Ein interessanter Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten beschäftigt sich mit den juristischen Auswirkungen freizügiger Selfies. Auszug:
Dem Angeschuldigten wird eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen vorgeworfen, indem er auf dem Laptop der Zeugin N. mehrere Aktaufnahmen der Geschädigten J., von denen drei in einer Wohnung entstanden waren, gefunden und sodann als Anhang an eine Mail von dem Computer der Zeugin N. (den er berechtigt mitnutzen durfte), an seinen eigenen Computer geschickt haben soll.
Der vorgeworfene Sachverhalt begründet kein strafbares Verhalten. …
Unzweifelhaft hat der Angeschuldigte … die streitbefangenen Fotos nicht selbst aufgenommen, sondern fand sie bereits gespeichert auf dem Computer der Zeugin N. Indem er diese Fotos auf seinen Computer gemailt hat, könnte er diese Bilder im Sinne von § 201a StGB „übertragen“ haben.
Eine derartige strafbare Handlung setzt aber eine Echtzeitübertragung im Sinne einer Übermittlung von Live-Aufnahmen voraus. Gleich dem „Herstellen“ soll nämlich in § 201a Abs. 1 StGB die unbefugte erstmalige Verwendung von höchstpersönlichen Bildern Dritter unter Strafe gestellt werden. Bei den Bildern handelte es sich aber gerade nicht um Live-Aufnahmen. Sie waren bereits fixiert und hergestellt.
Auch eine strafbare „Verbreitung“ vermag das Amtsgericht Tiergarten nicht zu erkennen. Selfies scheiden als Tatobjekte schon deshalb aus, weil sie bereits nicht „unbefugt“ im Sinne des Gesetzes hergestellt worden sind. Selbst knipsen darf man sich nämlich noch.
All das hatte ich der zuständigen Staatsanwältin schon vorher schriftlich erläutert. Dennoch erhob sie unbedarft und ohne jeden Selbstzweifel Anklage. Die rechtliche Würdigung durch das Amtsgericht, das die Anklage nun nicht zugelassen hat, fruchtete dagegen mehr. Hiergegen hat sie dann doch keine Beschwerde mehr eingelegt.