Wer auffährt, ist schuld. Diese einfache Regel gilt oft, aber nicht immer. Für Kettenauffahrunfälle definiert das Oberlandesgericht Hamm jetzt eine Ausnahme. Wenn nach einer Mehrfachkollision nicht mehr genau geklärt werden kann, welcher Zusammenstoß sich zuerst ereignete, haftet jeder Autofahrer auf 50 % des Schadens.
Ein Autofahrer hatte eine Frau verklagt, weil diese mit ihrem Wagen auf sein Auto aufgefahren war. Allerdings waren die beteiligten Autos Nummer drei und vier in einer Kette von Fahrzeugen, die miteinander kollidiert waren. Der Kläger argumentierte, er habe seinen Wagen noch rechtzeitig zum Stillstand gebracht, sei dann aber von der Beklagten auf den Vordermann aufgeschoben worden. Es konnte allerdings nicht mehr geklärt werden, ob der Autofahrer nicht vielleicht doch selbst aufgefahren war.
In solchen Fällen, so das Oberlandesgericht Hamm, gilt der übliche „Beweis des ersten Anscheins“ nicht. Das Verschulden des Hintermannes dürfe nur in typischen Unfallsituationen vermutet werden. Hierzu gehöre ein Kettenunfall aber nicht. Die Beweislast lag also beim Kläger. Da er das Alleinverschulden der Beklagten nicht belegen konnte, steht ihm nur die für Zweifelsfälle übliche Haftungsquote von 50 % zu (Aktenzeichen 6 U 101/13).