Schöffen, die Laienrichter in größeren Strafverfahren, stehen normalerweise nicht im Blickpunkt des Interesses. Ein Schöffe hat es jetzt allerdings geschafft, selbst Schlagzeilen zu erzeugen. Er wurde für befangen erklärt. Er hatte sich ausgerechnet vom Angeklagten ärztliche Tipps geholt.
Geschehen ist das Ganze am Landgericht Göttingen. Dort wird momentan gegen den früheren Leiter der Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum verhandelt. Der Arzt soll unnötige Transplantationen durchgeführt und bei der Besorgung von Spenderorganen getrickst haben. Der schwerste Anklagevorwurf ist elffacher Totschlag.
Auf dem Weg in die Kantine ist der betreffende Schöffe mit dem Angeklagten ins Gespräch gekommen. Ganz klassisch, im Aufzug. Dabei habe, räumt das Gericht ein, der Schöffe über eine Handverletzung geplaudert, die er sich vor einiger Zeit im Gericht zugezogen hatte. Der Unfall war dem Chirurgen bekannt.
Später, so heißt es, habe der Angeklagte dem Schöffen noch telefonisch einen Arzt empfohlen.
Für die Staatsanwaltschaft ging das über zulässigen Smalltalk hinaus. Sie lehnte den Schöffen wegen Befangenheit ab. Dem Antrag gab das Gericht statt. Wie in längeren Verfahren üblich, steht ein Ersatzschöffe zur Verfügung. Diese Reserveleute sind stets vom Anfang an im Prozess dabei. Das Verfahren muss also nicht von vorne beginnen.
Ich hatte vorletztes Jahr einen ähnlichen Fall. Da hatte ein Schöffe den beiden Staatsanwälten am 6. Dezember zwei Schoko-Nikoläuse auf ihre Bank gestellt. So viel Nähe war dem Gericht ebenfalls zu viel. Der Schöffe hatte mit sofortiger Wirkung mehr Zeit für Weihnachtseinkäufe.