Eine ungewöhnliche Entwicklung nimmt der Rechtsstreit um eine 500-Euro-Gewinnzusage von Paypal. Einer der vielen Teilnehmer der Aktion „Willste? Kriegste!“ hatte erfolgreich auf Auszahlung des vermeintlichen Gewinns geklagt und vom Amtsgericht Jena recht bekommen. Doch jetzt nahm er seine Klage zurück – nach entsprechender Zahlung von Paypal?
Die Vermutung, dass Paypal einem „Präzedenz“urteil gegen entsprechende freiwillige Leistungen an den Kläger noch nachträglich den Boden entziehen will, drängt sich natürlich auf. Das Urteil löst sich allerdings dadurch nicht in Luft auf – es ist ja bereits veröffentlicht.
Was nun nicht eintritt, ist die formale Rechtskraft des Urteils. Die Rechtskraft hat aber erst mal nur zwischen den Parteien Wirkung. Der Kläger kann nun nicht mehr aus der Entscheidung gegen Paypal vollstrecken. Außerdem hat sich natürlich die Berufung erledigt, die Paypal wohl eingelegt hat. Außerdem muss der Kläger die Kosten des Verfahrens tragen, die Anwaltskosten von Paypal eingeschlossen.
Ob nun rechtskräftig oder nicht, spielt für den Wert eines Urteils nur eine eingeschränkte Rolle. Das liegt einfach daran, dass Gerichte bei uns grundsätzlich nicht daran gebunden sind, was andere Gerichte zu derselben Frage entschieden haben. So kann sich zum Beispiel auch ein einfacher Amtsrichter gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen.
Sofern Geld geflossen ist, wäre Paypal besser beraten gewesen, schon vor dem Urteil auf den Kläger zuzugehen. Eine Klagerücknahme bis zum Tag der Urteilsverkündung hätte nämlich dafür gesorgt, dass das Urteil gar nicht das Licht der Welt erblickt.
Dass der Kläger sich auf einen Deal eingelassen haben dürfte, kann man ihm nicht vorwerfen. Immerhin hat er das Prozessrisiko getragen. Zu diesem Risiko gehört nach wie vor die Gefahr, dass die nächste Instanz die Sache anders sieht. Und warum soll er eine Sache durchziehen, wenn er möglicherweise so ein finanziell lukrativeres Ergebnis erzielt?