfskündigung des Wohnungskäufers wehrte. Im Mietvertrag aus 1956 war dem Mieter ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt worden, es sei denn ihm fällt ein schwerwiegendes Fehlverhalten zur Last (Aktenzeichen 10 C 0131/14). +++

+++ Die gesetzliche Tierhalterhaftung greift auch ein, wenn ein „Profi“ mit dem Tier zu tun hat. Etwa ein Hufschmied, der bei der Arbeit von einem Wallach berufsunfähig getreten wurde. Der Hufschmied hatte den Tierhalter auf rund 100.000 Euro sowie eine monatliche Rente von 1.400 Euro verklagt. Erfolgreich. Das Oberlandesgericht stellt in seinem Urteil fest, die gesetzliche Haftung sei nicht davon abhängig, aus welchem Grund sich eine Person dem Tier nähert (Aktenzeichen 14 U 19/14). +++

Auch Richter müssen googeln

Wer sich gegen ein Knöllchen wehrt, kann auch mal krank werden. Doch das interessiert Richter nicht immer. Wie eine Vorsitzende am Amtsgericht Tiergarten. Diese verwarf den Einspruch eines vermeintlichen Temposünders gegen den Bußgeldbescheid, obwohl der Betroffene sich krank gemeldet und ein Attest vorgelegt hatte.

„Abszess regio 26.27“ stand als Diagnonse auf dem Attest des Zahnarztes. Und dass der Betroffene nicht verhandlungsfähig ist. Die Richterin wollte das Attest aber nicht akzeptieren und sah sich auch nicht in der Lage, beim Arzt nachzufragen. Angeblich, weil auf dem Attest keine Telefonnummer stand.

Das Kammergericht Berlin toleriert diese Einstellung nicht. Wenn genug Anhaltspunkte für eine Erkrankung vorliegen, etwa durch ein Attest, dann muss das Gericht das im Zweifel überprüfen. Besonders stört sich das Kammergericht an der Aussage der Richterin, sie habe den Zahnarzt nicht anrufen können, weil seine Telefonnummer nicht auf dem Attest steht. Es sei der Richterin durchaus zumutbar, eine Telefonnummer zu ermitteln.

Außerdem weist das Gericht darauf hin, dass der Betroffene wohl davon ausging, dass ein Attest ausreichend ist. Auch das könne schon ausreichen, um ihn zu entschuldigen (Aktenzeichen 3 Ws (B) 58/15).

Bild lässt es drauf ankommen

In seinem Rechtsstreit mit der Bild-Zeitung rechnet Moderator Jörg Kachelmann mit einer Rekordentschädigung. Er hat den Springer-Verlag auf 2,25 Millionen Euro wegen der Berichterstattung im Rahmen des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens verklagt, das mit seinem Freispruch endete.

Das Landgericht Köln hatte in der Verhandlung schon durchblicken lassen, dass in rund 50 Fällen eine Persönlichkeitsverletzung durch die Bild-Zeitung in Betracht kommt. Vergleichsgespräche zwischen Bild und Kachelmann sind nun gescheitert; im September soll ein Urteil verkündet werden.