Die Wahrheitsfindung bei Missbrauchsvorwürfen ist schwierig. Aktuell zeigt dies der tragische Fall eines 62-jährigen Mannes aus dem Allgäu. Seine eigene Tochter hatte ihn mehrfacher Vergewaltigung bezichtigt. Dafür saß er sieben Jahre in Haft. Zu Unrecht, wie sich jetzt am Landgericht Memmingen herausstellte.
Die Tochter hatte im Alter von 15 Jahren behauptet, ihr Vater habe sie in der Vergangenheit mehrfach schwer sexuell missbraucht. Die Taten seien geschehen, als sie neun und zehn Jahre alt war. Nun räumte die Frau ein, dass sie damals vor dem Landgericht Kempten gelogen hat. Tatsächlich habe sie ihren Vater nur gehasst und ihm schaden wollen. Hintergrund war eine Beziehungskrise der Eltern.
Nach der Trennung von ihrem Mann habe die mittlerweile verstorbene Mutter sie aufgehetzt, sagte die Frau. Mit Hilfe des Terminkalenders ihrer Mutter habe sie eine Lügengeschichte konstruiert, die ihr mehrere Gutachter und auch das Gericht abnahmen. Am Ende ging der Vater sieben Jahre ins Gefägnis. Seine Haftstrafe saß er bis zum letzten Tag.
Mittlerweile hat das angebliche Missbrauchsopfer selbst drei Kinder. Die Geburt ihres ersten Kindes habe ihr den Anstoß gegeben, die Wahrheit zu sagen, erklärte die Frau nun vor dem Landgericht Memmingen. Sie habe zwar auch zuvor Gewissensbisse gehabt, sich aber nie zu einer wahrheitsgemäßen Aussage aufraffen können. Und das, obwohl seinerzeit sogar ihr kleiner Bruder ins Heim kam.
In solchen Verfahren spielen Gutachter eine entscheidende Rolle. Sie prüfen für das Gericht, ob das mutmaßliche Opfer die Warheit sagt. Dabei muss im ersten Prozess, der 1996 stattfand, viel schief gegangen sein. Ein neuer Sachverständiger sagte jetzt im Wiederaufnahmeverfahren, die damaligen Gutachterinnen seien inkompetent gewesen. Sie hätten untaugliche Methoden angewendet und die Geschichte des Mädchens nicht hinreichend hinterfragt.
Der zu Unrecht verurteilte Familienvater kann jetzt auf eine späte Entschädigung für die Haftzeit durch den Staat hoffen. Allerdings zunächst mal nur in der Höhe der gesetzlichen Mindestsumme von 25 Euro pro Tag, von der die penible Justiz oft noch rund sechs Euro pro Tag für Kost und Logis abzieht. Die Tochter des Freigesprochenen hat strafrechtlich kaum was zu befürchten. Ihre Taten dürften verjährt sein.