Wenn die Polizei Drogen kauft

+++ Der 48-jährige Richter Jörg L. ist heute zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Landgericht Hannover hält es für erwiesen, dass L. als Referatsleiter im niedersächsischen Justizprüfungsamt Klausurlösungen für teilweise hohe Beträge verkauft oder sexuelle Gefälligkeiten dafür verlangt hat. +++

+++ An der Millionenklage des Wettermoderators Jörg Kachelmann könnte was dran sein. Kachelmann verlangt von Bild, Bunte und Focus insgesamt 3,25 Millionen Euro, weil er sich durch die Berichterstattung über ihn verleumdet fühlt. In dem ersten Prozess gegen Bild regte der Richter eine gütliche Einigung an, ohne konkrete Beträge zu nennen. +++

+++ Drogendealer müssen den Kaufpreis zurückzahlen, wenn sie auf einen getarnten Polizisten hereinfallen. In dem entschiedenen Fall hatte das LKA Berlin Drogen für 50.000 Euro gekauft; das Geld war bei der Festnahme des Mannes aber wohl schon bei unbekannten Hintermännern. Das Kammergericht Berlin hält derartige Scheinkäufe für ein „legitimes Mittel der Prävention und Strafverfolgung“. Deshalb sei eine Rückforderung gesetzlich nicht ausgeschlossen (Aktenzeichen 27 U 112/14). +++

+++ Facebook ist mal wieder im Visier der Verbraucherschützer. Diesmal geht es um 19 Klauseln aus den kürzlich neugefassten Facebook-Bedingungen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband beanstandet in einer nun eingereichten Klage vor allem einen leichtfertigen Umgang mit sensiblen Kundendaten. Insbesondere monieren sie, dass die Voreinstellungen bei Accounts extrem nutzerunfreundlich sind. +++

+++ Kritische Fragen oder „Störung“? An einer bayerischen Schule schlagen die Wellen um einen Schüler hoch, dem sein Rektor eine „zweifelhaft linksorientierte Gesinnung“ attestiert. +++

+++ Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank Jürgen Fitschen muss sich vor Gericht verantworten. Ihm wird versuchter Prozessbetrug vorgeworfen. Es geht um den Fall Leo Kirch. Das Landgericht München ließ eine Anklage gegen Fitschen und vier weitere Mitarbeiter der Deutschen Bank zu. +++

Nicht strafbar? Wo kommen wir da hin!

Über Rechtsfragen kann man natürlich immer streiten. Das ist der Job von uns Juristen. Manchmal überrascht es mich schon, wie zum Beispiel Strafverfolger bei ihrer Arbeit die Rechtslage außer acht lassen oder jedenfalls grob falsch bewerten. Hier ein Beispiel:

Meinem Mandanten wird unter anderem zur Last gelegt, er habe eine junge Frau, die zu ihm bei Besuch war, sexuell genötigt. Richtig ist, dass er, als sie vor seinem PC saß, ihr von hinten einige Zeit über die Brüste streichelte und dabei in freundlichem Ton gestand, er sei in sie verliebt. Selbst in mehrfachen Vernehmungen und bei höchst suggestiver Befragung durch eine engagierte Kommissarin blieb die Frau dabei, sie habe sich nicht gewehrt. Sie habe auch keine Signale gegeben, dass sie das nicht will. Nach dem Vorfall, über den später nicht mehr gesprochen wurde, gab es auch keinen Streit oder ähnliches.

Es mag einem gefallen oder nicht. Aber nach geltendem Recht scheidet hier eine Sexualstraftat aus. Denn dazu bedarf es zumindest bei Erwachsenen stets des Einsatzes von Gewalt, der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder den Umstand, dass das Opfer dem Täter schutzlos ausgeliefert ist.

Das erkannte der Staatsanwalt auch. Allerdings greift er behend zu einer Notlösung. Statt das Verfahren in diesem Punkt einzustellen, klagt er meinen Mandanten an – wegen Beleidigung. Dabei steht in wirklich jedem Strafrechtskommentar in breitester Ausführlichkeit, dass es keine „Geschlechtsehre“ als solche gibt. Und dass die Beleidigungsdelikte kein Auffangstatbestand sind, um straflose sexuelle Handlungen doch zu bestrafen.

Vielmehr ist es für eine Beleidigung immer erforderlich, dass die sexuelle Handlung als solche eine besondere Missachtung des Opfers zum Ausdruck bringt. Es gibt unzählige Urteile, die sich lang und breit mit genau diesen Fragen beschäftigen und betonen, dass es eben gerade besonderer Umstände bedarf, um aus einer sexuellen Handlung auch eine Ehrverletzung zu machen.

