Heute begann in Darmstadt der Prozess gegen einen jungen Mann, der vor einem Schnellrestaurant in Offenbach den Tod der 23-jährigen Tugce A. verursacht haben soll. Die Einzelheiten lassen sich in zahlreichen Berichten nachlesen. Ich möchte nur auf einige Punkte hinweisen, die mitunter etwas verzerrt rüberkommen:
-> Die Anklage lautet auf Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB), nicht auf Totschlag oder gar Mord. Staatsanwaltschaft und Gericht gehen also davon aus, dass der Angeklagte Sanel M. den Tod des Opfers gerade nicht wollte. Es handelt sich also, was die Todesfolge angeht, nicht um eine Vorsatztat im engeren Sinn.
-> Der Angeklagte Sanel M. war zum Tatzeitpunkt 18 Jahre alt. Er ist also „Heranwachsender“ im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes. Dem Gericht wird nach Lage der Dinge kaum etwas anderes übrig bleiben, als bei Sanel M. das Jugendstrafrecht auch anzuwenden. Damit gilt auch die normale – hohe – Mindeststrafdrohung von drei Jahren aufwärts für Körperverletzung mit Todesfolge nicht.
Vielmehr wird das das Gericht auf den ganz normalen Strafrahmen der Jugendstrafe zurückgreifen. Dieser liegt bei sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
-> Im Jugendstrafrecht geht es ausschließlich um den Erziehungsgedanken. Die Frage lautet also, welche Maßnahmen erforderlich sind, um den Täter – und niemanden sonst – wieder „in die Spur“ zu bringen. Das Gericht darf also gar nicht auf einen Abschreckungseffekt durch ein explizit hartes Urteil mit Signalwirkung für andere Gewalttäter abzielen, wie das teilweise erhofft und gefordert wird.
-> Das ungefähre Strafmaß für Sanel M. lässt sich durchaus eingrenzen. Es gibt nämlich praktisch täglich ähnliche Fälle, bei denen Gewalt durch junge Leute aus dem Ruder läuft. Die Verteidiger werden sicher ein ambitioniertes Ziel verfolgen, ohne dafür gleich als anmaßend dazustehen: nämlich eine Bewährungsstrafe.
Dazu werden sie insbesondere herausarbeiten, was für ihren Mandanten spricht. Dazu gehört insbesondere auch die Vorgeschichte, nämlich wie sich alle Beteiligten vor der Tat verhalten haben. Oder etwa der Grad der Alkoholisierung. Und nicht zuletzt den Umstand, dass der Tod in Folge eines Sturzes eher die Ausnahme ist als die Regel.
Ob es am Ende für eine Bewährungsstrafe reicht, ist sicher fraglich. Auf der anderen Seite wird der Prozess nach meiner Einschätzung aber auch nicht mit einem Urteil enden, das drei, maximal vier Jahre übersteigt.