Die Münchner Patentanwaltskanzlei Diehl & Partner nimmt zu ihrem Gutachten im Fall der Redtube-Abmahnungen Stellung. Wesentlich Neues erbringen die wenigen Zeilen nicht – die wichtigsten Fragen bleiben unbeantwortet.
Besonders auffällig ist an der Stellungnahme zunächst, dass Diehl & Partner sich auf die Aussage zurückzieht:
Nicht Gegenstand des Gutachtens war somit die rechtliche Bewertung, ob eine Wiedergabe von über das Internet bereitgestellten Videodateien auf dem Rechner eines Benutzers gegen Urheberrecht verstößt.
Das ist formal richtig. Über Urheberrecht steht nichts im Gutachten. Allerdings bewertet die Kanzlei in dem Gutachten sehr wohl die Art und Weise, wie die Software arbeitet – und zwar in juristischer Hinsicht. Dort heißt es nämlich:
Die bei den Tests durchgeführten Aktionen beruhen technisch auf üblichen Internettechnologien, welche beim Einsatz in dem verwendeten Test-Szenario keine Bedenken hinsichtlich etwaigen Gesetzesverstößen erkennen lässt.
Zur Frage, ob die Software gesetzeskonform arbeitet, liegt also sehr wohl eine Expertise vor. Es sei denn, Diehl & Partner möchte die Aussage so verstanden wissen, nur man selbst habe bei dem Test keinerlei illegale Methoden verwendet. Das allerdings wäre eine sehr große Selbstverständlichkeit und etwas selbstverliebt.
Das Statement zur Gesetzeskonformität, so wie ich es nach wie vor verstehe, steht in unmittelbaren Zusammenhang mit der Behauptung, es würden technisch übliche Internettechnologien verwendet. Daran bestehen aber größte Zweifel. Denn bis heute ist nicht ersichtlich, wie die Software ohne den Einsatz illegaler Methoden beim Betrachten eines Internetstreams den Datenverkehr zwischen dem Server und dem Nutzer analysieren können soll.
Diehl & Partner behauptet nun überdies, man habe nur die „Funktionstüchtigkeit“ der Software überprüft. Also nicht, wie diese im Detail funktioniert. Wörtlich:
Nicht Gegenstand des Gutachtens war es weiter, den Quellcode oder die Arbeitsweise der Software „GLADII 1.1.3“ zu analysieren.
Das steht jeodch in einem auffälligen Widerspruch zu der ausdrücklichen Feststellung im Gutachten, es würden nur übliche Internettechnologien verwendet. Bislang haben die Patentanwälte nicht dargelegt, woher sie das denn überhaupt wissen können, wenn sie gar keinen Blick unter die Motorhaube geworfen haben wollen.
Insgesamt macht die Stellungnahme deutlich, dass die Kanzlei kritiklos die Testvorgaben des Auftraggebers umgesetzt hat. So wird nochmals ausdrücklich klargestellt, man habe nur drei vom Auftraggeber vorgegebene Videodateien überprüft, und das ausschließlich am hauseigenen Internetanschluss. Faktisch bedeutet dies, dass die naheliegende Möglichkeit, der Testaufbau oder die konkret vorgegebenen Dateien seien vom Auftraggeber manipuliert, entweder gar nicht gesehen oder sogar in Kauf genommen wurde.
Dabei hätte der Gutachter allen Grund gehabt, stutzig zu sein. Wie gesagt, der Rest der Welt fragt sich bis heute, wie die Software technisch gestrickt ist, um solche Wunderwerke zu vollbringen. Nur dem Gutachter, einem laut Selbstdarstellung ausgewiesenen Experten, will überhaupt nichts spanisch vorgekommen sein.
Auch ansonsten verschleiert die Stellungnahme mehr, als sie für Klarheit sorgt. Interessanterweise ist nun lediglich davon die Rede, man habe überprüft, ob die Software „Zugriffe“ auf Mediendateien protokolliert, die auf Drittservern hinterlegt sind. Von Zugriffen ist im gesamten Gutachten aber nicht die Rede. Dort geht es nur um Downloads. Das macht einen gewichtigen Unterschied. Denn zugreifen kann man auf eine Internetseite auch, ohne dass die fraglichen Dateien tatsächlich auf den Rechner übertragen werden. Sei es nun als kompletter Download einer eigenständen Datei. Oder eben nur als Stream.
Abschließend beteuert die Anwaltskanzlei, sie habe mit den Abmahnungen selbst nichts zu tun. Auch habe sie das Gutachten erstattet, ohne den genauen Verwendungszweck zu kennen. Der Auftraggeber bestimme allein, wofür er das Gutachten später verwendet. Das ist eigentlich noch der Teil der Stellungnahme, der sich am ehesten glauben lässst.
Im Ergebnis entkräftet das kurze Statement die Kritik an dem Gutachten in keinem Punkt. Es bleibt wohl dabei, dass nur die Auftraggeberin des Gutachtens und vermutlich auch die anderen Protagonisten im Redtube-Fall wissen, wie genau getrickst wurde. Dass es die Wundersoftware wirklich gibt, ist jedenfalls zweifelhafter denn je.