Ich bin etwas geknickt, weil ich die Rechtslage in zwei Schriftsätzen wirklich detailliert dargestellt habe. Und sogar noch Telefonate mit dem Staatsanwalt führte, in denen ich zumindest das Gefühl hatte, er versteht was ich meine. Wie auch immer, jetzt darf ich mein Glück beim Gericht versuchen und darauf hoffen, dass die Anklage in diesem Punkt nicht zugelassen wird.

Neues Gericht, völlig andere Sicht

Auto-Reply-Mails auf Kundenpost mit angehängter Werbebotschaft sind nicht unbedingt rechtswidrig. Das Landgericht Stuttgart korrigiert jetzt mit einem Urteil eine Entscheidung des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt.

Der Kunde einer Versicherung hatte auf seine Kündigung hin eine Eingangsbestätigung erhalten. Am Ende war eine Werbebotschaft angehängt. Werbung ist Werbung, befand das Gericht erster Instanz. Da der Kunde Reklame nicht zugestimmt habe, sei die Botschaft verbotener Spam.

Das Landgericht Stuttgart sieht dies anders. Es handele sich hier um tatsächliche, vom Kunden veranlasste Korrespondenz, die auch eindeutig als automatisierte Antwort erkennbar sei. In dieser Konstellation liege zwar ebenfalls Werbung vor, aber es fehle an der erforderlichen Erheblichkeit der damit verbundenen Belästigung. Ein besonderer Aufwand ergebe sich schon deshalb nicht, weil eine Eingangsbestätigung typischerweise nicht von Hand gelöscht werde, sondern der Empfänger diese aufbewahrt. Aus dem Urteil:

Abgesehen davon war auch bereits aus dem Betreff, nämlich „automatische Antwort auf Ihre Mail“, und aus der Uhrzeit für den Kläger erkennbar, dass es sich bei der E-Mail um eine Eingangsbestätigung handelte. Ein Aussortieren ist in einem solchen Fall schon deshalb nicht erforderlich, weil für gewöhnlich solche E-Mails nicht von den Empfängern gelöscht werden, damit sie später einen Nachweis für den Eingang ihrer E-Mail haben. Der Umstand, dass am Ende der E-Mail auf eine kostenlose Unwetterwarnung per SMS und auf die App (…) hingewiesen wird, ändert nichts daran, dass eine erhebliche Belästigung nicht angenommen werden kann.

Link zum Urteil

Standpunkte

Disclaimer einer E-Mail, die ich heute erhalten habe:

Die in dieser E-Mail enthaltenen Informationen sind vertraulich. Sie sind einzig und allein für den Adressaten bestimmt. Wenn Sie nicht der für diese E-Mail bestimmte Adressat sind, löschen Sie diese E-Mail bitte unverzüglich.

Der Inhalt dieser E-Mail darf ohne Zustimmung des Versenders weder weiterverbreitet noch kopiert werden. … Die Standpunkte und Meinungen, die in dieser E-Mail zum Ausdruck kommen, sind die des Autors. Das Unternehmen übernimmt keinerlei Verantwortung für die Ansichten des Autors.

Die Mail stammt von meinem Installateur.

Geschäftsmodell Crapware

+++ Dürfen Mobilfunkanbieter Gebühren für eine Papierrechnung verlangen? Nachdem schon der Bundesgerichtshof diese Frage verneint hat, verklagte der Verbraucherzentrale Bundesverband weitere Anbieter, unter anderen Vodafone, Telefonica und Simyo. Erfolgreich. +++

+++ Lenovo hat auf vielen Notebook-Modellen Gratis-Software installiert, die Sicherheitsrisiken birgt. Das tun die Software-Firmen nicht ohne Grund, sondern weil sie dafür viel Geld bekommen. Zeit Online schildert Hintergründe. +++

+++ Ist Kai Diekmann ein Volksverhetzer? Ich habe darüber mit dem Magazin „Vice“ gesprochen. +++

+++ Heimliche Filmaufnahmen können zulässig sein, wenn ein öffentliches Interesse überwiegt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte beanstandete nun das Strafurteil gegen Journalisten aus der Schweiz. Diese waren verurteilt worden, weil sie einen Versicherungsbroker heimlich gefilmt und die Aufnahmen für die Berichterstattung verwendet hatten. +++

