Jahrelang haben deutsche Staatsanwaltschaften und Gerichte die Verkäufer von Legal Highs verfolgt. Und zwar auf der Grundlage des Arzneimittelrechts. Nun zeichnet sich ab, dass dies rechtswidrig war. Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof hält es nämlich schon für unzulässig, synthetische Cannabinoide als Arzneimittel einzustufen.
Hintergrund des Ganzen ist ein juristisches Dilemma. Jedenfalls eines aus Sicht der Strafverfolger. Die vielen hundert, relativ neuen Varianten synthetisch hergestellter Cannabinoide, welche durchaus ähnlich wie Marihuana wirken, fallen zunächst nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Das liegt daran, dass bei uns nur als Betäubungsmittel gilt, was ausdrücklich verboten ist. Steht der Stoff nicht auf der schwarzen Liste, kann sein Hersteller, Verkäufer oder Konsument nicht nach dem Betäubungsmittelgesetz bestraft werden. Aus Sicht vieler, die etwas gegen Cannabinoide haben, ein unhaltbarer Zustand.
Statt jedoch auf eine eventuelle Gesetzesänderung hinzuwirken und bis dahin abzuwarten, verfielen vermeintlich findige Staatsanwälte, angefeuert durch einen besonders emsigen Strafverfolger, der seit längerem in Fachaufsätzen, Kommentaren und Interviews für sein Anliegen trommelt, auf einen Ausweg. Sie definierten Legal Highs einfach als Arzneimittel. Somit konnte das Arzneimittelgesetz angewendet werden. Es sieht praktischerweise ebenfalls „passende“ Strafen vor.
Allerdings ist diese Auslegung des Arzneimittelbegriffs juritisch höchst gewagt – wie jetzt auch das Plädoyer des Generalanwalts zeigt. Arzneimittel sind nach der maßgeblichen EU-Richtlinie nämlich nur Substanzen, die einen therapeutischen Nutzen haben. Ganz lebensnah weist das Gutachten darauf hin, dass niemand Legal Highs konsumiert, um gesund zu werden oder zu bleiben. Vielmehr strebten die Nutzer „Entspannungszwecke“ an.
Ausdrücklich warnt das Plädoyer davor, Begriffe wie den des Arzneimittels unzulässig weit auszulegen. Oder ihn gar zu „verzerren“. Ein unverhohlener Angriff auf das juristisch gewagte Vorgehen der deutschen Behörden. Die Stellungnahme des Generalanwalts ist ein wichtiges Signal dafür, wie der Europäische Gerichtshof letztendlich die Sache sieht. In der Regel folgt das Gericht dem Generalanwalt (von Ausnahmen wie dem Google-Urteil abgesehen).
Ergeht ein entsprechendes Urteil, stünden die laufenden Strafverfahren wegen Legal Highs vor dem Aus. Das Nachsehen hätten aber alle, die bereits verurteilt sind. Eine Entscheidung aus Luxemburg führt nicht dazu, dass rechtskräftige Urteile revidiert werden müssen.