Etwas Glück kann vor Gericht nie schaden. Eine besonders große Dosis kriegte jetzt der Angeklagte in einem Prozess ab, den ich als Verteidiger einer weiteren Angeklagten miterleben durfte.
Der Betreffende hatte schon vor Jahren eine Freiheitsstrafe auf Bewährung kassiert. Zur allseitigen Überraschung tauchte diese Vorstrafe in den Unterlagen des neuen Verfahrens nicht auf. Konkret: Das bundesweite Vorstrafenregister war in diesem Punkt erfreulich blank, obwohl Löschungs- und Tilgungsfristen definitiv noch nicht abgelaufen waren.
So was passiert sehr selten. Manchmal gibt es Übermittlungsfehler bei der Datenübertragung von den Gerichten an das Register. Oder, was ich schon mal erlebt habe, die Vorstrafe meines Mandanten wird vom Register auf das Konto einer Person gebucht, die mit dem Verurteilten Namen, Vornamen Geburtsdatum und Wohnort teilt.
Um den „Verbleib“ der Vorstrafe zu klären, forderte die zuständige Richterin sogar die Akten des alten Verfahren an. Die lagen im letzten Verhandlungstermin zwar auch vor ihr auf dem Tisch. Sie verlas aber nur den Auszug aus dem Bundeszentralregister. Kein weiteres Wort über das frühere Urteil. Grundsätzlich hätte die Richterin darüber Beweis erheben können, ob das Register falsch ist. Etwa durch Verlesung des damaligen Urteils. Oder durch eine Anfrage beim Register, was denn womöglich schief gelaufen ist. Machte sie aber nicht. Fragt mich nicht, warum.
Mein Mitverteidiger war so schlau, das alles nicht groß zu thematisieren. Denn so lange das Gericht keine Vorstrafe durch entsprechende Hinweise in das Verfahren einführt, darf die Vorstrafe natürlich auch nicht strafverschärfend berücksichtigt werden.
Was dann auch tatsächlich nicht geschah. So kam es am Ende zu einem Urteil, das den Angeklagten sehr freuen konnte. Immerhin kriegte er Bewährung, was bei seinen Taten nicht selbstverständlich war. Und schon gar nicht selbstverständlich gewesen wäre, wenn seine frühere Verurteilung eine Rolle gespielt hätte.
Auch meine Mandantin war im Ergebnis happy, denn die Richterin gewährte ihr ebenfalls einen großzügigen Rabatt. Das nennt man wohl ausgleichende Gerechtigkeit. Der Staatsanwalt hatte allerdings weit härtere Strafen gefordert. Als er dann auch noch großmütig erklärte, er verzichte gleich an Ort und Stelle auf Rechtsmittel, war der Tag echt nicht mehr zu toppen.
Zu dem Gericht fahre ich gern mal wieder.