+++ Die taz ist Opfer eines Lauschangriffs geworden – aus den eigenen Reihen. Wie die Chefredaktion berichtet, wird einem Mitarbeiter der Einsatz eines Keyloggers vorgeworfen. Damit soll er die Tastatureingaben von Ressortleitern, Redakteuren, aber auch Praktikantinnen mitgeschnitten worden sein. Die taz hat arbeitsrechtliche Schritte eingeleitet. +++

Die Ausweise, bitte

Spiegel Online hat von einem Gesetzentwurf erfahren, der ein längst überfälliges Problem lösen soll: die Störerhaftung beim Betrieb eines öffentlichen WLAN. Doch von freiem WLAN wäre man mit der Neuregelung womöglich noch weiter entfernt als heute.

Tatsächlich liest sich der Entwurf, soweit er in dem Bericht zitiert wird, eher so, als würden juristische Hürden durch bürokratische ersetzt. So sollen sich WLAN-Nutzer bei dem Anbieter registrieren müssen, um Netzzugang zu erhalten. Außerdem müssen sie mit einem Häkchen versichern, keinen Quatsch zu machen. Der WLAN-Betreiber selbst soll zu „zumutbaren Maßnahmen“ verpflichtet sein, um Missbrauch, also vor allem Filesharing, zu unterbinden.

Natürlich ist Registrierung nicht gleich Registrierung. Die spannende Frage könnte also sein, in welchem Umfang WLAN-Anbieter Klarnamen und Adressen ihrer Kunden abfragen und möglicherweise Belege, vielleicht gar eine Unterschrift verlangen müssen. Immerhin dürfte es ja ansonsten ein Leichtes sein, sich etwa in einem Café als Sigmar Gabriel oder Alexander Dobrindt Zugang zum WLAN zu „verschaffen“.

Noch unerfreulicher könnte die Lösung für privates WLAN ausfallen. Laut dem Bericht sollen private WLAN-Betreiber im Zweifel die Namen aller Nutzer vorlegen müssen. Gerade dieser Gedanke könnte auch der Feder eines Lobbyisten der Contentindustrie entsprungen sein. Hierdurch würde die Störerhaftung im privaten Bereich nämlich faktisch sogar drastisch verschärft. Nicht nur die Idee des „Freifunks“ dürfte dabei auf der Strecke bleiben.

Filmstar wider Willen

Wer freiwillig bei einem Werbeauftritt seiner Firma mitgewirkt hat, muss auch nach seinem Ausscheiden grundsätzlich damit leben. Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gibt es keinen Anspruch von Arbeitnehmern, dass deren Bilder nachträglich aus Promomaterial entfernt werden.

Es ging um den offiziellen Werbefilm einer Firma für Klimatechnik. Der Mitarbeiter, seit 2007 in der Firma, war darin ebenso wie einige seiner Kollegen zu sehen. Der Mann hatte bei dem Dreh freiwillig mitgewirkt, verlangte nach seinem Weggang im Jahr 2011 aber, dass er in dem Film unkenntlich gemacht wird.

Das Bundesarbeitsgericht sieht hierfür keinen Rechtsanspruch. Der Arbeitnehmer habe sich sogar schriftlich mit den Aufnahmen einverstanden erklärt. Dieses Einverständnis ende nicht mit seiner Anstellung. Der Mann benötige außerdem einen „plausiblen Grund“ für einen Widerruf. Er habe aber nicht dargelegt, wie und in welchem Umfang der Werbefilm heute sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt (Aktenzeichen 8 AZR 1011/13).

Der aggressive Mieter

Die Situation ist alltäglich: Mieter beschweren sich, weil ein Mitbewohner den Hausfrieden stört. Die Vermieterin mahnt den Betroffenen ab. Aber muss sie ihrem Mieter auch sagen, wer sich über ihn beschwert hat? Diese Frage musste das Amtsgericht München beantworten.

Es ging um bedrohliches Auftreten, Beleidigungen, falsche Anschuldigungen, Gewaltandrohungen. All das legte die Vermieterin einem Mieter zur Last und drohte ihm die Kündigung an. Der Betroffene reagierte seinerseits mit einer Klage auf Auskunft, wer ihn angeschwärzt hat.

Nach Auffassung des Amtsgerichts München muss die Vermieterin nicht sagen, wer sich bei ihr beklagt hat. Gegenüber den anderen Mietern habe sie eine Fürsorgepflicht, zumal diese um Vertraulichkeit baten und wohl auch Angst vor dem Mann hätten. Im Fall einer Auskunft sei zu befürchten, dass es zu neuen Problemen komme.

