Fast ein schönes Gefühl

Das Informationsfreiheitsgesetz wurde geschaffen, um dem Bürger ein wichtiges Gefühl zu geben: dass der Staat für ihn arbeitet, er diese Arbeit hinterfragen darf und nur wirklich geheime Unterlagen geheim zu bleiben haben.

Dieses schöne Gefühl wird allerdings getrübt durch das unverkennbare Bestreben mancher Behörden, dem interessierten Bürger die Luft rauszulassen. Sei es durch Weigerung, sich an das Gesetz zu halten. Durch aberwitzige Gebühren für die Antwort. Oder durch ein Vorgehen, das man in einem Wort umschreiben kann: Rechtsmissbrauch.

Letztere Taktik fährt aktuell das Bundesinnenministerium gegenüber der Plattform fragdenstaat.de. Es raffte sich zwar dazu auf, einen unter Berufung auf die Informationsfreiheit herausverlangten Text an den Gründer des Whistleblower-Netzwerks zu schicken, weil juristische Gegenwehr in der Sache wohl aussichtslos erschien. Allerdings forderte das Ministerium die neugierigen Quälgeister auf, ihre Erkenntnisse strikt für sich zu behalten. Der Innenminister untersagte vorsorglich eine Veröffentlichung – unter Berufung auf das Urheberrecht.

Wenn man das schon hört, ahnt man gleich: Da passt was nicht zusammen. Haben die Beamten des Ministeriums während ihrer Kaffeepausen womöglich die Harry-Potter-Reihe um einen weiteren Band erweitert, weshalb die Veröffentlichung ihres Werks durch fragdenstaat.de nun die absehbare Sanierung des Staatshaushalts gefährdet?

So ist es natürlich nicht. Es handelt sich um einen Vermerk der Hausjuristen. Der eignet sich schon vom staubtrockenen Diktus her eher nicht als Bestseller. Dafür besitzt er politische Sprengkraft. Die Verfasser warnen ihre Vorgesetzten im Amt nämlich davor, für die anstehende Europawahl eine 3 % – Hürde einzuführen.

Diese Hürde betrachten sie als ebenso verfassungswidrig wie die bislang geltende 5 % – Hürde. An den Ratschlag hat sich allerdings keiner gehalten. Der Bundestag führte kürzlich die 3 % – Hürde für Europawahlen ein.

Man hat also die Rechtsauffassung der Fachleute in den Wind geschlagen. Das ist nicht verboten, soll aber wohl nicht an die große Glocke gehängt werden. Das wiederum scherte fragdenstaat.de eher weniger. Das Rechtsgutachten ging auf Bitten der Whistleblower bei fragdenstaat.de online, und postwendend trudelte eine Abmahnung von der Bonner Haus- und Hofkanzlei der Bundesregierung ein.

Doch weder nobles Briefpapier noch eine Kostenforderung von 887,00 Euro für die anwaltliche Mühewaltung zwingt fragdenstaat.de bislang in die Knie. Ganz im Gegenteil, der hinter der Webseite stehende gemeinnützige Verein schießt argumentativ scharf zurück – und trifft durchaus ins Schwarze.

Die Antwort der fragdenstaat-Anwälte listet die Schwachpunkte des staatlichen Pochens auf das Urheberrecht penibel auf:

– fehlende Schöpfungshöhe des Vermerks;

– Tagesaktualität des Ereignisses und das allgemeine Informationsbedürfnis schränken das Urheberecht ein;

– fehlende Widerrechtlichkeit der Veröffentlichung (Vorrang der Meinungsfreiheit).

Pikant am Rande: Die Anwälte des Bundes sind womöglich schon an den Formalien gescheitert. Jedenfalls müssen sie sich vorhalten lassen, sie hätten bei Formulierung der Abmahnung nicht die ziemlich neue Gesetzeslage bei Abmahnungen im Bereich des Urheberrechts beachtet.

Diese verlangt seit kurzem eine ausdrückliche Belehrung des Abgemahnten, wenn er eine Unterlassungserklärung abgeben soll, die über den eigentlichen Vorwurf hinausgeht. Eine Falle übrigens, in die zuletzt möglicherweise auch die Pornoabmahner im Fall Redtube gestolpert sind.

Fragdenstaat.de ist bereit, die Sache vor Gericht zu klären. Projektleiter Stefan Wehrmeyer:

Der Bundesregierung geht es nicht um Autorenrechte. Sie nutzt das Urheberrecht willkürlich, um die Veröffentlichung von brisanten, staatlichen Dokumenten zu verhindern. Es entsteht der Eindruck, dass die Bundesregierung die Nachvollziehbarkeit politischen Handelns erschweren will.

Rechtsanwalt Ansgar Koreng von der Kanzlei JBB Rechtsanwälte, der fragdenstaat.de juristisch betreut, wird sogar noch deutlicher:

Gerade in politischen Angelegenheiten darf das Urheberrecht nicht zur Zensur missliebiger Veröffentlichungen missbraucht werden.

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