Uli Hoeneß möchte allen etwas beweisen, die ihn in den letzten Tagen mangelhafte Einsicht und allenfalls geheuchelte Rolle vorgeworfen haben. Er tritt nicht nur von allen Ämtern beim FC Bayern München zurück. Vielmehr will Hoeneß auch die dreieinhalb Jahre Freiheitsstrafe akzeptieren.
In einer persönlichen Erklärung von heute morgen schreibt Hoeneß, wie er mit dem gestrigen Urteil umgehen will:
Ich habe meine Anwälte beauftragt, nicht dagegen in Revision zu gehen.
Hoeneß ist also bereit, grundsätzlich sofort ins Gefängnis zu gehen. Auch wenn es zum eigentlichen Haftantritt immer etwas dauern kann. Auch er würde die Ladung der zuständigen Vollstreckungsstelle abwarten müssen. Etwa vier bis sechs Wochen ist die normale Zeit, bis er sich dann innerhalb einer gesetzten Frist an der Gefängnispforte melden kann.
Allerdings liegt es längst nicht allein an Hoeneß, ober die Sache schnell hinter sich bringen kann. Die Staatsanwaltschaft hat offizell noch nicht entschieden, ob sie ihrerseits das Urteil anfechten will. Grund hätte sie. Die Strafe fällt im Vergleich zu anderen Fällen doch deutlich niedriger aus. Vier bis fünf Jahre lauteten etwa die Prognosen von Fachleuten, die ich in den letzten Tagen gehört habe.
Legt die Staatsanwaltschaft Revision ein, muss Hoeneß warten. Bis der Bundesgerichtshof über das Rechtsmittel entschieden hat. Sechs bis zwölf Monate dauert das im Normalfall, es gibt aber auch Abweichungen nach oben und unten. So lange die Revision der Staatsanwaltschaft läuft, kann Hoeneß nichts ins Gefängnis. Nicht mal freiwillig, denn ohne rechtskräftige Urteil ist die Vollstreckung einer Strafe unzulässig.
Mit seinem heutigen Schritt spielt Hoeneß publizistisch den Ball jedenfalls geschickt ins Feld der Staatsanwaltschaft. Diese wird nun – vielleicht nicht ganz zu Unrecht – am Pranger stehen, wenn sie eine höhere Strafe anstrebt. Die Staatsanwaltschaft kann übrigens auch zu Gunsten von Hoeneß Revision einlegen; aber das ist eher unwahrscheinlich.
Entscheidet sich die Staatsanwaltschaft für eine Revision, heißt es nämlich, dem bußfertigen Uli Hoeneß werde die Möglichkeit genommen, schnell mit dem Gesetz ins Reine zu kommen und die Sache hinter sich zu bringen. Die Staatsanwälte geraten also in öffentliche Erklärungsnot, was ihre strafprozessualen Rechte aber natürlich nicht mindert.
Mir stellt sich die allerdings die Frage, ob Hoeneß wirklich klug agiert, wenn er von sich aus auf eine Revision verzichtet. Es ist für einen Angeklagten zumindest optisch natürlich immer besser, wenn er neben der Staatsanwaltschaft ebenfalls Rechtsmittel einlegt. Es gibt zwar keinen offenen Handel „Wenn du zurücknimmst, nehme ich auch zurück“. Aber es muss ja nicht alles zu Papier gebracht werden, mit dem die Beteiligten versuchen, eine Sache vernünftig zu lösen.
Aber genau das haben Hoeneß‘ Anwälte vielleicht sogar schon gemacht. Und mit der Staatsanwaltschaft gesprochen, ob eine Revision kommt. Sofern auch diese den Verteidigern bereits Verzicht signalisiert hat, ist das Verhalten des Ex-Bayern-Präsidenten durchaus nachvollziehbar.
Und eins ist ja wohl klar: Spätestens mit seinem heutigen Schritt ist Hoeneß dem offenen Vollzug ein ganz großes Stück nähergekommen.