Der Mieter, so das Gericht, muss abwarten, ob die Vermieterin ihn tatsächlich verklagt. Bei einem Prozess trage die Vermieterin die Beweislast für eine Störung des Hausfriedens. Spätestens dann müsse sie ihre „Quellen“ als Zeugen benennen (Aktenzeichen 463 C 10847/14).

AntarktUmwSchProtAG

+++ Videokünstler Alexander Lehmann („Du bist Terrorist“, „Wir lieben Überwachung“) hat ein neues Kurzvideo veröffentlicht. Lehmann zeigt, wie gerecht der Reichtum in der Welt verteilt ist. +++

+++ Vier Tage Knast: Ein taz-Reporter macht den Selbstversuch. +++

+++ Die Arbeitsministerin stellt klar: Der Mindestlohn von 8,50 Euro gilt nicht für Amateursportler in Vereinen. Dumm nur, dass das so nicht im Gesetz steht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Arbeitsgerichte Frau Nahles sagen, was für sie gilt. Ich vermute, die goldenen Worte einer Ministerin eher nicht. +++

+++ Die Oktoberfestfeier einer internationalen Anwaltskanzlei scheint aus dem Ruder gelaufen zu sein. Ein Ex-Partner wird der versuchten Vergewaltigung bezichtigt. Anzeige hat einer seiner Kollegen erstattet, nachdem es wegen des Vorfalls zu einer Prügelei kam. Beide Anwälte haben schon den Hut genommen. +++

+++ Im Antarktis-Vertrag-Umweltschutzprotokoll-Ausführungsgesetz (AntarktUmwSchProtAG) ist festgelegt, dass Ausflüge in die südlichste Region der Welt einer Genehmigung bedürfen. Genau diese Genehmigung soll ein als „Antarktis-Bezwinger“ gefeierter Extremsportler nicht eingeholt haben. Ihm droht nun ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro. +++

Wenn’s kracht, hilft die Dashcam nicht

Dieses Urteil wird Betreiber von Dashcams nicht freuen. Zumindest dann nicht, wenn sie die Kamera im Auto laufen lassen, um bei einem Verkehrsunfall ein Beweismittel zu haben. Das Landgericht Heilbronn hält Dashcam-Aufnahmen im Zivilprozess nämlich für unverwertbar. Das ergibt sich aus einem Urteil des Gerichts vom 17. Februar 2015.

Ein Autofahrer soll einem anderen Verkehrsteilnehmer die Vorfahrt genommen haben. Ob das tatsächlich der Fall war, klärte das Amtsgericht Besigheim in einer Beweisaufnahme. So wurde auch ein Sachverständiger angehört. Allerdings weigerte sich das Gericht, eine vom Betroffenen vorgelegte Dashcam-Aufnahme in HD zu verwerten. Zu Recht, wie nun das Landgericht Heilbronn bestätigt.

Die Richter bejahen zwar ein grundsätzliches Interesse jedes Betroffenen, dass im Zivilprozess alle vefügbaren Beweismittel genutzt werden. Das gelte aber dann nicht mehr, wenn andere Interessen vorgehen. Dashcams verletzen laut dem Gericht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die lückenlose, für Passanten nicht erkennbare Aufzeichnung des gesamten Straßenverkehrs sei vergleichbar mit der verdachtslosen Überwachung von Hauseingängen. Oder der Videokontrolle von Arbeitnehmern. Auch hier setze die Rechtsprechung enge Grenzen. Die Situation sei für Passanten vergleichbar. Außerdem sieht das Gericht Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz und gegen das Kunsturheberrechtsgesetz.

Das Urteil bedeutet allerdings nicht, dass Dashcams mit dem Urteil „verboten“ sind. Vielmehr geht es nur um die Frage, ob Dashcam-Aufnahmen im Zivilprozess als Beweismittel zugelassen sind (Aktenzeichen I 3 S 19/14).

Älterer Beitrag zum Thema / ARAG-Kolumne über Dashcams

„Geständige Einlassung“

Heute begann vor dem Landgericht Verden der Prozess gegen den früheren Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy. Lange gedauert hat der Auftakt nicht, wie Spiegel Online berichtet. Es gibt wohl Streit darüber, ob das Verfahren gegen eine Geldauflage einstellt werden kann. Die Staatsanwaltschaft fährt hier laut den Berichten einen Verweigerungskurs.

