Das Rätselraten um das Sachverständigengutachten im Fall der Pornoabmahnungen hat ein vorläufiges Ende. Heute veröffentlichte die Anwaltskanzlei MMR das Gutachten der Münchner Patentanwaltskanzlei Diehl & Partner. Das Gutachten war Grundlage dafür, dass das Landgericht Köln in vielen tausend Fällen grünes Licht für die Abmahnung von Internetnutzern gegeben hat.
Das Gutachten selbst ist nach meiner Einschätzung völlig untauglich. Insbesondere gibt es keine Auskunft darüber, wie die Abmahner die IP-Adressen der Nutzer ermitteln konnten. Offenbar hat sich die Kanzlei Diehl & Partner damit zufriedengegeben, lediglich drei Clips von Videoplattformen abzurufen.
Dabei handelte es sich, da muss man sich echt festhalten, um Dateien, welche den Patentanwälten vom Auftraggeber als „geeignet“ vorgegeben wurden. Das heißt, tatsächlich wurde nicht mal überprüft, ob der Auftraggeber des Gutachtens die benannten Dateien bzw. den Aurufvorgang manipuliert hat.
Für eine objektive Überprüfung hätten die Sachverständigen jedenfalls selbst nach dem Zufallsprinzip Videos auswählen und gegebenfalls auch die Plattform auswählen müssen, auf der die Clips angeklickt werden. Auswahl gibt es ja genug. Somit ist nicht einmal ansatzweise ersichtlich, dass die Software tatsächlich korrekt die Datenübertragung von einer Videoplattform zum Nutzer protokollieren kann.
Nach meinem Eindruck wollten sich die Sachverständigen solche Fragen auch nicht stellen. Das Gutachten erschöpft sich über etliche Seiten in Beteuerungen, die Software habe als Ergebnis korrekte Werte gezeigt. Die entscheidende Frage, wie diese Werte technisch zustande gekommen sind, wir mit keinem Wort beantwortet. Tatsächlich wird sie noch nicht einmal gestellt.
So lobt das Gutachten zwar die Fülle der Daten, die sich auf dem Kontrollbildschirm des Rechners ablesen lässt, auf dem die Software mit dem wohlklingenden Namen GLADII 1.1.3 angeblich läuft. Wo und wie diese Daten (zum Beispiel die IP-Adresse des angeblichen Nutzers) von der Software abgegriffen werden, interessierte die Experten ersichtlich nicht.
Zu den technischen Hintergründen verrät das Gutachten also nichts. Deutlich wird dies an der reichlich selbstsicheren Feststellung:
Die bei den Tests durchgeführten Aktionen beruhen technisch auf üblichen Internettechnologien, welche beim Einsatz in dem verwendeten Test-Szenario keine Bedenken hinsichtlich etwaigen Gesetzesverstößen erkennen lässt.
Dabei rätselte die interessierte Öffentlichkeit schon seit Bekanntwerden der Redtube-Abmahnungen, wie die Software denn tatsächlich auf legalem Weg den Datenverkehr zwischen dem Rechner der Plattform und dem Betrachter des Streams analysieren können soll. Bisher hat sich noch niemand gefunden, der erklären kann, wie dies mit „üblichen“ und vor allem legalen Methoden gelingen soll. Auch das Landgericht Köln hatte in den negativen Beschlüssen (solche gab es auch) entsprechende Zweifel geäußert.
Immerhin erfahren wir in dem Gutachten, der Sachverständige sei promovierter Physiker und seit 18 Jahren Patentanwalt. Der Experte nimmt für sich in Anspruch, er sei
mit den Technologien der Informationsverarbeitung und Informationsübertragung über das Internet in einem Maß vertraut, welches über das für die vorliegende Untersuchung notwendige Maß weit hinausgeht.
Ich vermute, mit dem Satz hat er sich keinen Gefallen getan.