Dabei hatte schon das Landgericht Verden, vor dem der Fall wegen seiner „besonderen Bedeutung“ verhandelt wird, im Vorfeld darauf hingewiesen, dass die Sache eine abgewogene Betrachtung verdient. Selbst für den Fall, dass man Straftaten nachweisen könne, halte sich die Zahl der Fälle doch eher im unteren Bereich und es sei keine sonderlich hohe Strafe zu erwarten. Das klingt nicht so, als wäre mit dem Gericht eine Einstellung nicht zu machen.

Allerdings scheint die Staatsanwaltschaft Hannover von Edathy hierfür ein Schuldbekenntnis zu erwarten. Der zuständige Anklagevertreter soll heute eine „geständige Einlassung“ von Edathy gefordert haben. Das ist nichts Ungewöhnliches, sondern ein Reflex, dem Anklagevertreter leider gerne folgen. Die Karten auf den Tisch legen, Reue zeigen – das wird häufig zur Bedingung für eine Einstellung gemacht.

Allerdings muss man festhalten: Das Gesetz kennt diese Verknüpfung nicht. Eine Einstellung nach § 153a Strafprozessordnung setzt lediglich voraus, dass die Schwere der Schuld nicht entgegensteht und eine (Geld-)Auflage geeignet ist, das Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen. Die Schuld des Angeklagten wird aber nach Aktenlage bewertet. Ein Geständnis oder gar Reue sind hierfür keine Voraussetzung. Wer als Staatsanwalt aber genau das verlangt und sozusagen ein zusätzliches Kriterium schafft, setzt sich auch ein bisschen über das Gesetz hinweg.

Bulletin Board vom 19.02.2015

+++ Der Düsseldorfer Streit um Zigarettenqualm, der ins Treppenhaus und Nachbarwohnungen zieht, geht weiter. Der Bundesgerichtshof hob ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf auf, das einen starken Raucher zur Wohnungsräumung verurteilte. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist das Urteil fehlerhaft, unter anderem weil sich die Richter gar nicht vor Ort überzeugt haben, ob der Rauch die anderen Bewohner wirklich unzumutbar belästigt. +++

+++ In Schweden gibt es kein besonderes Haftrecht für Jugendliche. Ein Bericht des schwedischen Kinder-Ombudsmanns rügt nun die damit verbundene Isolationshaft als Verstoß gegen die Menschenrechte. +++

+++ Bis zu 30 Menschen soll ein Krankenpfleger im Klinikum Delmenhorst getötet haben. Er spritzte ihnen laut Anklage ein Herzmittel und reanimierte sie dann. Was allerdings oft erfolglos blieb. Die „Rettungsaktionen“ hätten ihm ein gutes Gefühl vermittelt, sagte er in seiner ersten Stellungnahme vor Gericht. +++

+++ BGH-Richter Thomas Fischer erklärt in seiner aktuellen ZEIT-Kolumne, warum der Staat seine Bürger nicht töten darf. +++

+++ Das Bundesarbeitsgericht hat sich zur Frage geäußert, ob und in welchem Umfang Arbeitgeber ihren Angestellten nachspionieren dürfen. Es ging um Videoaufnahmen, die ein Arbeitgeber von einem Detektiv anfertigen ließ, weil er nicht an eine Erkrankung der Mitarbeiterin glaubte. +++

Der Richter und sein Bierkrug

Auch Richter sind nur Menschen. Wie ein Vorfall auf der traditionellen Karnevalsparty der Saarbrücker Staatsanwaltschaft zeigt. Dort soll ein Amtsrichter vor einer Woche einen Wachtmeister mit einem Bierkrug ins Gesicht geschlagen und dem Mann ein Schädeltrauma zugefügt haben.

Auslöser soll eine Frau gewesen sein, die als Biene verkleidet war. Da kam es – womöglich alkoholbedingt – wohl zu einer Verwechslung, die den Richter zu einer Tätlichkeit verführte. Die Hintergründe sind allerdings noch unklar, wie SRonline.de berichtet. Der Richter, der auch für Strafsachen zuständig ist und wohl schon mal eine Leitungsfunktion in der örtlichen Justizvollzugsanstalt hatte, sieht sich nun mit Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung und einem Disziplinarverfahren konfrontiert.

Ich wette mal darauf, dass auch die mutmaßlich hohe Dichte von Volljuristen nicht dazu führt, übermäßig genaue Angaben über den Hergang zu bekommen. Auch hier wird der eine vermutlich A, der andere B erzählen – und diverse Zeugen was ganz anderes. Also wie immer. Interessant wird aber, ob der Richter ebenso behandelt wird wie jeder andere. Eine Blutprobe soll die Polizei schon mal unterlassen haben.

Der Kollege Thomas Will weiß weitere Einzelheiten. Er hat öfter mit dem Richter zu tun.

Bulletin Board

+++ Urheberrecht: Buch“autoren“ kriegen Ärger mit Nutzern, weil sie zahlreiche Beiträge aus einer Facebook-Gruppe verwursten. +++

+++ Jurastudenten fordern gern die Todesstrafe. Ein Interview. +++

+++ Kosten für Katzen- oder Hundesitter können steuerlich abzugsfähig sein. Das Finanzgericht Düsseldorf betrachtet die Aufwendungen für „haushaltsnahe Dienstleistungen“, ebenso wie die Kosten für eine Reinigungskraft (Aktenzeichen 15 K 1779/14 E). +++

+++ Urteil wegen des Augsburger Polizistenmordes ist rechtskräftig: Der Bundesgerichtshof wies die Revision eines der Täter zurück. Gegen den anderen Verdächtigen ist der Prozess noch nicht zu Ende. +++

+++ Die Adler-Bekleidungsmärkte dürfen weiter von ihren Kunden Altkleider sammeln, auch die fremder Hersteller. Die Behörden wollten Adler nur erlauben, eigene Textilien zurückzunehmen, weil die öffentlichen Abfallbetriebe deswegen Umsatzausfälle haben. Das Verwaltungsgericht Würzburg erlaubt Adler aber die Rücknahme aller Altkleider. Adler verhalte sich „produktverantwortlich“ und umweltfreundlich (Aktenzeichen (W 4 K 13.1015). +++

+++ Dürfen AU-Bescheinigungen zurückdatiert werden? +++

Leichenfotos sorgen für Ermittlungen

Die Polizei in Mönchengladbach ermittelt gegen einen 15-Jährigen, der vor einigen Tagen eine Leiche gefunden, den Toten fotografiert und die Bilder dann per What’s App an Freunde verschickt hat. Einzelheiten schildert der WDR.

Es stellt sich natürlich die Frage, weswegen da eigentlich ermittelt wird.

Für eine „Störung der Totenruhe“ reicht ein Foto jedenfalls nicht aus, denn von „beschimpfendem Unfug“, wie ihn das Gesetz fordert, kann nicht Rede sein. Überdies dürfte dem Jungen ja auch jeder Vorsatz in dieser Richtung gefehlt haben.

Was sich auch daraus ergibt, dass der Betroffene sagt, die Situation habe ihn überfordert. Er habe deshalb Freunde angesprochen und ihnen die Bilder geschickt. Dass diese dann möglicherweise die Bilder (ohne sein Einverständnis) auf Facebook verbreitet haben, kann ihm wohl kaum angelastet werden.

In Betracht kommt ein Verstoß gegen §§ 22, 33 Kunsturheberrechtsgesetz. Danach ist es – auch bei Verstorbenen – verboten, deren Bildnis öffentlich zu verbreiten oder zur Schau zu stellen. Die Frage ist da natürlich zunächst, ob der Tote auf den Fotos überhaupt erkennbar war. Aber selbst wenn, liegt noch nicht unbedingt ein „Verbreiten“ vor, da der Betroffene die Fotos nur an einen kleinen Kreis geschickt haben soll. Das reicht aber normalerweise nicht für ein „Verbreiten“ (d.h. an einen unüberschaubaren Personenkreis), zumal es sich ja bei den What’s-App-Nachrichten um individuelle Kommunikation gehandelt haben dürften.

Bei den Verbreitern, die Fotos auf Facebook gestellt haben, sieht es da schon ein wenig anders aus. Je nach Öffentlichkeit des jeweiligen Profils kann man da eher von einem Verbreiten ausgehen.

Außerdem haben die Betreffenden natürlich auch das Urheberrecht verletzt. Aber dieses steht ja dem Fotografen zu, also dem 15-Jährigen. Es dürfte eher unwahrscheinlich sein, dass dieser einen Strafantrag stellt und ein Fotografenhonorar in Rechnung stellt. Ein öffentliches Interesse an einer Verfolgung der Urheberrechtsverletzung wird die Staatsanwaltschaft höchstens bejahen können, wenn sie gewillt wäre, das Urheberrecht als Mittel sozialer Disziplinierung zweckzuentfremden.

Nachtrag:Der Text wurde nachträglich geändert.